Leeres Fußballstadion
AP/Michael Sohn
Fußball

Europas Ligen in der „Geisterspiel“-Falle

Seit März steht der Spielbetrieb in Europas Fußballligen wegen der Coronavirus-Pandemie still. Seither wird darüber nachgedacht, unter welchen Umständen die nationalen Meisterschaften fertig gespielt werden könnten – Stichwort: „Geisterspiele“. Welche Maßnahmen dafür notwendig sind, wird derzeit vielerorts diskutiert. Ob bzw. wann der Ball wieder rollt, ist allerdings noch unklar.

Die heimische tipico-Bundesliga legte dem Sport- beziehungsweise Gesundheitsministerium am Dienstagabend ein „umfassendes Konzept“ bezüglich der erhofften Ligafortsetzung mittels „Geisterspielen“ vor. „Dann findet hoffentlich schnell der Austausch statt, damit man schnellstmöglich Klarheit bekommt, unter welchen Voraussetzungen ein Spielbetrieb möglich ist“, sagte Ligavorstand Christian Ebenbauer in der ORF-Sendung „Sport aktuell“.

Dass bereits am Freitag bei der Clubkonferenz ein konkreter Termin für den Neustart des Spielbetriebes festgelegt werden kann, ist laut Ebenbauer unrealistisch. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich mir nicht vorstellen, dass wir am Freitag sämtliche Information haben, die wir benötigen, um eine endgültige Entscheidung zu treffen“, so der Ligavorstand. „Ich glaube, das wird noch um die zehn Tage brauchen bis Anfang Mai.“

Fahrplan völlig offen

In der Bundesliga sind Trainer und Spieler wieder vereint.

Die bisher letzten Bundesliga-Spiele wurden am 8. März absolviert, danach kam es wegen der Coronavirus-Pandemie zu einer Unterbrechung. Ausständig sind noch jeweils zehn Runden in der Meister- und Qualifikationsgruppe, also 60 Spiele, sowie das drei Partien umfassende Europa-League-Play-off und das Cupfinale zwischen Red Bull Salzburg und Austria Lustenau.

Auch Deutschland hat noch keinen Termin

Die Sportministerkonferenz in Deutschland hält Fußball vor leeren Rängen ab Mitte oder Ende Mai für vertretbar. Die Deutsche Fußballliga (DFL) „muss dabei strengste hygienische und medizinische Voraussetzungen schaffen, durchsetzen und mit geeigneten Maßnahmen überprüfen“, sagte die Bremer Sportsenatorin Anja Stahmann (Grüne).

Am Donnerstag will die DFL während ihrer Mitgliederversammlung über weitere Schritte beraten, werde sich aber noch nicht auf einen konkreten Termin für den Neustart der Bundesliga festlegen. Die Entscheidung darüber liege „selbstverständlich bei den zuständigen politischen Gremien“, teilte die DFL mit.

Schweiz wartet auf Rückmeldung der Behörden

Die Swiss Football League (SFL) erarbeitete zusammen mit dem Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern ein Konzept für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Die SFL zeigt Szenarien für die Rückkehr auf die Trainingsplätze und die Organisation von „Geisterspielen“ auf.

Das Konzept wurde vergangene Woche beim Schweizer Bundesamt für Sport eingereicht und soll als Grundlage für einen Entscheid der Behörden zum Profifußball dienen, schrieb die SFL in einer Mitteilung. In den kommenden Tagen sollen sich die Clubs der beiden höchsten Spielklassen zum Konzept und den Szenarien austauschen. Von den Behörden erhofft sich die SFL eine baldige Rückmeldung mit einem verbindlichen Zeitplan.

Italien will Fußballer in Camps isolieren

In Italien dämpfte Sportminister Vincenzo Spadafora die Hoffnungen auf eine baldige Wiederaufnahme der Serie A. „Stand heute ist weder der Neustart der Liga noch das Training am 4. Mai gesichert“, sagte Spadafora am Montag dem TV-Sender Rai 2. Nach einem Treffen mit dem Fußballverband (FIGC) am Mittwoch kündigte Spadafora noch Gespräche mit Gesundheitsminister Roberto Speranza und dem wissenschaftlichen Ausschuss der Regierung in den nächsten Tagen an. Die Serie A ist seit dem 12. März unterbrochen. Zwölf Spieltage stehen noch aus.

In Italien gelten noch bis zum 3. Mai die landesweiten Ausgangssperren. Nach dem Plan der Ligaverantwortlichen sollen die Fußballer ab dem 4. Mai zunächst isoliert werden, das heißt unter anderem auf das Coronavirus getestet und in Camps streng kontrolliert werden. Nach drei Wochen könnten dann möglicherweise Partien – ohne Fans – gespielt werden.

Spaniens Profis gegen Kasernierung

Auch die spanische Liga schlug vor, den Trainingsbetrieb in geschlossenen Camps wieder aufzunehmen. Das stieß bei den Spielern allerdings auf wenig Zustimmung. Die Kapitäne aller 42 Clubs in den beiden höchsten Spielklassen hätten am Dienstag ein Videomeeting abgehalten, berichtete die Spielvereinigung AFE. Geschlossene Trainigscamps wurden in dem Meeting mehrheitlich abgelehnt.

Laut Spaniens Ligachef Javier Tebas würden die Clubs rund eine Milliarde Euro verlieren, wenn die Saison nicht zu Ende gespielt wird. Bisher ist aber noch kein Datum für die Rückkehr ins Training fixiert. Spanien ist besonders stark vom Coronavirus betroffen.

England läuft die Zeit davon

Die 20 Premier-League-Clubs einigten sich am Freitag darauf, die aktuelle Saison in jedem Fall abschließen zu wollen. Eine Frist dafür wurde aber nicht gesetzt. Britische Medien hatten zuvor berichtet, mehrere Clubs würden planen, nicht über den 30. Juni hinaus zu spielen. Eine Austragung aller 92 noch ausstehenden Spiele bis dahin scheint jedoch schwer umsetzbar.

Der englische Fußballverband (FA) bot das Londoner Wembley-Stadion und den St. George’s Park in Burton upon Trent/Staffordshire als neutrale Austragungsorte an. In den Arenen könnten am selben Tag gleich mehrere Spiele angepfiffen werden. St. George’s Park bietet auch ein Hotel mit 228 Zimmern. 13 Fußballplätze, fünf davon mit Flutlicht, könnten auch als Trainingszentrum dienen.

Wembley-Stadion
GEPA/David Rodriguez
Das Wembley-Stadion könnte in England als neutraler Austragungsort mehrerer Spiele dienen

Die französische Ligue 1 kann sich eine Fortsetzung der Meisterschaft am 17. Juni vorstellen. Die Spiele müssten ca. alle drei Tage stattfinden, damit die Liga am 25. Juli enden könnte. Somit wäre bis 2. August auch noch Zeit für die Relegationsspiele. Die Liga hätte sich zudem darauf geeinigt, den Start der neuen Saison um zwei Wochen auf 23. August nach hinten zu verschieben.

Schweden plant Spiele vor Publikum

In Schweden soll der Profifußball Mitte Juni mit dem Spielbetrieb beginnen. Auf der Website der Fotbollsallsvenskan hieß es, dass die 32 Mitgliedsclubs ab dem 14. Juni wieder spielen wollen. Ursprünglich sollte die Saison am 4. April starten, wegen des Coronavirus-Ausbruchs mussten aber alle Partien verschoben werden.

Man warte nun auf den internationalen Kalender der Europäischen Fußballunion (UEFA), bevor die genauen Termine festgelegt würden, hieß es in der Mitteilung. Das Ziel sei es, vor Publikum zu spielen, das sei aber von den Richtlinien zum Schutz vor dem Virus abhängig. Die Liga hofft, diesbezüglich bis Mitte Mai Klarheit zu haben. In Schweden sind bisher Versammlungen von bis zu 50 Menschen erlaubt.

Saison in Niederlanden beendet

In den Niederlanden wurden alle genehmigungspflichtigen Veranstaltungen bis zum 1. September verboten, das gilt auch für Fußballspiele ohne Publikum. „Kein Profifußball bis zum 1. September“, sagte Premier Mark Rutte am Dienstagabend in Den Haag. Damit ist die Saison vorzeitig beendet. In der Eredivisie müssten eigentlich noch acht Runden gespielt werden.

Nun wird heftig über die Wertung der abgebrochenen Spielzeit diskutiert. Vor allem die Fragen, wer zum Meister ernannt wird und ob es Auf- und Absteiger gibt, sorgt für Spekulationen. Ajax Amsterdam und AZ Alkmaar liegen beide nach je 25 ausgetragenen Partien mit 56 Punkten an der Tabellenspitze. Ajax hat allerdings die um acht Treffer bessere Tordifferenz.

KNVB berät am Freitag über Wertung

Eigentlich müsste nun Ajax der Titel zugesprochen werden. Allerdings gibt es auch Stimmen, die das anders sehen, weil Alkmaar beide direkten Duelle gewonnen hat. Ob die Regeln für den Fall eines Abbruchs gültig sind, ist unklar. Der Verband (KNVB) will am Freitag mit allen Beteiligten beraten, wie die Spielzeit gewertet wird.

Die UEFA hatte vor der Entscheidung in den Niederlanden mitgeteilt, dass Richtlinien erarbeitet werden, um in „speziellen Fällen“ bei Saisonabbrüchen in den nationalen Ligen unter anderem die Frage nach den Europacup-Teilnehmern zu klären. Damit dürfen die Clubs der Eredivisie darauf hoffen, auch kommende Saison international dabei zu sein.

Belgien entscheidet am Montag über Abbruch

Belgien hatte bereits Anfang April die Jupiler Pro League für beendet erklärt. Nach Drohung der UEFA, belgische Vereine aus dem Europacup 2020/21 auszuschließen, wurde aber wieder zurückgerudert. Die belgischen Erstligisten werden ihre endgültige Entscheidung über einen vorzeitigen Saisonabbruch aller Voraussicht nach erst am kommenden Montag treffen. Hintergrund ist laut der Nachrichtenagentur Belga, dass die belgische Regierung für Freitag eine Stellungnahme zu Massenveranstaltungen angekündigt hat.