Jubel des italienischen Alfa-Romeo-Fahrers Giuseppe Farina nach dem Sieg des Formel-1-Grand-Prix von Silverstone im Jahr 1950
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Motorsport

Die Geburtsstunde der Formel 1

König Georg VI. und die spätere Queen Elizabeth sind da, mit ihnen rund 120.000 Zuschauer. 21 Fahrer reihen sich zur Begrüßung auf, darunter ein thailändischer Prinz namens Birabongse Bhanudej Bhanubandh, kurz Prinz Bira, oder etwa auch der belgische Jazzmusiker Johnny Claes. Es ist der 13. Mai 1950, die Geburtsstunde der Formel-1-WM. Den 70. Jahrestag am Mittwoch hatten sich alle anders vorgestellt.

Eigentlich würden die Erben der PS-Pioniere des vergangenen Jahrhunderts nach den ersten sechs Rennen der Rekordsaison 2020 gerade kurz verschnaufen – nach dem ursprünglich für 10. Mai angesetzten Grand Prix von Spanien. In der nächsten Woche würde es nach Monaco (24. Mai) gehen, dem Klassiker schlechthin.

Statt zu feiern und statt zu fahren herrscht aber auch in der Formel 1 Stillstand durch die Coronavirus-Pandemie – gepaart mit vor allem einem: Ungewissheit. Und auch wenn die Formel 1 krisenerprobt ist, rüttelt der Zwangsleerlauf an den Grundfesten. Wie die milliardenschwere Serie in 70 Jahren aussehen könnte, ob es sie dann überhaupt im Behauptungskampf mit E-Mobilität und Nachhaltigkeit noch gibt – wer weiß das schon. Im Moment ist schon unklar, ob alle zehn Teams die aktuelle Krise einigermaßen überstehen.

Budgetobergrenzen, die Erschließung immer neuer lukrativer Märkte, DRS (Überholhilfe Drag Reduction System) oder MGU-K (Motor-Generator) – beim Renndebüt an jenem 13. Mai 1950 spielte all das noch gar keine Rolle. Die Fahrer waren durchschnittlich rund 39 Jahre alt, Modellathleten mit eigenem Trainer waren nicht die Regel.

„Nino“ Farina gewinnt erstes Formel-1-Rennen

Und doch, oder vielleicht erst recht war es die Zeit, in der die Helden auf den Strecken geboren wurden, deren Namen die Piloten der heutigen Generation sich noch immer verneigen lassen. Giuseppe „Nino“ Farina gewann das erste Formel-1-Rennen – er war schon 43 Jahre alt. Der Italiener krönte sich auch zum ersten Champion. In seinem Alfa Romeo raste er über den Kurs in Silverstone mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 145 Stundenkilometern. Sicherheitsvorkehrungen wie heutzutage waren nicht einmal im Ansatz da.

Giuseppe Farina (Italien) im Alfa Romeo während einer Trainingsfahrt auf der Strecke von Silverstone (GB)
AP/Eddie Worth
Farina, hier beim Training am 12. Mai, war der Sieger des ersten Formel-1-Rennens in Silverstone

Bei der Premiere in Siverstone war auch einer dabei, der als einer der Besten in die Geschichte eingehen sollte. Juan Manuel Fangio schafft es nicht ins Ziel beim ersten WM-Lauf der Königsklasse. Und im Titelduell mit Farina fehlten dem Argentinier am Ende drei Punkte. Ein Jahr später holte Fangio den Titel, vier weitere (1954, 1955, 1956 und 1957) folgten. Erst Michael Schumacher gelang es Anfang dieses Jahrtausends, die Rekordmarke des 1995 mit 84 Jahren gestorbenen Südamerikaners zuerst einzustellen und dann mit sogar sieben WM-Triumphen zu überbieten.

Der Argentinier Juan Manuel Fangio während des Grand Prix von Genf im Jahr 1950
AP
Fangio, hier beim GP von Genf am 30. Juli 1950, musste sich im ersten WM-Jahr Farina um drei Punkte geschlagen geben

Auch die ORF-Sendung „Sport am Sonntag“ widmete sich letzte Woche ganz dem Thema 70 Jahre Formel 1. Gerhard Berger, Helmut Marko, Alexander Wurz, Dieter Quester und Christian Klien erinnerten sich an die zehn besten Momente aus sieben Jahrzehnten. Platz zehn im Ranking war der Reifenskandal von Indianapolis 2005.

Ein Rennen mit nur sechs Autos

Der Grand Prix wurde durch gravierende Reifenprobleme der Michelin-Teams überschattet, die alle in der Einführungsrunde in die Boxengasse fuhren. Nur die sechs Autos der Teams mit Bridgestone-Reifen starteten zum Rennen. Ferrari feierte mit Michael Schumacher und Rubens Barrichello einen Doppelsieg. Der Österreicher Patrick Friesacher belegte im Minardi Rang sechs.

Skurrilstes Rennen aller Zeiten

Der Grand Prix der USA in Indianapolis 2005 war zwar kein sportliches Highlight, aber dafür äußerst unterhaltsam.

Die Rivalität von Senna und Prost

Bei Platz neun stand das Psychoduell zweier Großer in der Formel-1-Geschichte im Zenturm – Ayrton Senna und Alain Prost. Ihre langjährige Rivalität erreichte bei der WM-entscheidenden Kollision der beiden McLaren-Teamkollegen in Suzuka 1989 den ersten Höhepunkt. Durch den Ausfall von Prost und die Disqualifikation von Senna fixierte der Franzose seinen dritten Weltmeisterschaftstitel.

Showdown im Psychoduell

Die erbitterte Rivalität von Alain Prost und Ayrton Senna stand im Fokus von Platz neun.

Teamrivalität auch bei Red Bull

Kollisionen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Formel-1-Geschichte. Platz acht zeigte etwa den Crash der beiden Red-Bull-Teamkollegen Sebastian Vettel und Mark Webber 2010 in Istanbul. Im gleichen Jahr in Abu Dhabi wurde Vettel dann der jüngste Weltmeister aller Zeiten.

Mächtige Egos und hitzige Gemüter

Kollisionen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Formel 1. Das erfuhren auch Sebastian Vettel und Mark Webber am eigenen Leib.

Massenkarambolage mit 18 Autos

Um Unfälle ging es auch bei Platz sieben. Die Massenkarambolage 1998 in Spa-Francorchamps, bei der 18 Autos beteiligt waren, ging mit 13 Millionen Dollar Kosten als teuerster Blechschaden in die Formel-1-Geschichte ein.

Der 13-Millionen-Dollar-Blechschaden

Einer der spektakulärsten Unfälle der Formel-1-Geschichte ereignete sich 1998 beim Grand Prix von Belgien.

Fangio prägt die Anfangsjahre der Formel 1

Bei Platz sechs im „Sport am Sonntag“-Ranking dreht sich alles um Juan Manuel Fangio. Der Argentinier prägte die Anfangsjahre der Formel 1 und wurde fünfmal Weltmeister – mit vier verschiedenen Automarken (Alfa Romeo, Maserati, Mercedes und Ferrari). Bei 51 Grand-Prix-Starts gewann er 24-mal, diese Erfolgsquote von 47 Prozent ist innerhalb der Formel 1 bis heute unerreicht.

„Alter Mann“ aus Argentinien

Juan Manuel Fangio stand 1957 am Höhepunkt seiner Karriere. Der legendäre Argentinier feierte damals seinen fünften WM-Titel.

Wie Hamilton Massa den Titel wegschnappt

Wie knapp es in der Formel 1 zugehen kann, wurde 2008 deutlich. Es war die wohl aufregendste WM-Entscheidung aller Zeiten und Platz fünf im ORF-Ranking. 30 Sekunden lang wähnte sich Ferraris Felipe Massa durch den Sieg in Interlagos als Weltmeister – doch Lewis Hamilton wurde zum großen Partyschreck. In der vorletzten Kurve überholte der Brite Timo Glock und belegte den fünften Platz. Damit fixierte Hamilton seinen ersten von bislang sechs WM-Titeln.

Aufregendste WM-Entscheidung aller Zeiten

30 Sekunden lang feierte die Ferrari-Familie den Titel von Felipe Massa – zu früh, wie sich herausstellte.

Rindt wird postum Weltmeister

Platz vier im Ranking belegt das traurige Schicksal von Jochen Rindt. Der Grazer gab 1964 beim Grand Prix von Österreich sein Debüt in der Formel 1 und war Österreichs erster Fahrer in der Königsklasse des Motorsports. Sechs Jahre später starb er beim Training in Monza – in der gleichen Saison wurde er postum Weltmeister.

Das traurige Schicksal von Jochen Rindt

1964 schafft Jochen Rindt es als erster österreichischer Fahrer in die Formel 1. Er gilt bis heute als Wegbereiter für die nachfolgenden Generationen an heimischen Formel-1-Piloten.

Der erfolgreichste Pilot der Geschichte

Um einen Mann der Rekorde geht es bei Platz drei im Ranking – Michael Schumacher. Der Deutsche wurde insgesamt siebenmal Weltmeister (1994, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004). Seinen ersten Titel fixierte er in Australien durch eine Kollision mit Damon Hill. Es war nicht das einzige umstrittene Manöver des erfolgreichsten Piloten der Formel-1-Geschichte.

Ein Mann der Rekorde

Durch die Kollision mit Damon Hill wurde Michael Schumacher in Australien zum ersten Mal Weltmeister.

Die Revanche von Senna an Prost

Rang zwei der spektakulärsten Formel-1-Momente gehört der brasilianischen Legende Senna bzw. dessen Revanche 1990 an Prost. In Diensten von Ferrari sollte der Franzose in Suzuka erneut einen WM-Showdown mit McLaren-Pilot Senna ausfechten, bei dem es wieder zur Kollision kam – wobei der WM-Titel dieses Mal an den Brasilianer ging.

Senna wird Weltmeister

1990 kam es in Suzuka erneut zum Titelduell zwischen Ayrton Senna und Alain Prost. Prost fuhr als Zweiter in der Startaufstellung schneller weg, und in der ersten Kurve kam es zum Crash.

Wie Lauda zur Sportikone wurde

Die Nummer eins der „Sport am Sonntag“-Rangliste war Niki Laudas Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring. Dass der Wiener diesen Crash am 1. August überlebte, grenzte an ein Wunder. Die Bilder gingen um die Welt und machten Lauda zur absoluten Sportikone. Am 9. September in Monza saß er bereits wieder in seinem Ferrari und belegte den vierten Platz.

Der Feuerunfall von Niki Lauda

Am 1. August 1976 verunglückte Niki Lauda am Nürburgring schwer. Die Bilder gingen um die Welt und machten den gebürtigen Wiener zu einer absoluten Sportikone.

Immer wieder Krisen und Skandale

Wer im Zeitraffer durch die Formel-1-Historie seit jenem 13. Mai 1950 rast, den Feuerunfall des im Mai vergangenen Jahres verstorbenen Lauda vor Augen, sich an große Stallrivalenduelle wie das von Senna gegen Prost erinnert, an die vier Jahrzehnte währende Ära von Bernie Ecclestone samt Bestechungsprozess denkt, an das schwarze Wochenende von Imola mit dem Tod des Salzburgers Roland Ratzenberger und Brasiliens Ikone Senna, an die skurril-unfassbare Spionageaffäre, die McLaren seinerzeit die Rekordgeldstrafe von 100 Millionen US-Dollar bescherte, der merkt schnell, dass die Formel 1 sich irgendwie immer durch alle Krisen und Skandale manövriert hat.

Um zumindest auch in diesem Jahr wieder an der Traditionsstrecke rund eineinhalb Stunden mit dem Auto von London entfernt fahren zu können, sollen die Formel-1-Bosse nun sogar laut Medienberichten mit Regierungsbehörden über mögliche Ausnahmen reden. Denn die angekündigte baldige Zweiwochenquarantäne für alle Flugreisenden auf die Insel würde nach den geplanten Neustartrennen vor leeren Rängen in Österreich am 5. und 12. Juli die Rennen am 19. und 26. Juli in Silverstone unmöglich machen.