Sicherheitspersonal vor dem Signal-Iduna-Park-Stadion in Dortmund
AP/Martin Meissner
Fußball

Deutscher Neustart im weltweiten Fokus

Ab Samstag öffnet die deutsche Bundesliga als erste der großen europäischen Meisterschaften nach zwei Monaten Pause wieder ihre Pforten. Nicht nur die von den Spielen aufgrund der Vorschriften bezüglich der Coronavirus-Pandemie ausgeschlossen Fans der Clubs fiebern dem Neustart entgegen, auch der Rest der Sportwelt hofft auf einen positiven Schneeballeffekt durch den Vorreiter.

„Die Lokomotive des europäischen Fußballs kommt wieder in Bewegung“, schrieb der italienische „Corriere della Sera“ und sieht den historischen Spieltag der deutschen Eliteliga am Wochenende als Initialzündung für den Fußball. „Aus Deutschland ertönt das Signal, auf das der gesamte europäische Fußball gewartet hatte“, titelte die französische Sportzeitung „L’Equipe“ schon nach der Verkündung der Fortsetzung des Spielbetriebs durch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der weltweite Fokus auf die deutsche Liga wurde durch diverse Vorfälle im Vorfeld noch geschärft. Das Kabinenvideo von Herthas Salomon Kalou und eine flapsige Einkaufserzählung von Augsburg-Trainer Heiko Herrlich, der das Teamhotel verließ, um Hautcreme und Zahnpasta zu kaufen, sorgten schon vor der Wiederaufnahme für Aufsehen. Diese Aktionen lieferten auch einen Vorgeschmack, welche Fallhöhe den Beteiligten droht: Die Missachtung der Hygieneregeln hat nicht nur direkte Konsequenzen zur Folge, sondern bringt eine ganze Branche in Verruf und den „absoluten Notbetrieb“, so DFL-Boss Christian Seifert, in akute Gefahr.

Der deutsche Teamspieler Toni Kroos, der bei Real Madrid sein Geld verdient, bestätigte, mit welch großem Interesse etwa die spanische Liga am Wochenende nach Deutschland blickt. „Man hat hier so den Eindruck: Wenn die Deutschen das nicht hinkriegen, dann kriegt das keiner hin, da weiterzumachen“, sagte der Offensivspieler. Es sei beeindruckend, „dass die Deutschen das mit den Viruszahlen, mit den Infektionen und den Verstorbenen noch mit am besten hinbekommen haben“, sagte Kroos: „Und wenn die nicht in der Lage sind, die Bundesliga zu beenden, wer ist es dann? Von daher wird sicher hingeguckt, wie es läuft.“

„Kann Signalwirkung haben“

Bei den deutschen Clubs ist man sich der Vorbildwirkung ebenfalls bewusst. „Die ganze Welt schaut auf Deutschland, wie wir das machen“, sagte Bayern-Trainer Hansi Flick: „Das kann eine Signalwirkung auf alle Ligen haben. Dann kann der Sport allgemein vielleicht wieder aufgenommen werden.“ Darum sei es wichtig, die strengen Auflagen konsequent umzusetzen: „Wir haben eine große Vorbildfunktion.“ Er habe „keine Angst“ um seine Spieler wegen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus beim Kontaktsport Fußball. Wenn einer seiner Spieler Bedenken vor einem Einsatz gehabt hätte, hätte dieser sich gegen einen Einsatz entscheiden können – „ohne Konsequenzen“.

Flick wies darauf hin, dass Spieler, Trainer und Betreuer sich zur Abwicklung der letzten neun Spieltage vielen Pflichten unterwerfen würden. Vor dem Spiel am Sonntag beim Aufsteiger 1. FC Union Berlin befinde man sich im Hotel in Quarantäne. Und auch danach gehe das Leben nicht normal weiter. „Wir dürfen Dinge, die andere Leute machen dürfen, nicht machen“, sagte Flick mit Hinweis auf den Besuch von Restaurants oder Biergärten. „Im privaten Bereich sind wir schon sehr eingeschränkt“, sagte der Bayern-Coach.

„Geisterspiele“ nötiges Übel

Trotz aller Einschränkungen sind Vorfreude und auch Nervosität bei Spielern, Trainern und Funktionären groß. „Ich war fast noch nie so angespannt. Wir wissen sportlich nicht, wo wir stehen. Ich frage mich natürlich, ob alles funktionieren wird, was wir organisatorisch vorbereitet haben“, sagte Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, das am Samstag im prestigeträchtigen Revierderby Schalke 04 empfängt.

Spielszene Schalke 04 gegen Borussia Dortmund im Oktober 2019
Reuters/Leon Kügeler
Das Gastspiel von Schalke (l.) beim Erzrivalen Borussia Dortmund ist am Samstag das Highlight des Wiederbeginns in der deutschen Liga

Die traditionsreiche Partie wird aufgrund der Coronavirus-Krise erstmals als „Geisterspiel“ ausgetragen. „Ohne Zuschauer zu spielen, das schmerzt uns wirklich sehr“, bekannte Watzke, der laut eigener Aussage „wirkliche Freude“ erst dann empfinden würde, „wenn wir in einem voll besetzten Stadion spielen.“ Kontakte zur Fanszene hätten ihm jedoch den Eindruck vermittelt, „dass viele Fans verstehen, warum wir weiterspielen“, kommentierte er mit Bezug auf die Kritik vieler Beobachter an der Rückkehr der Fußballer in den Titelkampf.

Weltweites Vorbild?

Der ehemalige Weltfußballer Rivaldo, der seinerseits 2002 mit Brasilien den WM-Titel holte, zeigte sich jedenfalls überzeugt, dass bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs in Deutschland „alles gut verlaufen“ werde. „Die Bundesliga wird mit gutem Beispiel vorangehen, damit andere Länder diesem Drehbuch folgen können“, sagte der 48-Jährige, der vor sechs Jahren seine aktive Karriere beendet hatte.

Der frühere englische Bayern-Legionär Owen Hargreaves ging sogar noch einen Schritt weiter: „Vergesst Fußball, die ganze Welt wird an diesem Wochenende zuschauen, um zu sehen, ob das funktioniert, denn die NFL, die NBA, die werden alle sehen wollen, ob das klappt. Es geht nicht nur um den Sport. Wenn das jetzt gutgeht, werden die Leute versuchen, das auf der ganzen Welt umzusetzen“, sagte der Experte von BT Sport.

Die britische Tageszeitung „The Independent“ zieht Rückschlüsse auch für die Premier League, die voraussichtlich erst ab 19. Juni starten soll: „Für alle ist es wichtig, dass diese erste Woche gutgeht. Wenn Deutschland es nicht hinbekommt, trotz der niedrigeren Kurve und obwohl so vieles so reibungslos verlaufen ist, dann ist es schwer, sich vorzustellen, dass jemand anderes es in nächster Zeit hinbekommt.“

Internationales TV-Ereignis

Riesig ist das Interesse bei Fernsehstationen in aller Welt. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) wollte sich zwar zum internationalen TV-Interesse nicht äußern, aber nach dpa-Informationen ist die Bundesliga am Wochenende in mehr als 200 FIFA-Mitgliedsländern zu sehen. Ein ähnliches Interesse verzeichnete die Eliteliga in den vergangenen Jahren nur beim Schlager FC Bayern gegen Borussia Dortmund.

Deutsche Bundesliga, 26. Runde

Samstag, 16. Mai:
Dortmund Schalke 4:0
Leipzig Freiburg 1:1
Augsburg Wolfsburg 1:2
Hoffenheim Hertha BSC 0:3
Düsseldorf Paderborn 0:0
Frankfurt Mönchengladbach 1:3
Sonntag, 17. Mai:
Köln Mainz 2:2
Union Berlin Bayern München 0:2
Montag, 18. Mai:
Bremen Leverkusen 1:4

Tabelle: