Jubelnde Atalanta Bergamo Spieler.
APA/AFP/Miguel Medina
Fußball

Atalanta lenkt von Bergamos Sorgen ab

Die italienische Stadt Bergamo hat im Jahr 2020 bereits für viele Schlagzeilen gesorgt. Das Coronavirus traf den 120.000-Einwohner-Ort in der Lombardei mit voller Härte, die Folgen sind nach wie vor zu spüren. Für zumindest etwas Ablenkung in ganz schwierigen Zeiten sorgt der hiesige Fußballverein Atalanta, der sich anschickt, just heuer die beste Serie-A-Platzierung aller Zeiten einzufahren sowie in der Champions League zu überraschen.

Gerade erst am Dienstag fertigte die Mannschaft von Trainer Gian Piero Gasperini zum Auftakt der 33. Runde im italienischen Oberhaus Abstiegskandidat Brescia mit 6:2 ab und schob sich zumindest vorübergehend auf Rang zwei vor. Atalanta schraubte sein Torkonto auf 93 Treffer und hat damit um 23 mehr als Serienmeister Juventus Turin mit Superstar Cristiano Ronaldo auf dem Konto. So viele Tore gelangen noch keiner Mannschaft zu diesem Zeitpunkt der Saison in der Serie A. Nur Bayern München hat in den europäischen Topligen mehr erzielt, in 34 Spielen exakt 100.

In der Champions League ist „La dea“ (die Göttin, Anm.) auch noch vertreten. Das Achtelfinal-Rückspiel erfolgte im März, dank den vier Treffern von Josip Ilicic beim 4:3 in Valencia steht man sensationell im Viertelfinale, wo Paris St. Germain wartet. Bergamo wird wohl mit jeder Menge Selbstvertrauen in das Duell gehen, hat man auch nach der Coronavirus-Pause sieben von acht Partien gewonnen.

Atalanta Bergamo deklassiert Aufsteiger Brescia 6:2

Sechs Tore gegen Brescia: Atalanta Bergamo kommt der Marke von 100 Serie-A-Toren in einer Saison mit großen Schritten näher.

Aufstieg dank Erfolgscoach Gasperini

Atalanta Bergamo hat zwar – mit einigen Pausen – schon sehr viele Jahre in der Serie A auf dem Buckel, doch wurde noch nie italienischer Meister. Rechnerisch würde sich das heuer noch ausgehen. „Daran denken wir nicht, wir wollen in die Champions League“, betonte Gasperini. Sein Trainerkollege Ivan Juric von Hellas Verona sieht das anders. „Ich bin mir sicher, dass er (Gasperini, Anm.) an den Titel denkt. Er wird seit Jahren unterschätzt, dabei stehlen wir alle seine Ideen, inklusive mir und im Ausland. Er hatte den Mut, eine andere Art von Fußball zu implementieren“, so Juric weiter. In Bergamo fühlt sich Gasperini, der für kurze Zeit auch Inter-Trainer war, offenkundig wohl, das System mit vielen Leihspielern funktioniert.

Mit riskantem Angriffsfußball samt Gegenpressing – also genau dem Gegenteil des italienischen „Catenaccio“ – hat Bergamo seit Jahren Erfolg. Ein Beispiel: Linksverteidiger Robin Gosens hat heuer bereits elf Pflichtspieltore erzielt, symbolhaft für die mutige Ausrichtung des Teams. Der Erfolg hält seit der Verpflichtung von Gasperini im Juni 2016 vom FC Genoa Einzug. In den vergangenen Saisonen belegte Bergamo die Positionen vier, sieben und drei. Ob der Formkurven der direkten Konkurrenz um die millionenschweren Clubs Inter Mailand und Lazio Rom ist der zweite Platz hinter der „Alten Dame“ aus Turin alles andere als Utopie. Auch in der Königsklasse ist noch einiges drin.

Atalanta bergamo Trainer Gian Piero Gasperini.
AP/LaPresse/Giuseppe Zanardelli
Mit dem heute 62-jährigen Trainer Gian Piero Gasperini kam der sportliche Erfolg nach Bergamo

In der ersten Saison der Champions League lief es zunächst gar nicht rund, die Schwarz-Blauen kassierten drei teilweise empfindliche Niederlagen, doch mit zwei Siegen gegen Dinamo Zagreb und Shakhtar Donetsk sowie einem Remis gegen Manchester City schaffte Atalanta hinter dem Team von Startrainer Josep Guardiola den Einzug in die K.-o.-Phase der Königsklasse. Guardiola betonte damals: „Gegen Atalanta zu spielen ist wie zum Zahnarzt zu gehen.“ Juventus-Coach Maurizio Sarri gab ihm unlängst nach einem schmeichelhaften 2:2 – Juve bekam dabei zwei Handelfmeter zugesprochen – recht.

Wie alle anderen Spiele in der Serie A trägt auch Atalanta seine Heimpartien vor leeren Rängen aus. „Die Fans sind nicht mit uns im Stadion, aber wir spüren sie und sie unterstützen uns“, sagte Mittelfeldspieler Ruslan Malinovskyi. Vor allem in Zeiten wie diesen gibt die Mannschaft den Anhängern auf sportlichem Wege viel zurück.

Umstrittene Reise nach Valencia

Doch Gasperini sorgte nicht nur für freudige Nachrichten: Im Zuge der Reise zum Champions-League-Achtelfinale nach Spanien war Gasperini trotz Coronavirus-Symptomen nach Spanien gereist. Vor und nach dem 10. März habe sich der Coach sehr schlecht gefühlt. „Ich hatte kein Fieber, aber ich fühlte mich zerschlagen, als hätte ich 40 Grad“, sagte Gasperini der Zeitung „Gazzetta dello Sport“. Er habe auch um sein Leben gebangt. Der Verdacht einer Infektion wurde danach bestätigt.

Spanische Behörden sprachen von einer „unverantwortlichen“ Handlung, Valencia von Leichtsinn. Der Traditionsclub berichtete einige Tage nach dem Spiel, dass „rund 35 Prozent“ der Spieler und Mitarbeiter der Mannschaft positiv auf das Coronavirus getestet worden waren. In der Lombardei gab es 16.700 Tote infolge des Coronavirus, in Italien insgesamt 35.000.

Serie A, 33. Runde

Dienstag, 14. Juli:
Atalanta Brescia 6:2
Mittwoch, 15. Juli:
Bologna Napoli 1:1
AC Milan Parma 3:1
Sampdoria Genua Cagliari 3:0
Sassuolo Juventus Turin 3:3
Udinese Lazio Rom 0:0
AS Roma Hellas Verona 2:1
Lecce Fiorentina 1:3
Donnerstag, 16. Juli:
Torino FC Genoa 3:0
SPAL Ferrara Inter Mailand 21.45 Uhr

Tabelle: