ÖEHV-Spieler
GEPA/Daniel Goetzhaber
Eishockey

Verband steckt in hausgemachtem Chaos

Der 27. Juni 2020 wird in den Chroniken des Österreichischen Eishockeyverbands (ÖEHV) einen besonderen Platz erhalten – wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne. Denn seit an diesem Samstag Klaus Hartmann im Villacher Congress Center Amtsinhaber Gernot Mittendorfer als Verbandspräsidenten ablöste, geht es im ÖEHV rund. Wahlanfechtung, Streit um Datenherausgabe und ein gekündigter Geschäftsführer – eine ordentliche Übergabe schaut anders aus. Das Chaos im Verband ist aber hausgemacht.

Mit 133:121 der abgegebenen Stimmen wurde der zwei Wochen vor der Wahl überraschend als Gegenkandidat aufgestellte Hartmann vor fast drei Wochen zum neuen ÖEHV-Präsidenten gekürt. Erstmals seit 1996 wurde der neue Chef in einer Kampfabstimmung ermittelt. Vor 24 Jahren trat Dieter Kalt sen. mit dem hauchdünnen Ergebnis von 67:66 Stimmen die Nachfolge des Langzeitpräsidenten Hans Dobida an. Danach wurde Kalt immer wieder souverän bestätigt, auch Mittendorfer wurde 2016 einstimmig als Nachfolger des Kärntners bestimmt.

Doch einige Landesverbände waren mit der Präsidentschaft derart unzufrieden, dass ein Gegenkandidat zum ehemaligen Vorstandsmitglied der Erste Bank aufgeboten wurde. Gestützt durch die Verbände von Kärnten, Wien, Vorarlberg, Salzburg und Niederösterreich trat der bisher weitgehend unbekannte Kärntner Verbandsvizepräsident Hartmann an – und wurde zwar knapp, aber doch gewählt.

Doch damit fing das Drama erst an. Denn die Revolution im Verband wurde nicht von allen einfach hingenommen. Christian Ladberg, Präsident des oberösterreichischen Verbandes, brachte einen Einspruch gegen das Ergebnis ein. Grund war ein Formalfehler beim eingebrachten Wahlvorschlag aus Niederösterreich. Statt der wie in den dortigen Statuten vorgesehenen zwei Unterschriften war dort nur die Signatur des Präsidenten zu finden. Das Schiedsgericht des Verbandes muss sich nun mit der Causa beschäftigen.

Wer ist zuständig?

Beim Thema Schiedsgericht wird die Sache besonders skurril. Denn laut Statuten des Verbandes wird das dreiköpfige Gremium, das als entscheidene Instanz in Streitfragen eingreifen soll, gleichzeitig mit dem neuen Präsidium alle vier Jahre gewählt. Die Namen der Kandidaten müssen auf dem Wahlvorschlag aufscheinen. Genauso wurde auch Ende Juni vorgegangen, das neue Schiedsgericht bestehend aus Hannes Arneitz, Peter Klumpp und Alexander Tomanek – Letztgenannter war einst selbst Profi – wurde gemeinsam mit dem neuen Präsidium gewählt und bestätigt.

Das bedeutet: Aufgrund der Sachlage und der Statuten des Verbandes muss nun das neue Schiedsgericht über die Anfechtung entscheiden – und damit gegen die Wahl, die das Trio erst überhaupt in die Position gebracht hat. Ein Fall, der bei vergangenen Wahlen kein Problem darstellte, denn das bisherige Schiedsgericht wurde einfach gleichzeitig mit dem Präsidium bestätigt. Kein Wunder, dass sich die Antragsteller des Einspruchs vehement gegen das aus ihrer Sicht mutmaßlich befangene Schiedsgericht stemmen.

Selbst eingebrocktes Dilemma

Um eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen, versucht man es aber auf die gleiche Tour. Der Anfechtungsantrag wurde beim alten Schiedsgericht eingebracht. Die Begründung: Der Formalfehler sei schließlich vor der Wahl passiert, daher sei das neue Schiedsgericht nicht zuständig. Das neue Präsidium beruft sich jedoch auf Paragraf elf der ÖEHV-Satzung, nachdem das ordentlich gewählte Schiedsgericht zuständig ist. „Ein Übergehen dieser vereinsinternen Instanz führt zur Unzulässigkeit des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten“, heißt es in einer Aussendung von Mittwoch.

Christian Hartl, Botschafterin Maria Rotheiser-Scotti, Gernot Mittendorfer und Ferdinand Weiss
GEPA/Andreas Pranter
Ex-Präsident Mittendorfer (2. v. r.) und Ex-Geschäftsführer Christian Hartl aus besseren Zeiten bei der WM 2018

Selbst der Grund des Einspruchs birgt Stolpergefahr für die Antragsteller. Denn die fehlende Unterschrift aus Niederösterreich war bekannt, der Antrag wurde jedoch zugelassen. Die Siegesgewissheit im Mittendorfer-Lager war offenbar zu groß. Was das selbst eingebrockte Dilemma vergrößert und die Argumente des Einspruchs schwächt, ist der Umstand, dass auch bei der Wahl 2016 der Wahlvorschlag teilweise nur mit jeweils einer Unterschrift des jeweiligen Landesverbandes eingebracht wurde. Damals störte das in Ermangelung eines Gegenkandidaten nur keinen.

Aufregung um Geschäftsführer

Neo-Präsident Hartmann und seine Vizes, darunter mit der früheren Spielerin Yasmin Sarina Stepina erstmals auch eine Frau, gaben zwar das Motto „Einbinden statt Ausgrenzen“ für die kommenden vier Jahre vor, doch davon ist man aktuell weit entfernt. Nicht mehr eingebunden ist auf alle Fälle der langjährige Geschäftsführer Christian Hartl, der die Kündigung erhielt, nachdem er sich beim Einstandsbesuch von Hartmann und Co. mit Verweis auf das laufende Schiedsgerichtsverfahren und nach rechtlicher Beratung weigerte, geforderte Daten herauszurücken.

Laut einer Aussendung des neuen Präsidenten war aber die Verweigerung der Daten nicht der alleinige Grund für die Kündigung. Hartl, der aufgrund seiner langen Tätigkeit im Verband über viele internationale Kontakte verfügt, habe sich laut Neo-Führung auch bei der ordentlichen Präsidiumssitzung am 7. Juli als Einziger unkooperativ verhalten „und die Sitzung eigenmächtig und unaufgefordert verlassen“. Ob Hartl, der unmittelbar nach seinem Rauswurf seinen Urlaub antrat, gegen seine Kündigung rechtlich vorgeht, ist noch offen.

Aussendung sorgt für Unmut

Die Aussendung, in der das neue Präsidium seine Handlungsfähigkeit beschwor, sorgte jedoch an anderer Stelle für Unmut. Denn von einem in dem verschickten Dokument verkündeten Schulterschluss mit den Verbandspräsidenten Tirols und der Steiermark Rainer Partl bzw. Philipp Hofer dürfte keine Rede sein. Hofer, der auf der Liste Mittendorfer als Vizepräsident kandidierte, stieß sich an der Formulierung, die beiden Präsidenten würden sich klar vom von drei Vereinen unterstützten Wahleinspruch distanzieren.

„Ich bin mit dieser Formulierung absolut nicht einverstanden und habe sie nie frei gegeben – Partl auch nicht. Es stimmt, dass wir ein konstruktives Gespräch hatten, mehr aber nicht. Unsere Landesverbände haben die Wahl nie angefochten, und wir stehen hinter unseren Vereinen“, wird Hofer in der „Kleinen Zeitung“ zitiert. Unabhängig vom Ausgang des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens dürfte das Chaos dem österreichischen Eishockey aber noch länger erhalten bleiben – und das in einer Zeit, in der im kommenden Jahr der Kampf um den Aufstieg in die A-Gruppe und das Qualifikationsturnier für Olympia 2022 anstehen.