Anfang März wurde die NBA-Saison nach mehreren positiven Tests auf das Coronavirus wie der gesamte Sport weltweit gestoppt. Um die Saison in den von der Pandemie besonders hart getroffenen USA doch noch zu Ende zu bringen, kasernierte die Liga Anfang Juli die bereits für das Play-off qualifizierten Mannschaften und jene Teams, die noch Chancen auf die K.-o.-Runde haben, im riesigen Disney-World-Komplex bei Orlando in Florida ein. Dort bereiteten sich Pöltl und Co. unter strengen Sicherheitsvorkehrungen vor. In der Nacht auf Freitag eröffnen LA Lakers und LA Clippers bzw. die New Orleans Pelicans im Duell gegen Utah Jazz die Saison neu.
Tägliche Testungen und kein Kontakt mit Personen außerhalb der „Bubble“ oder Spielern anderer Teams außer bei Partien sind nur einige Maßnahmen, die die Spieler berücksichtigen müssen. Die Partien, von denen die ersten acht für jedes Team offiziell noch zur regulären Saison gehören, finden im großzügigen ESPN Wide World of Sports Complex – einem der vielen Parks in Disney World – ohne Zuschauer statt. Spätestens am 12. Oktober soll der neue Meister und damit ein möglicher Nachfolger der Toronto Raptors feststehen. Bereits am 1. Dezember soll die nächste Saison starten.
„Der härteste Titel“
Die ungewöhnlichen Umstände und speziell die für die Stars ungewohnte Kasernierung stellen eine besondere Herausforderung dar. Speziell für die Spieler der Teams, die es in der K.-o.-Runde weit schaffen. Superstar LeBron James, der mit dem Los Angeles Lakers zu den Titelkandidaten zählt, verlieh seiner Gefühlslage im Hinblick auf eine Kasernierung bis Mitte Oktober via Soziale Netzwerke Ausdruck. Der 35-Jährige verglich das Einrücken ins Teamcamp mit dem Beginn einer Haftstrafe. Der oftmalige All-Star und nunmehrige TV-Experte Reggie Miller fühlte mit den aktuellen Akteuren mit. Er sei schon nach drei Tagen „verrückt geworden.“
Pöltls Saison wird fortgesetzt
Nach viermonatiger Pause geht Jakob Pöltls NBA-Saison in der Nacht zum Samstag weiter. Der Vertrag des Wieners bei San Antonio ist nach der aktuellen Spielzeit jedoch zu Ende.
Laut Miller würden aber die speziellen Umstände den Titel der Saison 2019/20 umso spezieller machen. „Wer auch immer, bei all dem, was gerade in der Welt passiert, am Ende die Meisterschaft gewinnt, hat es wirklich gewollt“, spielte der frühere Dreipunkt-Spezialist auf die monatelange Abgeschiedenheit in der „Bubble“ an. Giannis Antetokounmpo, im Vorjahr wertvollster Spieler der Liga, mit den Milwaukee Bucks bereits seit Ende Februar für das Play-off qualifiziert und daher Favorit auf die Meistertrophäe, stieß ins gleiche Horn: „Es ist der härteste Titel, den man je gewinnen konnte. Denn die Umstände sind wirklich hart.“
Duell der Superstars
Auf James und Antetokounmpo und ihre Teams sind auch die Augen der meisten Experten gerichtet. Letztgenannter ist auch heuer wieder der klare Favorit für die Auszeichnung des besten Spielers der Saison. 29,6 Punkte und 13,7 Rebounds pro Partie holte der 25-jährige Grieche im Grunddurchgang. Nun muss sich aber auch der „Greek Freak“ erst wieder an die Intensität gewöhnen. „Ich fange gerade erst wieder an, in den Regular-Season-Modus zurückzukommen“, so Antetokounmpo, „ich möchte wieder in der Lage sein, den Court für 35 oder 40 Minuten rauf und runterlaufen zu können, ohne müde zu werden.“
„King James“ brachte es in der Regular Season im Schnitt auf 25,7 Punkte und 10,6 Assists – Letzteres ein Bestwert in seinem 17. Jahr in der Liga. Die Lakers lagen zum Zeitpunkt des Abbruchs auch auf dem ersten Platz der Western Conference. James’ großes Ziel ist sein vierter Titel – mit dem dritten Team. Mit den Miami Heat hatte er 2012 und 2013 die Siegestrophäe geholt, mit den Cleveland Cavaliers 2016. Ein Meisterschaftsgewinn mit drei verschiedenen Teams gelang bisher nur Robert Horry und John Salley.
LeBron James über NBA-Neustart
Nach 20 Wochen Pause setzt die NBA nun ihre Saison fort, die Spieler sind auf dem Disney-World-Gelände in Orlando kaserniert. Superstar LeBron James sorgte im letzten Test der Los Angeles Lakers gegen die Washington Wizards für das Highlight.
Laut James hat die lange Pause die teaminterne Chemie nicht zerstört. „Es ist, als ob wir nie getrennt waren. Wir haben gleich da weitergemacht, wo wir aufgehört haben“, sagte der Superstar. Für die Lakers hätte ein Erfolg heuer auch deshalb besondere Bedeutung, weil Kobe Bryant, das langjährige Aushängeschild des Teams, im Jänner bei einem Flugzeugabsturz gestorben war. Herausforderer sind die Clippers, Denver Nuggets und Houston Rockets sowie im Osten die Toronto Raptors und die Boston Celtics.
San Antonio unter Zugzwang
An Meisterpokale denkt man bei den San Antonio Spurs vorerst noch nicht. Für Pöltl und Co. geht es zuerst einmal darum, es überhaupt ins Play-off zu schaffen. San Antonio benötigt ein mittleres sportliches Wunder, um einen der zwei offenen Plätze in der Western Conference zu ergattern. In der Nacht von Freitag auf Samstag (2.00 Uhr MESZ) wartet gegen die Sacramento Kings bereits ein vorentscheidendes Spiel. Schaffen es die Spurs nicht, geht eine stolze Serie zu Ende. Denn seit 1998 war San Antonio 22 Saisonen in Folge immer in der K.-o.-Runde mit dabei.
Der Kampf um den achten und letzten Play-off-Platz geht aufgrund der aktuellen Umstände auch in leicht veränderter Form über die Bühne. Hat die Nummer acht einer Conference auf das neuntbeste Team nach den acht „Setzungsspielen“ nur vier Siege oder weniger Vorsprung, wird der letzte Play-off-Platz in einer Art „Best of three“-Modus ausgespielt. Das achtbeste Team geht allerdings mit dem Stand von 1:0 in die Serie, benötigt also nur noch einen Sieg. Das neuntbeste Team muss hingegen zwei direkte Duelle gewinnen, um es doch noch in die Postseason zu schaffen.
Tragende Rolle für Pöltl?
Diese Konstellation macht auch Pöltl Hoffnung. „Wir sind nicht so weit weg vom neunten Platz“, sagte der Center mit Blick auf die Tabelle, „es wird eine Challenge, aber dafür sind wir hier.“ Der Wiener will jedenfalls seinen Teil dazu beitragen, dass die Serie weitergeht. Dem Wiener, der bisher nie zum Stammpersonal von Trainerlegende Gregg Popovich gehörte, könnte in den „Bubble-Games“ eine größere Rolle zukommen. Mit LaMarcus Aldridge und Trey Lyles sind die weiteren Center im Team verletzt. Pöltl empfahl sich in Abwesenheit des Duos bereits in den Testspielen, etwa mit einem Double-Double gegen die Brooklyn Nets für die Starting Five.
Für Österreichs NBA-Pionier bietet der Neustart die Chance zu Eigenwerbung. Denn der Vertrag des Wieners läuft aus, Pöltl kann nach aktuellem Stand ab 18. Oktober Gespräche mit allen Teams führen. Mit der „Free Agency“ beschäftigt sich der 24-Jährige aber nicht – noch nicht. „Mein Fokus liegt auf der Saison und dass wir den Rest der Zeit hier in Disney World so erfolgreich wie möglich beenden können. Das wird hoffentlich einen positiven Einfluss auf meine NBA-Zukunft haben“, sagte Pöltl im ORF-Interview.