O’Sullivan während eines Snooker-Turniers
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Snooker

Stars fühlen sich bei WM wie „Laborratten“

Mit knapp dreieinhalb Monaten Verspätung geht seit Freitag im Crucible-Theater in Sheffield die Snooker-WM über die Bühne. Sportlich dreht sich alles um Judd Trump, der seinen Titel erfolgreich verteidigen will und zum Auftakt einen 10:8-Sieg gegen Tom Ford feierte. Hinter den Kulissen gibt es aber Ärger, weil trotz Vorbehalten vieler Stars wieder Zuschauer dabei sein dürfen. Ronnie O’Sullivan fühlt sich sogar an die Behandlung von „Laborratten“ erinnert.

Ursprünglich hätte die WM vom 18. April bis zum 4. Mai stattfinden sollen, aufgrund der Coronavirus-Krise wurde sie aber verschoben. Nun findet die WM, die bis Mitte August dauert, als eines der ersten Sportevents seit Beginn der Pandemie wieder vor Zuschauern statt. Sie gilt als Pilotprojekt für größere Sportereignisse wie die Formel 1 oder den Fußballbetrieb in der englischen Premier League.

„Irgendwo muss man ja anfangen“, ätzte der fünffache Weltmeister O’Sullivan, „dann fängt man eben mit den Snooker-Spielern an“. Rund 300 Zuschauer sind im Crucible-Theater von Sheffield dabei. Dass die WM nun als erstes Indoor-Sportereignis in Großbritannien vor Publikum stattfindet, sei „ein fantastischer Triumph“, sagten die Macher. Doch einige Spieler sehen das anders.

Judd Trump während eines Snooker-Turniers
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Titelverteidiger Judd Trump feierte zum Auftakt einen knappen Erfolg gegen Tom Ford

Unterhaltung auf Kosten der Gesundheit

Anthony Hamilton, der sich zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder für die Endrunde qualifiziert hat, ist sogar richtig sauer. „Wenn nur ein Mensch im Crucible krank wird und dann stirbt – dann ist es ein Mensch, der ohne jeglichen Grund gestorben ist, nur für die Unterhaltung“, schimpfte Hamilton. Als Asthmatiker gehöre er selbst zur Risikogruppe, sagte der 49-Jährige. „Ich finde das lächerlich.“

Rückendeckung bekam er von O’Sullivan. „Einen Anthony Hamilton kostet die Versicherung weniger als einen Lewis Hamilton“, sagte „The Rocket“ sarkastisch. Vorher hatte sich O’Sullivan schon beim Sender BBC gegen Zuschauer ausgesprochen. „Im Moment reicht es aus, dass Sport im Fernsehen gezeigt wird“, sagte er. Der Weltverband verwies hingegen auf die Regierungsvorgaben und hohe Sicherheitsvorkehrungen.

O’Sullivan behält sich Rückzug vor

„Ich glaube nicht, dass es das Risiko wert ist“, legte O’Sullivan nun nach. „Vielleicht hätte ich bei 5.000 Fans einsehen können, dass sonst zu viele Einnahmen verloren gehen, aber bei 200 Fans – lohnt sich das echt?“ Der 44-Jährige ließ für sich offen, aus dem Turnier auszusteigen, falls er sich vor Ort unbehaglich fühle.

O’Sullivan, der den Titel zuletzt 2013 gewann, steigt am Sonntag gegen den Thailänder Thepchaiya Un-Nooh ins Turnier ein. Als Sechster der Weltrangliste könnte er nicht vor dem Endspiel auf die Nummer eins Trump treffen. Der Engländer hatte im Vorjahr nach einer brillanten Leistung gegen den viermaligen Weltmeister John Higgins erstmals eine WM gewonnen. Sollte der 30-Jährige seinen Titel im Crucible verteidigen, wäre das eine Premiere. Noch keinem Snooker-Profi gelang dieses Kunststück auf Anhieb.

Die Coronavirus-Krise könnte dabei womöglich auch sportliche Auswirkungen haben, weil die gesetzten Snooker-Stars durch die WM-Verschiebung zuletzt keine Spielpraxis hatten. Sheffield wird also auch in diesem Punkt zur echten Standortbestimmung. Österreich ist nicht mehr vertreten. Der Steirer Florian Nüßle scheiterte in der ersten Qualifikationsrunde für das Hauptturnier.