Trophäe der UEFA Champions League im Finalstadion in Lissabon
AP/Manu Fernandez
Europacup

Finalturniere als Modell für Zukunft

Die aufgrund der Coronavirus-Krise organisierten Notfallturniere im Europacup ohne Hin- und Rückspiele könnten zum Vorbild für eine Reform werden. Der Präsident des Europäischen Fußballverbands (UEFA), Aleksander Ceferin, kann sich vorstellen, dass die Champions League und die Europa League auch in Zukunft mit einem Final-Eight-Turnier an einem Ort beendet werden könnten.

„Wir waren gezwungen, es so zu machen, aber am Ende sehen wir, dass wir etwas Neues herausgefunden haben. Wir werden also sicher in Zukunft darüber nachdenken“, sagte Ceferin in einem Reuters-Interview. Nach vorheriger Skepsis zeigt sich UEFA-Präsident offen für weitreichende Änderungen an den internationalen Wettbewerben. Das System mit einem Duell pro Begegnung erscheine „interessanter“, sagte der 52-jährige Slowene.

Wegen der Coronavirus-Pandemie war der Europacup monatelang unterbrochen worden, die Champions League wurde mit einem Finalturnier ab dem Viertelfinale in Lissabon beendet, die Europa League in Nordrhein-Westfalen. Gespielt wurde ab dem Viertelfinale im K.-o.-Modus , also ohne Hin- und Rückspiel. Das wirkte sich durchaus positiv auf den Offensivfußball aus, Ceferin sah „spannendere“ Spiele. „Es gab nicht so viel Taktik. Wenn nur ein Spiel ist und eine Mannschaft ein Tor erzielt, muss auch die andere so schnell wie möglich ein Tor erzielen.“

UEFA Präsident Aleksander Ceferin
Reuters/Rafael Marchante
Nach vorheriger Skepsis zeigt sich UEFA-Präsident Ceferin von den Finalturnieren positiv überrascht

Weniger Spiele bedeutet weniger Zuschauer

Allerdings müsse man aber auch sehen, dass so weniger Spiele stattfinden würden. Für die Clubs bedeutet das weniger Einnahmen und Vermarktungsmöglichkeiten. „Also müssen wir darüber diskutieren, wenn diese verrückte Situation endet.“ In Lissabon waren keine Zuschauer zugelassen. Bei einem künftigen Finalturnier mit acht Clubs in einer Stadt könnten aufgrund der vielen Fans Sicherheits- und Logistikprobleme entstehen.

Das aktuelle Turnier ging über elf Tage, dafür im überlasteten internationalen Kalender Platz zu finden, dürfte ein weiteres Hindernis ein. „Es ist sicher ein sehr interessantes Format. So wie der Kalender derzeit aussieht, bezweifle ich, dass wir ein Final-Eight-Turnier machen können. Aber ein Format mit einem Match und einem System wie jetzt, ich denke, das wäre spannender als das Format vorher“, sagte Ceferin. Noch habe es aber keine Diskussionen gegeben, noch sei es eine Idee. Der bisher bekannte Modus sei zudem vom UEFA-Exekutivkomitee bis 2024 weitgehend festgeschrieben.

Clubs grundsätzlich nicht abgeneigt

Bayern-Vorstand Oliver Kahn sagte zuletzt, dass das Format aus seiner Sicht einen „Reiz“ habe: „Ein Spiel – und danach hast du eine Entscheidung“, sagte der Ex-Nationaltorwart, wollte sich aber nicht festlegen, ob er das „wirklich besser“ findet. Der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte bereits vor dem Start vermutet, dass der Modus „wie eine Bombe einschlagen“ werde. Es brauche „kluge Entscheidungen“ bei einer Reform, damit „der Hunger auf die Champions League größer“ werde, forderte der international gut vernetzte Funktionär.

Oliver Mintzlaff von Halbfinal-Teilnehmer RB Leipzig hatte den geänderten Modus zwiespältig bewertet. „Ich finde das Format auch super. Es hat auch noch mal einen anderen Charakter“, sagte der Vorstandschef der Sachsen. „Aber es vergessen die einen oder anderen, wenn du Hin- und Rückspiel hast, hast du zwei Spiele, die im TV übertragen werden, und dann hast du andere TV-Einnahmen.“

Lionel Messi (Barcelona) und David Alaba (Bayern)
Reuters/Rafael Marchante
Die CL-Spiele beim Finalturnier in Lissabon boten beste Unterhaltung

Final-Four-Format mit besseren Chancen

UEFA-Chef Ceferin berichtete, dass ihm viele „Freunde aus dem Fußball“ geschrieben hätten und „extrem begeistert“ von den Alles-oder-nichts-Duellen seien. Das Argument, dass die Einnahmen möglicherweise sinken könnten, versuchte der Slowene zudem zu entkräften. „Auch wenn es weniger Spiele sind, wäre ihr Wert höher, wenn sie richtig vermarktet werden.“

Bei einer Änderung des grundlegenden Europapokal-Ablaufs müsste diskutiert werden, ab welcher Runde ein mögliches Finalturnier starten könnte. Acht Teams an einem Ort könnten aufgrund des zu erwarteten Fanansturms – bei einer Rückkehr von Zuschauern nach der Coronavirus-Pandemie – schwer zu bewältigen sein. So wäre ein Final-Four-Format ab dem Halbfinale möglicherweise praktikabler. „Man wäre für eine Woche im Zentrum der Aufmerksamkeit der ganzen Welt, und das wäre fantastisch, aber wir müssen sehen“, sagte Ceferin. „Ich denke, es ist ein interessantes Format, über das wir vorher noch nicht nachgedacht haben, und jetzt ist es in unseren Köpfen. Ich denke, im September oder Oktober müssen wir anfangen, ernsthaft zu sprechen.“