Zum neunten Mal im 13. Saisonrennen stand Hamilton nach dem Comeback der Königsklasse ins Autodromo Enzo e Dino Ferrari von Imola auf der obersten Stufe des Podests. Sein finnischer Teamkollege Valtteri Bottas wurde Zweiter vor Renault-Pilot Daniel Ricciardo aus Australien, und damit hatte man den neuerlichen WM-Triumph bei den Konstrukteuren für Mercedes in der Tasche. „Im Moment ist es überwältigend“, sagte Hamilton, der sich bereits via Boxenfunk bei seinem Team bedankt hatte: „Ich bin so stolz auf euch.“
Hamilton rief einmal mehr ins Gedächtnis, dass der Erfolg hart erarbeitet sei. „Leute, die daheim zuschauen, denken vielleicht, das ist alles normal für uns, aber so etwas immer wieder zu schaffen, ist unglaublich“, sagte der 35-Jährige. Auch Teamchef Toto Wolff war der Stolz über die neue Bestmarke – bisher war Mercedes gleichauf mit Ferrari gelegen – trotz Mund-Nasen-Schutz ins Gesicht geschrieben. „Das ist etwas, worauf man stolz sein kann. Wir haben eine Gruppe, die einfach toll zusammenarbeitet“, sagte der Wiener.
Mercedes hat auch bereits den Fahrertitel sicher. Denn nach Max Verstappens Aus in Imola kann nur noch Bottas Hamilton einholen. Der Engländer könnte bereits in zwei Wochen in Istanbul als neuer Weltmeister feststehen. Hamilton geht nach dem Sieg in Imola mit 85 Punkten Vorsprung in den aufgrund der Coronavirus-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Saison in den Kalender gerutschten Grand Prix der Türkei. Hamilton muss nach dem Rennen am Bosporus um 78 Punkte mehr als sein Stallgefährte haben, um erneut als Weltmeister festzustehen. Der Rekord von sieben Titeln von Michael Schumacher wäre vorzeitig eingestellt.
Hamilton heizt Spekulationen an
Der neuerliche Gewinn des Fahrertitels, es wäre der sechste gemeinsame von Mercedes und Hamilton, würde laut Teamchef Wolff wohl auch die Verhandlungen über eine Verlängerung des Vertrags des Briten, der seit 2013 in einem „Silberpfeil“ sitzt, beschleunigen. Denn der Kontrakt des 35-Jährigen läuft Ende des Jahres aus. Wolff rechnet aber mit einer Einigung auf eine weitere Zusammenarbeit, sobald das Titelrennen endgültig entschieden ist. „Es fühlte sich für uns beide bisher nicht wie der richtige Moment an, bevor diese Titel erledigt sind“, so der Wiener.
Hamilton wollte sich hingegen nicht unter Druck setzen, sondern heizte sogar Spekulationen über einen Abschied, nicht nur von Mercedes, sondern auch von der Formel 1 an. „Es gibt vieles, was mich am Leben danach reizt. Die Zeit wird es zeigen“, sagte der 35-Jährige. Gänzlich ausschließen wollte auch sein Noch-Teamchef einen plötzlichen Abschied Hamiltons nicht. „Nichts ist sicher im Leben, solange es keine Unterschrift gibt“, sagte der 48-Jährige. „Ich glaube und hoffe nicht, dass das passiert“, fügte Wolff hinzu, wohl wissend, dass Hamilton erst mit acht WM-Titeln alleiniger Rekordhalter wäre.
Sieg mit bitterem Nachgeschmack
Der erste Erfolg in Imola hatte für Hamilton aber auch einen bitteren Nachgeschmack in Form eines ungewöhnlichen Gefäßes für den obligaten Genuss des Siegersekts. Denn Hamilton ließ sich vom drittplatzierten Ricciardo zu einem „Shoey“ – einem Schluck aus dem Schuhwerk – nötigen. Der Engländer benutzte dazu aber nicht seinen eigenen, sondern stieß mit dem zweiten Rennstiefel seines australischen Kollegen an.
„Es hat auf gar keinen Fall gut geschmeckt“, sagte Hamilton nach der in Pandemie-Zeiten fragwürdigen Aktion der beiden Rennfahrer auf dem Siegerpodium, „ich mag schon Champagner nicht wirklich, und so schmeckt er auf alle Fälle noch schlechter“. Er habe die unangenehme Herausforderung vor allem für Ricciardos Mutter angenommen so Hamilton: „Sie hält mich für einen guten Sportsmann. Dafür bin ich ihr dankbar“, so der 93-fache Rennsieger.