Nach 2:26 Stunden verwertete Thiem seinen insgesamt fünften Matchball in einer hochklassigen Partie zu seinem zweiten Sieg im Turnier. Davor hatte der Niederösterreicher den Griechen Stefanos Tsitsipas in drei Sätzen in die Schranken verwiesen. Thiem stieß damit die Tür zum Semifinale weit auf. Tsitsipas half Österreichs Nummer eins am Abend beim Durchgehen. Der Grieche setzte sich gegen den Russen Andrej Rublew 6:1 4:6 7:6 (8/6) durch und sorgte dafür, dass Thiem nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze zu verdrängen ist.
„Das war ein großartiges Spiel vom ersten bis zum letzten Punkt. Den ersten Satz habe ich ein bisschen glücklich gewonnen, ich war schließlich 2/5 zurück. Gegen Rafa ist es immer wieder wichtig, den ersten Satz zu gewinnen. Ich musste aber voll fokussiert bleiben. Alle Schläge waren auf hohem Niveau. Mit meinem Service war ich besonders zufrieden, das hat mir in schwierigen Situationen geholfen. Darüber bin ich sehr froh“, sagte Thiem.
Thiem schlägt Nadal
Dominic Thiem hat den 20-fachen Major-Sieger Rafael Nadal bei den ATP-Finals in London zum zweiten Mal in Folge besiegt. Der Niederösterreicher gewann in zwei Sätzen.
Der Niederösterreicher, der Nadal heuer bereits im Viertelfinale der Australian Open besiegt hatte und damit auch das zweite Duell mit dem Weltranglistenzweiten in diesem Jahr gewinnen konnte, trauerte nur dem aufgrund der Coronavirus-Situation fehlendem Publikum nach: „Wenn wir Zuschauer gehabt hätten, wäre es eine fantastische Atmosphäre gewesen. Ich hoffe, dass die Fans das Spiel zu Hause genossen und ein wenig die harten Zeiten vergessen haben“, so Thiem. Funfact: Inklusive der Partie in Melbourne, die der Niederösterreicher 7:6 (7/3) 7:6 (7/4) 4:6 7:6 (8/6) für sich entschieden hatte, gewann Thiem nun fünf Tiebreaks gegen Nadal in Folge.
Deja-vu im Tiebreak
Dass das Duell mit Nadal nicht nur auf dem Papier das Spitzenspiel der Gruppe „London 2020“ sein würde, war vom ersten Ballwechsel an klar. Der spanische French-Open-Sieger und der US-Open-Champion aus Österreich lieferten sich den erwartet hochklassigen Schlagabtausch. Aufgrund der grassierenden Pandemie kamen aber nur Schiedsrichter, Betreuer und Ballkinder in der ansonsten menschenleeren O2 Arena in den Livegenuss der Partie. Vor allem bei eigenem Service agierten beide bärenstark, konsequenterweise gab es weder hüben noch drüben keine einzige Breakchance im ersten Satz.
Die Entscheidung im ersten Satz musste daher im Tiebreak fallen. Für Thiem war es ein Deja-vu zum ersten Match gegen den Griechen Tsitsipas. Auch der Verlauf ähnelte jenem gegen den griechischen Titelverteidiger. Denn Thiem leistete sich wie gegen Tsitsipas den ersten Konzentrationsfehler und lag plötzlich mit 2:5 zurück. Doch Österreichs Nummer eins bewies wieder Moral und kämpfte sich auf 5:5 zurück.
Mit einem Mal war bei beiden Spielern beim Service Sand im Getriebe. Thiem ermöglichte dem Spanier mit einem Doppelfehler gar einen Satzball. Doch diesen und einen weiteren beim Stand von 6/7 aus seiner Sicht wehrte der Niederösterreicher ab. Die vergebenen Chancen sollten sich aus Nadals Sicht rächen. Denn Thiem drehte den Spieß nun endgültig um, holte sich bei eigenem Service einen Satzball und verwertete diesen zum 9/7 im Tiebreak. 1:12 Stunden hatte der erste Satz gedauert.
Nadal nur kurz im Vorteil
Gegen Tsitsipas hatte Thiem den zweiten Durchgang höchst unkonzentriert begonnen, und auch gegen Nadal sah es so aus, als hätte der 27-Jährige seinen Fokus nach dem ersten Satz auf seinem Sitzplatz vergessen. Denn Nadal erspielte sich beim ersten Aufschlagspiel des US-Open-Gewinners den ersten Breakball im gesamten Spiel. Thiem wehrte die Chance jedoch erfolgreich ab. Wenig später war es abermals Nadal, der sich die Gelegenheit zum Break erspielte. Die neuerliche Chance ließ sich der Spanier nicht mehr entgehen. Einen sehenswerten Cross-Schlag des Österreichers konterte Nadal mit einem perfekten Return zum ersten Break.
Im Vorteil war der Spanier aber nur kurz. Denn postwendend erspielte sich Thiem, der bisher vor allem an der Vorhand Nadals verzweifelt war, zwei Breakbälle. Den ersten konnte Nadal zwar noch abwehren, doch bei der zweiten Chance nahm Thiem volles Risiko und glich wieder aus. Je länger die Partie dauerte, umso bedauerlicher wurde es, dass die Coronavirus-Pandemie den Zuschauern den Zutritt zur Halle verwehrt hatte.
Fünfter Matchball sitzt
Und wäre die Partie nicht schon spektakulär genug gewesen, legten beide Spieler noch eines drauf. Denn der Verlust des eigenen Aufschlagspiels schien Nadal aus dem Konzept zu bringen. Nachdem Thiem sein Service sicher durchgebracht hatte, sah sich sein spanischer Kontrahent kurz darauf bei eigenem Aufschlag gleich drei Matchbällen gegenüber. Doch der Mallorquiner besann sich seiner Klasse, wehrte nicht nur alle drei Matchbälle ab, sondern glich auch aus – unter anderem unter Einsatz eines „Tweeners“, einem Return durch die eigenen Beine.
Erneut musste die Partie ins Tiebreak, und erneut hatte Thiem das bessere Ende für sich. Beim Stand von 3:3 gelang dem 27-Jährigen das so wichtige „Mini-Break“, kurz darauf erspielte er sich erneut drei Matchbälle. Nadal wehrte neuerlich den ersten ab, doch ein furioses Comeback wie zuvor gelang dem Spanier nicht mehr. Der 34-Jährige pfefferte einen Return knapp ins Aus, und Thiem durfte im 15. Duell mit Nadal über seinen sechsten Sieg jubeln.
ATP World Tour Finals in London
(Großbritannien, 5,7 Mio. Dollar, Halle, Hartplatz)