Dominic Thiem
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ATP-Finals

Thiem verpasst Triumph in London

Dominic Thiem hat sich am Sonntag neuerlich im Endspiel der ATP-Finals geschlagen geben müssen. Der 27-jährige Niederösterreicher unterlag in der Londoner O2-Arena dem Russen Daniil Medwedew nach 2:43 Stunden mit 6:4 6:7 (2/7) 4:6 und verpasste damit den zweitgrößten Erfolg seiner Karriere nach dem Gewinn der US Open im selben Jahr.

Der Weltranglistendritte, der sich vor einem Jahr im Finale in London dem Griechen Stefanos Tsitsipas geschlagen geben musste, gab dabei eine Satzführung aus der Hand, die er sich durch ein Break nach 49 Minuten sicherte. Doch trotz dreier Break-Chancen und einer 2:0-Führung im Tiebreak ging der zweite Durchgang an Medwedew.

Die 24-jährige Nummer vier der Welt kam zurück und präsentierte sich letztlich konsequenter. Das führte zum hart erkämpften Break zum 3:2. Diese Führung gab Medwedew nicht mehr aus Hand, verwertete seinen ersten Matchball und feierte mit dem neunten ATP-Titel seinen größten Karriereerfolg. Im letzten Endspiel der ATP-Finals in London, ab 2021 findet das Turnier in Turin statt, schloss sich ein Kreis, denn auch die erste Ausgabe 2009 holte ein Russe: Nikolai Dawydenko.

Daniil Medvedev
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Der Russe Daniil Medwedew feierte in London den größten Erfolg in seiner Karriere

Thiem muss hier hingegen weiter auf seinen ersten Triumph warten, nahm die knappe Niederlage aber mit Fassung. „Ich bin enttäuscht, aber zugleich auch stolz auf die Leistung in der gesamten Woche“, sagte Thiem auf dem Platz. „Daniil hat sich diesen Triumph verdient, es war ein herausragender Monat für ihn, auch mit dem Titel in Paris-Bercy“, so Österreichs frischgebackener Sportler des Jahres, der trotz der Niederlage auf ein „unglaubliches Jahr“ zurückblicken kann.

„Was für ein Match, es war einer meiner schönsten Siege“, freute sich unterdessen Medwedew, der noch vor der Siegerehrung auf der Spielerbank mit dem Handy Nachrichten schrieb, aber auch später vor dem Mikrofon seinen Vorgänger Dawydenko würdigte. „Vielen Dank an Nikolai, der eine Inspiration für mich und viele andere Kinder war“, sagte Medwedew, der 1.500 ATP-Punkte und 1,56 Millionen Dollar erhielt.

Thiem und Medwedew trafen in der leeren Londoner O2-Arena zum fünften Mal in ihrer Karriere aufeinander. Zuletzt gab es das Duell in New York, als sich Thiem im Semifinale der US Open in drei Sätzen durchsetzen konnte und im Head-to-Head auf 3:1 stellte. Doch wie schon in Flushing Meadows, als Thiem die Durchgänge zwei und drei erst im Tiebreak gewann, entwickelte sich ein enges Spiel, zumal Medwedew eine Siegesserie von neun Spielen vorweisen konnte.

Thiem holt ersten Satz

Das zeigte sich auch im ersten Aufschlagspiel von Thiem, das nicht weniger als zehn Minuten dauerte. Der Lichtenwörther wehrte dabei zwei Breakbälle des Gegners ab, um auf 1:1 zu stellen. Thiem musste zwar speziell in den ersten Games vermehrt reagieren, blieb aber geduldig und variantenreich. Das machte sich bezahlt, als Thiem sogar ein 0:40 aufholte und Medwedew den Aufschlag abnahm. Er profitierte dabei auch von einem misslungenen Smash und einem Doppelfehler.

Thiem unterliegt Medwedew

So wie Jürgen Melzer im Doppel musste sich auch Dominic Thiem im Finale der ATP-Finals in London geschlagen geben.

Nachdem Medwedews Schläger mit dem Boden Bekanntschaft machte, konnte Thiem das Break bestätigen – allerdings mit Mühe. Zwischendurch gelangen ihm aber auch immer wieder Schläge auf Weltklasseniveau. Medwedew blieb zwar dran, aber Thiem brachte auch seine beiden nächsten Aufschlagspiele durch, einmal souverän und einmal mit Glück: Denn den ersten Satzball verwertete der Österreicher letztlich mit einem Netzroller nach 49 Minuten. Thiem entschuldigte sich, Medwedew nahm es mit einem Lächeln hin.

Dominic Thiem
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Thiem gewann den ersten Satz nach 49 Minuten, musste sich am Ende aber geschlagen geben

Ein intensives Duell mit vielen langen Rallys fand auch im zweiten Satz seine Fortsetzung. Alles blieb dabei in der Reihe, wiederum bot sich im fünften Game eine Breakchance für Thiem, nun hatte Medwedew den längeren Atem. Thiem selbst brachte seinen Aufschlag souverän durch und konnte Medwedew in ein langes Spiel verwickeln, doch nutzte er zwei Break-Chancen nicht und ärgerte sich daraufhin auch lautstark.

Vergebene Chancen rächen sich

Die vergebenen Chancen sollten sich rächen, denn auch wenn Thiem selbst einen Breakball abwehren konnte, blieb Medwedew hartnäckig und schlug letztlich im Tiebreak zu. In diesem führte Thiem bereits mit 2:0, doch dieses Mal konnte er seine Klasse im Tiebreak nicht unter Beweis stellen, ganz im Gegenteil – er verlor ihn am Ende mit 2:7.

Auch der Start in den dritten Durchgang gestaltete sich für Thiem schwierig, doch er schaffte es über Einstand, in Führung zu gehen. Es ging aber schleppend weiter, trotz dreier Chancen Medwedews auf ein Break holte sich Thiem auch noch das Game zum 2:1. Aber Medwedew, der sich mit Verlauf dieser Partie besser auf das Thiem-Spiel mit vielen Slices eingestellt hatte, blieb am Drücker, holte sich das Break und damit das vorentscheidende Spiel zum 3:2. „Was soll ich für Punkte spielen?“, fragte Thiem und wirkte in dieser Phase ratlos, nachdem Medwedew auch immer wieder Antworten parat hatte.

Dominic Thiem
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Trotz hochklassiger Leistung reichte es für Thiem wieder nur zum zweiten Platz

Medwedew feierte letztlich seinen zehnten Sieg in Serie und nahm den größten Karriereerfolg mit einer kurz geballten Faust trocken zur Kenntnis. Thiem blieb im letzten Spiel 2020 ein Happy End in Form eines 18. ATP-Titels versagt. „Du hast aber schon jetzt deinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher“, sagte Medwedew angesichts des US-Open-Triumphs von Thiem, dessen ersten Major-Titel. Thiem nimmt zudem 800 ATP-Zähler und 861.000 US-Dollar aus London mit.

ATP World Tour Finals in London

(Großbritannien, 5,7 Mio. Dollar, Halle, Hartplatz)

Finale:
Daniil Medwedew (RUS/4) Dominic Thiem (AUT/3) 4:6 7:6 (7/2) 6:4
Semifinale:
Dominic Thiem (AUT/3) Novak Djokovic (SRB/1) 7:5 6:7 (10/12) 7:6 (7/5)
Daniil Medwedew (RUS/4) Rafael Nadal (ESP/2) 3:6 7:6 (7/4) 6:3