Peter Wright
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Darts-WM

Kampf um Titel offen wie selten

Die Darts-Welt schaut wieder auf den Alexandra Palace im Norden Londons. Nach langem, coronavirusbedingtem Zögern, verkündete die Professional Darts Corporation (PDC) erst Ende November Ort und Datum der Weltmeisterschaft. Die Fans atmeten auf, auch wenn im letzten Moment die Zulassung von Zuschauern wieder zurückgenommen wurde. Denn die WM 2021 verspricht eine der spannendsten seit der Einführung 1994 zu werden.

96 Teilnehmer, darunter wie im Vorjahr zwei Frauen, aus 29 Ländern kämpfen seit Dienstag bis 3. Jänner bei der mit 2,8 Millionen Euro dotierten Veranstaltung nicht nur um das Siegerpreisgeld von 550.000 Euro, sondern auch um die 23 Kilogramm schwere „Sid Wadell“-Trophy. Für Titelverteidiger Peter „Snakebite“ Wright, der am Dienstagabend in seinem Auftaktmatch den Engländer Steve West mit 3:1 besiegte, geht es außerdem darum, den seit 2014 in der Weltrangliste führenden Niederländer Michael van Gerwen vom Thron zu werfen.

Österreichs einziger WM-Teilnehmer ist Mensur Suljovic, der nach einem Freilos zum Auftakt erst am 23. Dezember (vierte Partie nach 13.00 Uhr MEZ) in der zweiten Runde in die WM einsteigt. Der 48-jährige Wiener ist zuletzt – auch durch die Umstände der Pandemie – auf Platz 20 in der Weltrangliste abgerutscht.

Suljovic spielt für „ganz Österreich“

Suljovic arbeitete heuer nach einer durchwachsenen Saison mit einem Mentaltrainer zusammen. „The Gentle“ hatte durchaus Erfolg auf kleineren Bühnen, bei großen TV-Turnieren agierte er teils unglücklich. „Ich setze mich bei diesem Turnier zu sehr unter Druck“, so der Wiener zu dem Darts-Portal Dartn.de. „Ich möchte nicht nur für mich gut spielen, sondern für meine Familie, meine Freunde und überhaupt ganz Österreich“, fasste er sein Hauptproblem bei der WM, neben dem unüblichen Satzmodus, treffend zusammen. Noch nie konnte er das Viertelfinale erreichen.

Fallon Sherrock und Mensur Suljovic
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Letztes Jahr musste sich Österreichs Darts-Ass Mensur Suljovic (im Hintergrund) Fallon Sherrock geschlagen geben

Während bei den meisten Turnieren des Jahres auf eine bestimmte Anzahl an gewonnenen Legs gespielt wird, wird bei der WM zu Beginn auf kurze Sätze mit maximal fünf Legs gespielt. Ein System, das auch Außenseitern eine Chance lässt. Heuer spielt der Wiener mit serbischen Wurzeln zum Auftakt gegen den Sieger der Partie Maik Kuivenhoven (NED) gegen Matthew Edgar (ENG).

„Das erste Match ist immer schwer, es gibt keine einfachen Spiele. Ich muss also voll da sein und mein Bestes geben“, weiß Suljovic. Letztes Jahr ist dieser Plan danebengegangen. Unter der frenetischen Anfeuerung des Publikums für seine Gegnerin verlor Suljovic sein Auftaktspiel in der zweiten Runde gegen die Engländerin Fallon Sherrock, die zuvor als erste Frau bei der WM einen Mann besiegen konnte und damit Darts-Geschichte geschrieben hatte.

Frauen mischen wieder mit

Heuer ist die „Queen of the Palace“ nicht dabei. Denkbar knapp, um das um zwei Legs schlechtere Legverhältnis, musste sich Sherrock ihren Konkurrentinnen Lisa Ashton und Deta Hedman geschlagen geben. Während Lisa Ashton aufgrund ihrer Spielstärke und ihrem Engagement auf der Männer-Profitour heuer durchaus Siege zuzutrauen sind, ist die WM für Hedman trotz ihrer 61 Jahre Neuland.

Deta Hedman
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Frauen-Darts-Legende Deta Hedman könnte diesmal neben Lisa Ashton zur „Queen of the Palace“ werden

Hedman wurde auf Jamaika geboren und hat im Frauen-Amateur-Darts-Sport so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Nur bei einer PDC-WM war sie noch nie dabei. Hedman, die neben ihren langen Nachtschichten bei der britischen Post immer noch Zeit für Darts auf Spitzenniveau findet, gilt als Ikone des Frauen-Darts-Sports und wurde von der BBC heuer in die Liste 100 wichtigsten Frauen des Jahres aufgenommen.

Darts als Vorbild

Was Gleichberechtigung angeht, sieht Sherrock ihren Sport als vorbildlich an. „Meiner Meinung nach werden wir genauso behandelt wie Männer, und ich würde das nicht anders wollen. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir alle auf Augenhöhe sind, wenn ich an Events teilgenommen habe“, sagte die 26-Jährige der dpa.

Die PDC hat heuer erstmals eine Turnierserie für Frauen veranstaltet. Auch wenn das Preisgeld deutlich niedriger als bei den Männern ist, können sich Frauen für die gut dotierte Profitour der Männer qualifizieren.

Für das kommende Jahr stehe der Sport in Pandemiezeiten nicht an erster Stelle für Sherrock. „Meine größte Hoffnung ist, dass die Welt zur Normalität zurückkehren kann, damit auch mein Sohn Rory in die Schule gehen kann. Wenn das erreicht ist, bin ich vielleicht bereit, mich wieder auf meine Darts-Karriere zu fokussieren“, sagte die 26-Jährige, die von der PDC zum Aushängeschild des Frauen-Darts-Sport erkoren wurde.

Topstars haben starke Konkurrenz

Auf ihren Sport fokussiert haben sich die Topstars der Szene. Die Spitze ist in ihrer Leistungsstärke mittlerweile auch so breit wie noch nie. Neben Weltmeister Wright und „Mighty Mike“ van Gerwen gibt es noch eine Handvoll Siegesanwärter, die alle in den letzten Wochen mit starken Vorstellungen bei den großen Turnieren aufzeigten.

Gerwyn Price
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Der ehemalige Rugby-Spieler Gerwyn Price ist auch auf der Darts-Bühne für seine fast schon körperliche Spielweise bekannt

Allen voran der ehemalige Rugby-Spieler Gerwyn Price, der mit seinem lautstarken Imponiergehabe auf der Bühne schon so manchem Gegner den Nerv gezogen hat. Als Weltranglistendritter ist der Waliser bereit zum Sturm auf den Gipfel. Daneben glänzten zuletzt Senkrechtstarter Jose de Sousa aus Portugal ebenso wie der englische WM-Finalist 2019 Michael „Bullyboy“ Smith und Belgiens Jungstar Dimitri van den Bergh.

Neben dem ersten afrikanischen PDC-Toursieger Devon Petersen aus Südafrika haben sich auch Spieler wie Nathan Aspinall (ENG), James Wade (ENG), Simon Whitlock (AUS) und Premier-League-Triumphator Glenn Durrant (ENG) in den erweiterten Favoritenkreis gespielt. Durrant war jedoch zuletzt nach einer CoV-Infektion nicht mehr in Hochform. Der zweifache Weltmeister Gary Anderson (SCO) hatte hingegen nach vielen körperlichen Problemen und Reiseangst in Coronavirus-Zeiten kein gutes Jahr.

Nur die Buchmacher haben Angst vor „MvG“

Zu wenig Selbstbewusstsein konnte den Darts-Stars trotz der starken Konkurrenz noch nie nachgesagt werden. „Ich habe mir meinen Traum bereits erfüllt“, so Wright auf der PDC-Website. „Es sind die anderen Jungs, die noch nie die WM gewonnen haben. Also liegt der Druck bei ihnen“, meinte der 50-jährige Schotte. „Ich habe es schon geschafft. Diesen Moment kann mir keiner wegnehmen. Aber ich werde trotzdem aus allen Rohren feuern und die Sid Waddell Trophy mit nach Hause nehmen.“

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Michael van Gerwen
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Michael van Gerwen hat seit 2014 ein Abonnement auf Platz eins der Weltrangliste. Heuer könnte er gestürzt werden.
Devon Petersen
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Der Südafrikaner Devon Petersen zählt zu den Aufsteigern der Saison und gewann heuer als erster Afrikaner ein PDC-Turnier
Gary Anderson
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Der zweifache Weltmeister Gary Anderson hat schon bessere Tage gehabt. Den Altmeister plagen körperliche Probleme.
Glen Durrant
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Glenn Durrant entschied sich erst mit Beginn 2019, Vollprofi zu werden, und zählt bereits zu den Mitfavoriten
Mervyn King
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Mervyn King hat beim letzten großen Turnier vor der WM mit dem Finaleinzug überrascht
Dimitri Van den Bergh
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Der belgische Jungstar Dimitri van den Bergh, genannt „The Dreammaker“, gewann heuer das World-Matchplay-Turnier
Michael Smith
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Michael „Bullyboy“ Smith gilt als der vielleicht talentierteste aller Spieler. Heuer will er sich auch endlich den Titel holen.
Simon Whitlock
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Lang war es ruhig um Simon „The Wizard“ Whitlock. Vor der WM spielte der Australier zuletzt aber wieder groß auf.
James Wade
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James Wade ist ein unaufgeregter Spieler nach englischer Tradition, am Darts-Brett ist jedoch immer mit ihm zu rechnen

„Das war kein leichtes Jahr für mich“, gestand andererseits van Gerwen, der in vielen Spielen nicht seine gewohnte Konstanz zeigte und dem eine ungewohnte Doppelschwäche seinen Nimbus des Unschlagbaren genommen hat. „Es gab schwierige Moment ab und abseits des Oche. In den letzten Wochen fühlte ich mich aber wieder gut, und ich spüre definitiv wieder den alten Michael an der Darts-Scheibe.“

Auf die Frage, warum der auch mit seinem Namenskürzel „MvG“ bekannte Niederländer trotz seiner Leistungsschwankungen als Favorit für die Turniere geführt werde, antwortete sein Herausforderer Price jüngst jedoch frech: „Die Buchmacher haben momentan wohl mehr Angst vor Michael als wir.“

Keine Kostüme und nur Briten

Bunte Kostümierungen, Gesänge in Dauerschleife und festliche Stimmung haben der Darts-WM den Ruf einer mitreißenden Mischung aus Präzisionssport und Unterhaltung eingebracht. All das fällt heuer aus. Im letzten Moment wurden die Planungen für 1.000 Zuschauer für jede der geplanten 28 Sessions im „Ally Pally“ über den Haufen geworfen.

Nach dem Auftaktabend geht die WM vor leeren Rängen weiter. Das teilte der Weltverband PDC nach einer Entscheidung der britischen Regierung mit. London wird ab Mittwoch in eine andere Coronavirus-Kategorie eingestuft, weshalb Sportevents vor Publikum vorübergehend untersagt sind. Ab Mittwoch finden dann zunächst für acht Tage „Geisterspiele“ statt. Spannend werden sie auch ohne Publikum sein.