Der australische Tennisspieler Bernard Tomic.
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Australian Open

72 Athleten in Vollisolation

Das erste Grand-Slam-Turnier der Saison droht nach aktuellem Ermessen zu einer Farce zu werden. Nicht zu Unrecht werden die Quarantäneauflagen in Australien als die strengsten der Welt bezeichnet. Umso prekärer ist die Lage im Vorfeld der Australian Open, die im Zuge der Coronavirus-Pandemie um drei Wochen (8. bis 21. Februar) verschoben wurden, für die Athletinnen und Athleten. Nach der Anreise kamen viele in akute Quarantänenot.

Mit Stand von Sonntagabend hat sich die Zahl der Athleten, die sich nach der Ankunft in Australien in Vollquarantäne (ohne Ausgang) begeben mussten, um 25 Spieler auf 72 erhöht. Grund dafür waren weitere positive Coronavirus-Tests bei Passagieren auf Flügen aus aller Welt nach Australien. Wie die Organisatoren des ersten Grand-Slam-Turniers der neuen Saison mitteilten, wurde zuletzt nach einem Charterflug von Doha nach Melbourne eine weitere mitreisende Person CoV-positiv getestet. Die Konsequenzen müssen wie in den Flügen davor alle Athleten tragen, die sich im selben Flugzeug wie ein CoV-Infizierter befanden.

Sollten die Betroffenen 14 Tage in strikter Hotelisolation bleiben müssen und in dieser Zeit gar nicht auf dem Platz trainieren dürfen, verkämen die Australian Open tatsächlich zur Farce. Nach aktuellem Stand dürfen sie aufgrund der politischen Vorgaben nicht wie eigentlich geplant für zumindest fünf Stunden am Tag ihr Hotelzimmer verlassen. Fitnesstraining ist nur im Hotel möglich, Tennistraining gar nicht.

Tennisstars in Quarantäne

Während viele Australier wegen Coronavirus-Sicherheitsmaßnahmen nicht in ihre Heimat reisen dürfen, kommen mehr als 1.000 Tennisspieler und Betreuer für die Australian Open ins Land. Diese müssen sich in Vollisolation begeben.

Privileg für Thiem und Co.

Mit dieser Vorbereitung dürften sie kaum konkurrenzfähig sein für ein 14-tägiges Grand-Slam-Turnier und den Schlagabtausch mit den Besten der Welt. Von Wettbewerbsverzerrung und Chancenungleichheit ist derzeit die Rede. Zumal die Topstars wie Novak Djokovic, Rafael Nadal und der Österreicher Dominic Thiem ihre behördlich angeordnete Quarantäne ohnehin nicht in Melbourne, sondern im 650 Kilometer entfernten Adelaide antreten durften. Profis, die zwei Wochen lang die normale Quarantäne absolvieren, dürfen für Training und Fitness fünf Stunden täglich aus dem Hotel.

Der österreichische Tennisspieler Dominic Thiem.
APA/AFP/Brenton Edwards
Dominic Thiem absolviert seine „normale“ Quarantäne in Adelaide – 650 Kilometer von Melbourne entfernt

„Denkbar schlechtes Szenario“

„Wie man es dreht und wendet, es ist ein denkbar schlechtes Szenario“, hieß es am Sonntag aus dem Umfeld eines prominenten Spielers. Einige Spielerinnen und Spieler seien „frustriert und verzweifelt“. Allerdings seien allen Beteiligten die möglichen Konsequenzen bewusst gewesen, die Regeln waren klar und mussten von allen Profis, Betreuern und Mitreisenden unterschrieben werden.

Auch die Behörden äußerten sich unmissverständlich: Die Mitreisenden der positiv getesteten Personen müssen komplett in Quarantäne; der Trainingsstart der übrigen Spieler verzögere sich bis mindestens Montag, weil noch nicht alle Testergebnisse vorlägen, sagte die für Quarantäneangelegenheiten im betroffenen Bundesstaat Victoria zuständige Behördenchefin Emma Cassar am Sonntag.

Drastische Strafen drohen

Die Behörden warnten die in Isolation befindlichen Athleten vor Missachtung der strikten Regeln. Cassar drohte mit Geldstrafen von 20.000 australischen Dollar (12.750 Euro) auch bei geringen Verstößen. Der Anlass: Ein Spieler soll mit einem Trainingspartner auf einem Hotelflur gesprochen haben, was laut behördlichen Vorgaben strikt untersagt ist.

Cassars Angaben zufolge wurde zuletzt ein TV-Mitarbeiter nach der Ankunft aus Los Angeles positiv auf das Coronavirus getestet. Außerdem seien ein Mitglied der Crew und ein Tennistrainer sowie ein Coach, der aus Abu Dhabi eintraf, positiv getestet worden. Der Trainer der einstigen US-Open-Siegerin Bianca Andreescu gab am Samstag bekannt, er habe einen positiven Test abgegeben, und entschuldigte sich für die Folgen. Am Sonntag gaben die Turnierchefs einen weiteren Fall bekannt.

„Die strengsten Regeln der Welt“

„Wir gehen davon aus, dass jeder einzelne Tennisspieler, der ankommt, potenziell positiv sein könnte“, hatte die örtliche Polizeiministerin Lisa Neville am Dienstag gesagt. Das Quarantäne- und Sicherheitsprogramm sei auf diese Möglichkeit ausgerichtet, um sicherzustellen, dass das Turnier keine Gefahr für die Menschen in der Region darstelle. „Wir haben die schärfsten und strengsten Regeln für Tennis auf der ganzen Welt eingeführt“, sagte Neville.

Zu den davon vorerst 72 besonders betroffenen Spielerinnen und Spielern gehören auch die frühere Australian-Open-Siegerin Viktoria Asarenka (BLR), Angelique Kerber (GER), Belinda Bencic (SUI), Bianca Andreescu (CAN), Pablo Cuevas (URU), Santiago Gonzalez (MEX), Tennys Sandgren (SUA) und der Österreicher Philipp Oswald. An Bord seiner Maschine aus Los Angeles waren zwei Personen, die nach der Ankunft positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Australien ist wegen extrem strikter Maßnahmen vergleichsweise glimpflich durch die Coronavirus-Krise gekommen.