Bis zum Frühsommer 2020 hatte noch alles sehr gut ausgesehen beim nun elffachen WM-Medaillengewinner. „Bis Juni war es eins a, ich war perfekt vorbereitet“, erzählte Kraft. „Dann habe ich aber den ganzen Sommer gekämpft mit meinem Rücken. Meine Freundin musste mir teilweise die Socken anziehen.“ Im Dezember wurden die Probleme wieder akut. „Dass sich das wieder so entwickelt hat, da muss ich Danke sagen“, meinte der nun dreifache Einzel-Weltmeister.
Gerade einmal einen dritten Platz hatte Kraft in der aktuellen Weltcup-Saison eingeheimst, ab der Saison 2013/14 war zuvor stets mehr drinnen gewesen. Eine konzentrierte Vorbereitung ab einem Extratrainingstag Mitte Februar in Zakopane, zunehmendes körperliches Wohlbefinden und ein Aha-Erlebnis im zweiten Sprung des Mixed-Bewerbs auf der Normalschanze brachten den Umschwung. „Das war sicher noch einmal die Wende“, stellte Kraft am Freitag fest.
Historischer Triumph für Kraft
Stefan Kraft krönt sich bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf auf der Großschanze zum Weltmeister. Für den 27-Jährigen ist es nach seinem Doppelerfolg 2017 die dritte Einzel-Goldmedaille. Das hat vor ihm noch kein Österreicher geschafft.
Mit einem sehenswerten Sprung brachte er seine Freude auf dem obersten Treppchen zum Ausdruck. „Ich habe die ganze Zeit lachen müssen. Es wirkt sich diesmal nicht in Tränen aus wie oft bei mir“, sagte der Salzburger. „Ich bin überglücklich, dass das aufgegangen ist, es einmal wieder ein Wettkampf war, wie man es sich vorstellt.“
Auch ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl jubelte naturgemäß mit. „Ich bin sehr stolz, es ist eine coole Sache. Er ist richtig cool geblieben. Es hat sich die letzten Tage abgezeichnet, dass er immer stärker wird. Wenn er die Lunte riecht, dann lässt er sie nicht mehr los. Nach dem ganzen Schas, den wir in diesem Winter gehabt haben, ist das jetzt einmal ein richtig cooler Abschluss“, sagte der Tiroler.
Kraft tüftelte erfolgreich
Platz zehn im WM-Normalschanzen-Einzel war für den zweifachen Gesamtweltcup-Sieger nicht schlecht, aber eben auch nicht der Anspruch eines Kalibers wie Kraft. „Ich habe nur gesehen, dass mein Ski zu wenig Druck hat“, erinnerte er sich zurück. „Rückenwind und Kleinschanze, das war einfach ein bisschen zu scharf eingestellt. Jetzt ist die Große, ein bisschen Aufwind, auf einmal funktioniert das sensationell. Ich bin noch ein bisschen aggressiver gesprungen.“
Das Gefühl als Führender vor dem entscheidenden Sprung war aber fast schon wieder ungewohnt. Kraft hatte auch beim letzten ÖSV-Sieg nach dem ersten Sprung geführt, das war am 28. Februar 2020 in Lahti. „Ich habe mir gedacht, es ist schon lange her, dass ich als Letzter oben gestanden bin. Sonst ist mir aber gar nicht so viel durch den Kopf gegangen. Ich habe auf meine Punkte geschaut, die zu tun sind. Ich habe gewusst, ich muss genau das machen und voll attackieren.“
Er habe dann das Herz in die Hand genommen, dann sei es sich genau ausgegangen. „Als ich gesehen habe, es geht über die grüne Linie, habe ich alles rausgeschrien, was drinnen war.“ Sein Dank gelte der Familie. „Sie hat immer an mich geglaubt. Sie sind alle mit mir rumgefahren, wollten, dass es besser wird.“ Auch sein Systemischer Coach Patrick Murnig habe großen Anteil. „Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören, und da war sicher er eine große Hilfe.“
Beflügelt in Team-Bewerb
Mit drei Goldmedaillen auf der Habenseite geht es für Österreichs Aktive am Samstag in deren letzten Wettkampftag, an dessen Ende es beim Team-Springen der Männer die nächste und auch eine große Medaillenchance gibt. Weltmeister Kraft, Daniel Huber (8.), Jan Hörl (10.) und Philipp Aschenwald (11.) haben am Freitag im Großschanzen-Einzel als Team am meisten Punkte gesammelt, am Samstag (17.00 Uhr, live ORF1) geht es dann wirklich um das Mannschaftsergebnis.
ÖSV-Chefcoach Andreas Widhölzl hat für die Konkurrenz in umgekehrter Reihenfolge des Einzel-Ergebnisses aufgestellt, daher springt Kraft als Letzter. Aschenwald eröffnet vor Hörl und Huber. In dieser Reihenfolge geht es um die 19. rot-weiß-rote Team-WM-Medaille im Männer-Skispringen, wobei es seit Oberstdorf 2005 immer geklappt hat. Der letzte von bisher neun Titeln liegt acht Jahre zurück, 2013 im Val di Fiemme war keiner des aktuellen Aufgebots im Gold-Quartett.
Kraft sieht sich und seine Kollegen als eines von sechs Teams im Medaillenrennen: „Deutschland, Norwegen, Slowenien, Polen, Japan vielleicht und wir.“ Das Wetter werde im Gegensatz zum Einzel-Bewerb schön sein, Rückenwind sei zu erwarten. „Aber wir haben heute einen richtig geilen Wettkampf gemacht alle vier, das wird sicher beflügeln.“