Miami-Marlins-Managerin Kim Ng
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Baseball

Wie Pionierin Ng die Männerbastion einriss

Ab 1. April heißt es in der Major League Baseball (MLB) wieder „play ball“. Die neue Saison hat schon vor dem ersten Wurf und Schlag ihren Platz in den US-Sportgeschichtsbüchern sicher. Denn mit den Miami Marlins kämpft erstmals ein Team um einen Platz in der World Series, bei dem mit Kim Ng eine Frau im Management das letzte Wort hat. „Ich war schon immer das Kuriosum“, so die 52-Jährige, die jahrzehntelang für ihren Traum kämpfen musste.

Am 13. November 2020 und damit nur knapp eine Woche, nachdem Joe Biden als Sieger der US-Präsidentenwahl ausgerufen und damit Kamala Harris als erste Vizepräsidentin der Geschichte feststand, wurde Ng als erste General Managerin der Ligageschichte unter Vertrag genommen. Mehr noch: Ng, die „Eng“ ausgesprochen wird, ist die erste Frau in dieser Position in einer der vier großen nordamerikanischen Ligen im Baseball, Football (NFL), Basketball (NBA) und Eishockey (NHL).

Als „bemerkenswertesten Tag im Baseball“ seit dem 15. April 1947 bezeichnete Richard Lapchick vom Institute for Diversity and Ethics in Sport der University of Central Florida in einem „Time“-Bericht die Verpflichtung der Managerin. Damals hatte Jackie Robinson als erster afroamerikanischer Profi für die Brooklyn Dodgers debütiert und damit die „Colour Barrier“ durchbrochen. Ng ist nicht nur die erste Frau an der Managmentspitze eines Teams, auch einen General Manager mit asiatischem Hintergrund gab es bisher in der Geschichte der Baseball-Liga noch nie.

Miami-Marlins-Managerin Kim Ng und Geschäftsführer Derek Jeter
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Historischer Moment: Jeter präsentierte seine neue General Managerin Ng mit Sicherheitsabstand bei der Homeplate des Marlins Parks

„Ich habe es anfangs nicht glauben können und nach außen hin auch kaum reagiert, weil ich meine Emotionen immer zurückhalte“, erinnerte sich Ng an ihr erfolgreiches Bewerbungsgespräch mit der lebenden MLB-Legende und dem jetzigen Vorstandsvorsitzenden der Marlins Derek Jeter zurück. Gerade als Ng ihren letzten Trumpf in Sachen Qualifikation ausspielte, habe Jeter mit den Worten „Alles gut, du hast den Job bereits“ ihren Traum erfüllt. „Er hat sogar gemeint: Du könntest wenigstens lächeln. Danach war ich etwas überwältigt, weil es endlich passiert ist“, so die Marlins-Managerin.

Beeindruckender Lebenslauf

Denn der Weg der 1968 in Indianapolis geborenen und im New Yorker Stadtteil Queens und später auf Long Island aufgewachsenen Ng an die Spitze eines MLB-Teams war lange und steinig. Die Absolventin der University von Chicago, die von ihrem Vater mit der Leidenschaft für Baseball „infiziert“ wurde und selbst erfolgreich die Variante Softball spielte, bemühte sich zehn Jahre lang vergeblich um eine Chance. Ng holte sich eine Absage nach der anderen – und das trotz eines bis dahin bereits beeindruckenden Lebenslaufes in den obersten Managementebenen prominenter Teams.

Die Chicago White Sox gaben Ng, nachdem sie bei einem unbezahlten Praktikum überzeugt hatte, 1991 einen Posten als Assistentin in ihrem Führungsteam. 1998 folgte der nächste große Karrieresprung. Brian Cashman, neuer General Manager der New York Yankees, holte die damals 29-Jährige als seine Assistentin an Bord des Rekordmeisters. Ng war damit mittendrin statt nur dabei, wie die „Bronx Bombers“ von 1998 bis 2000 drei Titel in Folge holten. Darauf folgten zehn Jahre als Assistant General Manager bei den Los Angeles Dodgers, ehe sie seit 2011 in der Liga als Senior Vice President of Baseball Operations in hoher Funktion tätig war.

Jubel der New York Yankees nach dem Gewinn der World Series im Jahr 2000
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Beim Triumphzug der Yankees (hier der Jubel nach dem Titel 2000) war Ng als Teil des Managments unmittelbar beteiligt

Hartnäckigkeit wird belohnt

Doch darauf, als General Manager einmal selbst für den Kader eines der 30 MLB-Teams letztverantwortlich zu sein, musste Ng lange vergeblich warten. Auch als der GM-Posten bei den Dodgers 2005 frei wurde, bewarb sich die New Yorkerin vergeblich. Mit Ned Colletti wurde Ng einmal mehr ein Mann vorgezogen. Dass sie selbst ihren Posten als dessen Assistentin behielt, war nur ein schwacher Trost. Bewerbungsgespräche bei den San Diego Padres und San Francisco Giants endeten mit ähnlichen Ergebnissen.

„Man lernt Geduld und Durchhaltevermögen, denn die Absagen waren hart“, so Ng, die sich weiter nicht entmutigen ließ. 30 Jahre nach ihrem ersten Job wurde das Durchhaltevermögen der Managerin nun von den Marlins belohnt. „Als ich in dieses Business gekommen bin, war es sehr unwahrscheinlich, dass eine Frau jemals ein Major-League-Team leiten könnte. Aber ich bin sehr hartnäckig bei der Verfolgung meiner Ziele“, sagte Ng bei ihrer Vorstellung im vergangenen Herbst.

Für den zweifachen MLB-Champion aus Miami ist die neue starke Frau im Front Office aber nicht nur ein PR-technisches Feigenblatt. „Sie bringt einen Reichtum an Wissen und ein Championship-Level an Erfahrung zu den Marlins“, sagte Vorstandsvorsitzender Jeter, der seinerzeit einen großen Anteil am Triple der Yankees vor der Jahrtausendwende hatte. Ng nimmt sich ihre Zeit beim 27-fachen World-Series-Gewinner auch zum Vorbild. „Ich habe bei den Yankees erfahren dürfen, wie langfristiger Erfolg aussieht und was es dazu braucht“, so die General Managerin.

Mammutaufgabe in Miami

In Miami wartet auf Ng jedoch in Sachen langfristiger Erfolg eine Mammutaufgabe. Denn der erst 1993 gegründete Club gehört – trotz der zwei überraschenden Titel 1997 und 2003 – zu den traditionellen Außenseitern im Kampf um einen Platz in der World Series. Von 28 Saisonen – davon von 2010 bis 2019 zehnmal in Folge – brachte das Team keine positive Bilanz aus Siegen und Niederlagen zustande. Erst in der vergangenen, aufgrund der Coronavirus-Pandemie von 162 auf 50 Spiele im Grunddurchgang verkürzten Saison schaffte es Miami wieder in die K.-o.-Runde.

Schlag von Brian Anderson (Miami Marlins)
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Die Marlins schafften im Vorjahr in einer kurzen Saison erstmals seit Langem wieder eine positive Bilanz

Dazu kann Ng bei den Marlins nicht wie ihre Kollegen bei Yankees und Dodgers mit Geld um sich werfen. Während etwa die Dodgers laut Spotrac.com rund 238 Mio. Dollar in ihre Spieler investieren, haben die Marlins mit 47,2 Mio. Dollar gerade mal ein Fünftel dieser Summe für ihre Profis zur Verfügung. Nur in Baltimore, Pittsburgh und Cleveland ist die „Payroll“ noch schlanker als in Miami. Trotzem will Ng dort anschließen, wo das Team vergangene Saison, in der sogar eine Play-off-Runde überstanden wurde, aufgehört hat. „Wir werden nicht jedes Spiel dominieren, aber in jedem Spiel ein harter Gegner sein“, sagte die 52-Jährige.

Gern angenommene Vorreiterrolle

Dass die Augen der Öffentlichkeit nicht nur auf ihre Spieler, sondern heuer besonders auf sie gerichtet sein werden, ist Ng bewusst. Die Last, die von ihr abgefallen sei, als sie endlich einen GM-Job erhalten habe, sei auf ihrer anderen Schulter wieder aufgetaucht, als sie sich des Drucks ihrer Rolle bewusst geworden sei, so Ng. „Aber ich glaube, es wird Abstufungen geben, wie meine Arbeit beurteilt wird. Wenn die Marlins heuer nicht die World Series gewinnen, wird es nicht als Versagen gewertet werden“, so die Managerin im „Time“-Magazin, „aber ich gehe nicht davon aus, dass wir versagen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, und das ist ein Titel.“

Ng hofft auch, dass weitere Frauen an der Managementspitze von Profiteams nicht lange auf sich warten lassen. Das Wichtigste, was sie allen jungen ambitionierten Frauen mit auf den Weg gibt, die die Männerbastionen zu Fall bringen wollen: „Sag immer, was du denkst.“ Denn wer sich versteckt, bleibt über, so Ng: „Ich wurde nirgendwo eingestellt, nur um zu nicken, sondern um eine Meinung zu haben. Darauf kommt es an: Wenn du eine Meinung hast, dann verleihe ihr Ausdruck.“