Englands Harry Kane
Reuters/Scott Heppell
Fußball-EM

England bittet Kroatien zum Schlager

Es ist der erste große Schlager der Fußball-EM: Englands ambitioniertes Team empfängt am Sonntag (15.00 Uhr, live in ORF1) in London Vizeweltmeister Kroatien. Mit lauten Tönen hielten sich die „Three Lions“ zwar zurück. Die Erwartungen an die junge Truppe von Gareth Southgate sind ob ihres Potenzials aber groß. Zum Auftakt will man Revanche nehmen: Im WM-Halbfinale war gegen die Kroaten mit 1:2 nach Verlängerung Endstation.

Die Chancen der Engländer, ihre seit der WM 1966 andauernde Titeldurststrecke zu beenden, sind groß wie lange nicht – zumal sie auch diesmal so etwas wie Heimvorteil genießen. Nicht nur ihre drei Gruppenspiele, auch ein mögliches Achtelfinale, Halbfinale und Finale könnten sie im Wembley bestreiten. 22.500 Zuschauer sind dort in der Coronavirus-Pandemie vorerst zugelassen.

Seit Wochen rätseln sie unter anderem über Englands Aufstellung. Southgate hat die Qual der Wahl. Der Unglücksrabe der Heim-EM 1996, als er im Halbfinale gegen Deutschland im Elferschießen vergab, hat ein übervolles Reservoir an Talenten zur Verfügung – und an mehreren Positionen ein Luxusproblem. Hochkarätern wie Manchester Uniteds Marcus Rashford oder Dortmunds Jadon Sancho droht die Ersatzbank.

England hofft auf Revanche gegen Kroatien

Auch den Engländern wird bei dieser Euro Großes zugetraut. Am Sonntag trifft das Team von Gareth Southgate im Wembley-Stadion auf Kroatien, wo sich die Engländer für die knappe Niederlage im Halbfinale bei der WM 2018 revanchieren wollen.

Qual der Wahl für Southgate

Als gesetzt gelten lediglich Torhüter Jordan Pickford, Innenverteidiger John Stones, der defensive Mittelfeldspieler Declan Rice, Kreativmann Mason Mount und Stürmerstar Harry Kane. Ansonsten ist davon auszugehen, dass Southgate nach einer intensiven Saison in der Gruppenphase viel rotieren wird. Der Ex-Verteidiger weiß um die Sehnsucht der Fans. „Ich denke, wir müssen realistisch sein, wir müssen mit dieser Erwartungshaltung leben“, sagte Southgate.

Gruppe D, erster Spieltag

Sonntag, 15.00, live in ORF1:

England – Kroatien

London, Wembley-Stadion, SR Orsato/ITA

England: Pickford – Walker, Stones, Mings, Trippier – Rice, Phillips – Foden, Mount, Sterling – Kane

Kroatien: Livakovic – Vrsaljko, Vida, Caleta-Car, Gvardiol – Brozovic – Rebic, Modric, Kovacic, Perisic – Kramaric

Doch schon zum Start der Titelmission ist das vor allem in der Offensive stark besetzte Team gefordert. Kroatien sucht nach den Nationalteamrücktritten von Führungsspielern wie Ivan Rakitic und Mario Mandzukic, der Englands Finaltraum 2018 in der Verlängerung in Moskau zerstört hatte, zwar noch nach seiner Topform. Trotz einiger Stimmungsdämpfer nach ihrem Russland-Siegeszug zählen Luka Modric und Co. aber auch beim europäischen Turnier zum erweiterten Favoritenkreis.

Kroatien bleibt selbstbewusst

„Wir haben die Qualität, das Talent und das Selbstbewusstsein, um jeden Gegner schlagen zu können“, sagte Trainer Zlatko Dalic. „Wir werden versuchen, die Magie der WM in Russland wieder aufleben zu lassen.“

Mit dabei ist unter anderem der in Linz aufgewachsene Mateo Kovacic, der mit Modric im Mittelfeldzentrum die Akzente setzen soll. „Das Wichtigste ist, dass wir ruhig und konzentriert sind“, sagte der 27-Jährige am Freitag im EM-Quartier der Kroaten in Rovinj.

Kovacic kämpft um Anerkennung

Kovacic hat vor zwei Wochen mit Chelsea die Champions League gewonnen – wie zuvor auch dreimal als Kaderspieler von Real Madrid. In Kroatien ist die Anerkennung für den gebürtigen Oberösterreicher aber noch nicht so groß. „Es stimmt, dass ich in der Nationalmannschaft bisher nicht mein bestes Spiel abgeliefert habe.“ Das soll sich ändern. „Ich fühle mich jetzt viel kraftvoller und reifer.“

Kroatiens Mateo Kovacic
Reuters/Antonio Bronic
Der gebürtige Linzer Mateo Kovacic greift mit Kroatien bei der Endrunde wieder voll an

Von großen Ansagen nahm Kovacic aber Abstand, der Respekt vor den Engländern ist groß. „Wir sind uns bewusst, dass harte Arbeit auf uns wartet. Sie sind jung, gut, schnell und spielen auch noch zu Hause.“ Die Briten seien einer der Favoriten auf den Turniersieg, ergänzte AC Milans Ante Rebic. Durch die Halbfinal-Niederlage von 2018 werde der Gegner die Kroaten diesmal aber definitiv nicht unterschätzen.

England bleibt Kniefall treu

Eine Niederlage zum Auftakt könnte sich als erheblicher Dämpfer für die englische EM-Euphorie entpuppen. Southgate selbst denkt vor Turnierstart aber an mehr als nur den Gewinn des Pokals. Es gehe unter anderem darum, wie er und seine Spieler sich auf und neben dem Platz verhalten würden, schrieb der 50-Jährige in einem auf der Internetplattform „The Player’s Tribune“ veröffentlichten offenen Brief an die Nation. „Wie wir die Menschen zusammenbringen, wie wir inspirieren und vereinen.“

Diese Herausforderung stellt sich den Engländern bereits vor dem Anpfiff des Turniers. Für ihren Kniefall als Zeichen gegen Rassismus ernteten die „Three Lions“ vor ihren EM-Testspielen – unter anderem dem 1:0 gegen Österreich am 2. Juni in Middlesbrough – vereinzelte Buhrufe von den Rängen. Das Team will aber auch bei der EM daran festhalten. Die Diskussion darüber trübte die Stimmung im Land kurz vor dem Turnierstart, obwohl die sportlichen Voraussetzungen gut wie lange nicht sind.