Fußball-EM

Belgien hat Russen sicher im Griff

Belgien ist in seinem ersten Spiel der EM-Endrunde 2021 seiner Rolle als Titelkandidat gerecht geworden. Die „Roten Teufel“ hatten am Samstag im Schlager der Gruppe B Mitveranstalter Russland in St. Petersburg sicher im Griff und feierten einen 3:0-(2:0)-Erfolg. Romelu Lukaku und Thomas Meunier bescherten Belgien einen Einstand nach Maß.

Lukaku nutzte vor 30.000 zugelassenen Zuschauern in der zehnten Minute einen russischen Abwehrfehler zum frühen 1:0 und traf in der 88. Minute auch zum Endstand. Dazwischen hatte sich in der 34. Minute der eingewechselte Meunier für die Belgier, die gegen Russland bereits in der Qualifikation für die EM mit 3:1 und 4:1 siegreich gewesen waren, in die Torschützenliste eingetragen. Letztgenannter sorgte dabei laut Europäischem Fußballverband (UEFA) für eine Premiere. Noch nie in der EM-Geschichte hatte ein Wechselspieler bereits vor der Pause ein Tor erzielt.

Die Russen lieferten dem Weltranglistenersten zwar phasenweise ein Duell auf Augenhöhe, konnten aber im Gegensatz zu den Belgiern die sich bietenden Chancen nicht nutzen. Belgien führt die Gruppe B nun dank des besseren Torverhältnisses vor Finnland an, dass sich im vom dramatischen Kollaps von Christian Eriksen überschatteten Duell mit Dänemark mit 1:0 durchgesetzt hatte. Am zweiten Spieltag am Mittwoch trifft Belgien nun in Kopenhagen auf Dänemark (18.00 Uhr), die Finnen duellieren sich davor in St. Petersburg mit Russland (15.00, beide Spiele live in ORF1).

Jubel der Belgier, daneben enttäuschte Russen
Reuters/Evgenia Novozhenina
Die Belgier (l.) feierten gegen die Russen einen EM-Einstand nach Maß

Belgien kniet ohne Hazard

Die Zuschauer in der Krestowski-Stadion mussten zumindest bei den Belgiern auf einige prominente Namen verzichten. Dass Superstar Kevin de Bruyne verletzungsbedingt nicht spielen konnte, war schon im Vorfeld festgestanden. Aber auch Eden Hazard, normalerweise Kapitän der „Roten Teufel“ saß vorerst nur auf der Bank. Russlands in Österreich gut bekannter Teamchef Stanislaw Tschertschessow setzte auf Routine. So stand etwa der 37-jährige Juri Schirkow in der Startelf.

Die Geschehnisse im zweiten Gruppenspiel in Kopenhagen, wo der Däne Eriksen kurz vor der Pause im Spiel gegen Finnland auf dem Spielfeld kollabiert war und auf dem Rasen reanimiert werden musste, waren auch an den Spielern in St. Petersburg nicht spurlos vorüber gegangen. Bereits im Vorfeld hatten Belgier und Russen dem 29-Jährigen Genesungswünsche ausgerichtet. Vor dem Anpfiff setzten die belgischen Spieler auch ein Zeichen gegen Rassismus und knieten wieder nieder. Auch Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz aus Spanien schloss sich der Aktion an. Nur die russischen Spieler blieben stehen.

Belgien nutzt Chancen eiskalt

Dafür gaben die Gastgeber, angetrieben von Routinier Artjom Dsjuba, in der Anfangsphase Gas. Die ersten Minuten gehörten daher auch etwas überraschend nicht der Nummer eins der Welt, sondern Russland. Und trotzdem stand es nach nicht einmal zehn Minuten 1:0 für Belgien. Denn Andrej Semenow brachte die Kugel nach einer eher harmlosen Flanke im Strafraum nicht weg, sondern fälschte sie genau vor die Beine von Lukaku ab. Ein Geschenk, das der Torjäger und Teamkollege von Eriksen bei Inter Mailand dankend annahm. Die Russen reklamierten vergeblich Abseits, aber das „patscherte“ Vorgehen von Semenow hatte aus Sicht der Referees eine neue Situation kreiert. Daher war es egal, dass Lukaku vorne gestanden war.

Lukaku trifft zum 1:0

Der Goalgetter nutzt einen Abwehrfehler der Russen eiskalt zur schnellen belgischen Führung.

Immerhin schüttelten die Russen, angetrieben von den Zuschauern, den Schock über die kalte Dusche schnell ab. Keine fünf Minuten später hatte so mancher russische Fan bereits den Torschrei auf den Lippen, als Mario Fernandes nach einem Eckball zum Kopfball hochstieg. Doch der Versuch des gebürtigen Brasilianers landete doch in den Armen von Thibaut Curtois (14.). Die Belgier beschränkten sich auf ihr schnelles Umschaltspiel und erspielten sich dadurch weitere fette Möglichkeiten. So haute Leander Dendoncker mit freier Schussbahn drüber (19.), dann scheiterte Thorgan Hazard an Anton Schunin (23.).

Das Tempo in der ersten Hälfte war hoch, der Einsatz bei beiden Teams auch. Das mussten auch Timothy Castagne und Daler Kusjajew schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Das Duo stieß bei einem Luftzweikampf derart heftig mit den Köpfen zusammen, dass weder der Belgier, noch der Russe weiterspielen konnte (26.). Für Castagne kam Meunier ins Spiel – ein notwendiger Wechsel, der sich wenig später als Goldgriff erwies. Denn nur acht Minuten nach seiner Einwechslung stand der Spieler von Borussia Dortmund bei einem Abpraller genau am richtigen Fleck und schob zum 2:0 ein (34.). Mit der klaren Führung im Rücken hatte Belgien die Partie sicher im Griff.

Meunier erhöht für Belgien auf 2:0

Keine zehn Minuten nach seiner Einwechslung steht der Belgier goldrichtig und baut die Führung des Weltranglistenersten aus.

Russen finden kein Rezept

In der Pause schien Tschertschessow seine „Sbornaja“ mit den richtigen Worten wieder etwas aufgerichtet zu haben. Denn die Russen starteten die zweiten 45 Minuten wieder mit deutlich mehr Mut. Aber wirklich in Verlegenheit konnten die Gastgeber den Titelkandidaten nicht bringen. Die belgische Abwehr stand weiter sicher, dazu fehlten von russischer Seite auch die zündenden Ideen in der Offensive. Mehr als Weitschüsse, etwa von Alexander Golowin in der 55. Minute, die aber meist abgeblockt wurden, ließen die Belgier nicht zu.

Die Belgier taten nur das Notwendigste, um die Zeit von der Uhr zu nehmen – das dafür aber souverän. Eine Art flämisch-wallonisches „Tiki-Taka“ zog den Russen den Nerv. Diese kamen trotz aller Bemühungen nicht mehr wirklich vor das belgische Tor. Zudem wurde vor allem die geistige Müdigkeit ob der aussichtlos scheinenden Situation bei den Gastgebern immer offensichtlicher. Nachdem Dedryck Boyata fast mit einem Eigentor der Partie noch einmal Spannung verliehen hätte (84.), krönte Lukaku seine Leistung nach einem schnörkellosen Angriff mit dem Endstand (88.).

Stimmen zum Spiel

Roberto Martinez (Belgien-Teamchef): „Wir haben innerhalb kürzester Zeit dreimal gegen Russland gespielt. Einmal haben sie mit Viererkette, zweimal mit einer Fünferabwehr gespielt, wir waren also auf beides vorbereitet, es war keine Überraschung für uns. Wir kannten die Muster und echten Gefahren des Gegners.“

Stanislaw Tschertschessow (Russland-Teamchef): „Das Ergebnis scheint fair zu sein. Es hätte durchaus enger sein können, dazu ist es aber nicht gekommen, weil wir zu viele dumme Fehler gemacht haben. Wir haben jetzt in der letzten Zeit viermal gegen sie gespielt und nie gewinnen können.“

Romelu Lukaku (Belgien-Doppel-Torschütze): „Ich bin richtig glücklich über den Sieg. Meine Gedanken sind aber ganz woanders, bei meinem Inter-Teamkollegen Christian Eriksen. Ich hoffe, dass es ihm gut geht, diese Leistung widme ich ihm. Ich habe richtig geweint, hatte Angst, als ich von seinem Kollaps erfahren hatte. Wir haben so viel gemeinsam erlebt, ich habe mit ihm mehr Zeit verbracht als mit meiner eigenen Familie. Es war daher schwer für mich, mich zu konzentrieren. Die Leistung in der ersten Hälfte war großartig, da haben wir einige Chancen herausgearbeitet. In der zweiten Hälfte waren wir etwas schlampig, haben Fehler gemacht. Daran müssen wir arbeiten, wenn wir in dem Turnier weit kommen wollen. Es ist schön, dass wir sehr gut gestartet sind.“

Thomas Meunier (Belgien-Torschütze): „Russland hat uns in der zweiten Hälfte ein bisschen laufen lassen, aber keine Chancen herausgespielt. Wir haben einen guten Job gemacht, auch wenn bei uns nicht immer alles reibungsvoll verlaufen ist.“

EM 2021, Gruppe B, erster Spieltag

Samstag:

Belgien – Russland 3:0 (2:0)

St. Petersburg, 30.000, SR Lahoz (ESP)

Tore:
1:0 R. Lukaku (10.)
2:0 Meunier (34.)
3:0 R. Lukaku (88.)

Belgien: Courtois – Alderweireld, Boyata, Vertonghen (77. Vermaelen) – Castagne (27. Meunier), Dendoncker, Tielemans, T. Hazard – Mertens (72. E. Hazard), R. Lukaku, Carrasco (77. Praet)

Russland: Schunin – Fernandes, Semenow, Dschikia, Schirkow (43. Karawajew) – Osdojew, Barinow (46. Diwejew)- Sobnin (63. Muchin), Golowin, Kusjajew (30. Tscheryschew/63. Mirantschuk) – Dsjuba

Gelbe Karten: Keine

Die Besten: T. Hazard, Carrasco, Meunier, Lukaku bzw. Fernandes