Fußball-EM

Tschechien überrascht gegen Niederlande

Tschechien hat am Sonntag überraschend die Niederlande aus der Fußball-EM geworfen. Der Favorit musste sich in Budapest mit 0:2 geschlagen geben. Die Tschechen profitierten von einem Ausschluss von Abwehrspieler Matthijs de Ligt wegen Torraubs (55.) und erzielten beide Treffer erst in Überzahl. Bis zur Roten Karte war die Partie komplett offen gewesen.

Mann des Spiels war Tomas Holes mit dem Tor zum 1:0 (68.) und dem Assist für Patrik Schick zum 2:0 (80.). Im Viertelfinale bekommen es die Tschechen am Samstag (18.00 Uhr, live in ORF1) in Baku mit Dänemark zu tun. Die Niederlande, die in der Vorrunde die Österreich-Gruppe C mit drei Siegen souverän gewonnen hatten, setzten wieder auf das Duo Donyell Malen und Memphis Depay im Sturm. Bondscoach Frank de Boer nahm in der Startelf nur eine Änderung vor: Marten de Roon ersetzte Ryan Gravenberch im Mittelfeld.

Die Tschechen, die in Pool D Rang drei hinter England und Kroatien belegt hatten, mussten auf ihren verletzten Kapitän Vladimir Darida verzichten. Er wurde von Antonin Barak ersetzt, Tomas Soucek übernahm die Kapitänsbinde. Teamchef Jaroslav Silhavy nahm insgesamt drei Änderungen in seiner Anfangsformation vor. Außenverteidiger Pavel Kaderabek ersetzte den gelbgesperrten Jan Boril. Petr Sevcik durfte im Mittelfeld für Jakub Jankto aufs Feld.

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Ferenc Puskas Stadion
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Die Puskas-Arena von Budapest bildet dank 52.000 Zuschauern den würdigen Rahmen für das Duell zwischen den Niederlanden und Tschechien
Memphis Depay und Tomás Holes
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Memphis Depay (Mi.) und „Oranje“ sind auch inder ersten Hälfte über weite Strecken die spielbestimmende Mannschaft
Matthijs de Ligt (NED)
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Doch mehr als ein missglückter Kopfball von Matthijs de Ligt schaut offensiv nicht heraus
Denzel Dumfries (NED)
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Die Tschechen stemmen sich Denzel Dumfries und Co. erfolgreich entgegen …
Tomas Soucek (CZE)
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… und werden auch selbst gefährlich, etwa durch Tomas Soucek (l.) der aber hier den Ball nicht richtig trifft
Tomas Vaclik (CZE)
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In der zweiten Hälfte hält Goalie Tomas Vaclik gegen Donyell Malen im wahrsten Sinn des Wortes das 0:0 fest
Matthijs de Ligt (NED)
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De Ligt sorgt aber nur kurz darauf mit einem Handspiel und dem per Videobeweis nachträglich ausgesprochenen Ausschluss für die Wende im Spiel
Tomas Holes (CZE)
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Tomas Holes (r.) trifft kurz darauf zum 1:0 für die Tschechen
Maarten Stekelenburg (NED)
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Und Torjäger Patrik Schick (rechter Bildrand) beendet mit seinem vierten Tor im Turnier die niederländischen Titelträume endgültig
Spieler von Tschechien jubeln
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Während die Tschechen den Aufstieg feiern, endet für die Niederlande die EM trotz makelloser Vorrunde mit einer Enttäuschung

Anfangsphase gehört Niederländern

Die erste große Chance in der Puskas-Arena fand die „Elftal“ vor. Daley Blind flankte nach einem Eckball hoch ins lange Eck, doch de Ligt wollte auf einen Mitspieler ablegen, anstatt den Kopfball aufs Tor zu setzen (8.). Die Anfangsphase gehörte klar den Niederländern, die immer wieder gefährlich in den gegnerischen Strafraum eindrangen. Vor allem Depay und Malen sorgten dafür, dass die tschechische Abwehr stark beschäftigt war.

De Ligt zu uneigennützig (8.)

Nach einem Corner wollte Matthijs de Ligt noch auf einen Mitspieler abspielen, der direkte Versuch aufs Tor wäre vermutlich die bessere Entscheidung gewesen.

Der Silhavy-Elf blieb nur, die Chance im Konter zu suchen, die langen Pässe auf Solospitze Schick kamen aber nicht an. Die beste Gelegenheit der Tschechen fand Soucek nach Flanke von Sevcik in den Strafraum vor: Doch der Kopfball des Kapitäns ging knapp am langen Eck vorbei (22.). Nach einer kurzen Trinkpause war es vorbei mit dem Anfangsschwung der Niederländer, auch die Tschechen kombinierten sich in den Gefahrenbereich. Bei einem Weitschuss von Schick hatte Keeper Maarten Stekelenburg (28.) allerdings keine Probleme.

Tschechien findet in die Partie

Auf der Gegenseite wurde ein Schuss von Malen nach Doppelpass mit Denzel Dumfries von der Abwehr blockiert (32.). Jetzt ging es hin und her, denn die Niederländer mussten eine gefährliche Hereingabe von Vladimir Coufal klären (34.). Eine Flanke von Kaderabek holte Tormann Stekelenburg herunter (35.). Bei einem Schuss von Barak konnte de Ligt gerade noch entscheidend dazwischengehen und den Ball mit der Fußspitze über die Latte abfälschen (38.) – die Tschechen hatten endgültig in die Partie gefunden.

Barak schießt über das Tor (38.)

Ein Schuss von Antonin Barak wurde von de Ligt gerade noch zum Eckball geklärt.

Die letzte Chance in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit gehörte den Niederländern. Depay spielte einen kurzen Pass auf Patrick van Aanholt, der per Drehschuss abschloss. Sein Schuss ging klar am langen Eck vorbei (45.+2). Ein Treffer hätte aber ohnehin nicht gezählt, denn van Aanholt war klar im Abseits gestanden. Nach der Pause kamen beide Mannschaften unverändert aus der Kabine.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit sah Dumfries gleich die Gelbe Karte, weil er Kaderabek im Luftduell den Ellbogen ins Gesicht rammte (46.). Nach einem langen Ball von Stefan de Vrij auf Dumfries war dessen Pass auf Malen zu steil (49.). PSV-Stürmer Malen scheiterte wenig später nach einem Dribbling in den Strafraum am tschechischen Tormann Tomas Vaclik (52.).

Ausschluss von de Ligt

Auf der Gegenseite gab es nach Videobeweis den Ausschluss für de Ligt (55.). Der Juventus-Spieler konnte einen Torschuss von Schick nur mit der Hand verhindern und sah dafür vom russischen Schiedsrichter Sergej Karasew zunächst nur Gelb. Nach Bitten des VAR entschied der Referee dann auf Torraub und Rot für den Niederländer.

De Ligt sieht Rot (55.)

Der Videoschiedsrichter schritt bei einem Handspiel von Mattijs de Ligt ein – die ursprünglich Gelbe Karte wurde in eine Rote umgewandelt.

Bondscoach de Boer reagierte und vollzog seinen ersten Wechsel. Der 51-Jährige brachte aber nicht einen neuen Verteidiger, sondern ersetzte Malen im Sturm durch Quincy Promes (57.). Tschechien versuchte aus der Überzahl so schnell wie möglich Kapital zu schlagen, doch Schick scheiterte nach Ecke mit einem Kopfball (60.), und Dumfries warf sich bei einem Schuss von Kaderabek dazwischen (64.). Danach konnte Stekelenburg einen Barak-Schuss aus spitzem Winkel nicht festhalten (67.), der darauffolgende Corner brachte aber nichts ein.

Holes nickt zum 1:0 ein

Das Tor für die Tschechen fiel aus einer Standardsituation. Tomas Kalas legte eine hohe Freistoßflanke von Barak per Kopf auf Holes ab, und dieser nickte zum 1:0 ein (68.). Die Niederlande mussten darauf reagieren, und de Boer wechselte Offensivmann Wout Weghorst für den defensiven Mittelfeldspieler Marten de Roon ein (73.). Das öffnete allerdings auch die Räume für Tschechien. Bei einem Soucek-Weitschuss war Stekelenburg dran (77.).

Holes legt für Tschechien vor (68.)

In Überzahl gingen die Tschechen in Führung. Tomas Holes traf nach einem Freistoß zum 1:0.

Das 2:0 ließ aber nicht lange auf sich warten. Holes marschierte durch die niederländische Verteidigung und hatte nur noch Stekelenburg als Gegner vor sich. Er legte aber uneigennützig auf Schick ab, der sein viertes Tor bei dieser EM erzielte (80.). Das war die Vorentscheidung in der Partie. Die „Elftal“ konnte offensiv nichts mehr ausrichten, und Referee Karasew pfiff das Match nach etwas mehr als sechs Minuten Nachspielzeit ab.

Stimmen zum Spiel:

Frank de Boer (Niederlande-Teamchef): „Tschechien war ein schwieriger Gegner, aber ich denke, dass wir bis zur Roten Karte die bessere Mannschaft waren. Wir haben das Spiel dominiert. Denzel (Dumfries, Anm.) und Patrick (Van Aanholt, Anm.) haben einige Male die letzte Linie erreicht, aber in jedem Fall hätte der letzte Pass besser kommen können. Spiele wie diese drehen sich bei dem einen oder anderen Moment. Wir hatten einen bei der Chance von Donyell (Malen, Anm.), und ein paar Sekunden später waren wir nur noch zu zehnt auf dem Platz. Und das Schlechteste, was dir gegen ein Team wie Tschechien passieren kann, ist, in Rückstand zu geraten. Dann können sie genau so spielen, wie sie das wollen.“

Matthijs de Ligt (Niederlande-Abwehrspieler): „Es fühlt sich natürlich schlecht an. Wir haben das Match grundsätzlich wegen meiner Aktion verloren. Im Nachhinein hätte ich den Ball nicht mit der Hand spielen sollen. Ich hatte das Gefühl, dass wir das Spiel unter Kontrolle hatten. Wir hatten ein paar Chancen, vor allem in der ersten Hälfte. Sie haben nicht wirklich viele Chancen herausgearbeitet. Aber die Rote Karte hat dann den Unterschied gemacht.“

Jaroslav Silhavy (Tschechien-Teamchef): „Ich bin richtig stolz auf mein Team. Wir haben einen großartigen Gegner besiegt, alle Spieler haben taktisch eine exzellente Leistung gebracht. Ich bin froh, dass wir das Viertelfinale vor so vielen von unseren Fans erreicht haben.“

Tomas Holes (Tschechiens „Man of the match“): „Sie waren der Favorit. Es ist noch ein bisschen schwer zu fassen, dass wir gegen dieses Team mit 2:0 gewonnen haben. Sie waren besser mit dem Ball, wir haben gelitten, aber dank unserer Teamleistung haben wir ihnen nicht viel Raum gegeben.“

Fußball-EM, Achtelfinale

Sonntag:

Niederlande – Tschechien 0:2 (0:0)

Budapest, Puskas-Arena, 52.000 Zuschauer, SR Karasew (RUS)

Torfolge:
0:1 Holes (68.)
0:2 Schick (80.)

Niederlande: Stekelenburg – Dumfries, De Vrij, De Ligt, Blind (81./Timber), Van Aanholt (81./Berghuis) – De Roon (73./Weghorst), Wijnaldum, F. de Jong – Depay, Malen (57./Promes)

Tschechien: Vaclik – Coufal, Celustka, Kalas, Kaderabek – Holes (85./Kral), Soucek – Masopust (79./Jankto), Barak (92./Sadilek), Sevcik (85. Hlozek) – Schick (92./Krmencik)

Rote Karte: De Ligt (55./Verhinderung einer Torchance)

Gelbe Karten: Dumfries, De Jong bzw. Coufal

Die Besten: Dumfries, Van Aanholt bzw. Holes, Barak