Fußball-EM

„Squadra Azzurra“ wirft Belgien raus

Die italienische Nationalmannschaft hat ihren Erfolgslauf bei der EM fortgesetzt und das Halbfinale erreicht. Die Auswahl von Teamchef Roberto Mancini setzte sich am Freitag im Viertelfinal-Schlager gegen Belgien mit 2:1 (2:1) durch und kämpft am Dienstag (21.00 Uhr, live in ORF1) gegen Spanien um einen Platz im Endspiel. In einer turbulenten und hochklassigen Partie trafen Nicolo Barella (31.) und Lorenzo Insigne (44.) für die „Squadra Azzurra“. Kurz vor der Pause gelang Romelu Lukaku per Elfmeter nur der Anschlusstreffer (45.+2).

Das Duell in der Münchner Allianz Arena war ein Aufeinandertreffen zweier Mannschaften mit beeindruckenden Bilanzen und hielt auch das, was die Vorzeichen und Statistiken versprachen. Belgien, die aktuelle Nummer eins im FIFA-Ranking, hatte seit dem Aus im WM-Halbfinale gegen Frankreich vor drei Jahren bei 27 Siegen und drei Remis gerade einmal zwei Partien verloren. Italien, immerhin vierfacher Weltmeister, hielt vor dem Viertelfinal-Schlager bei der Rekordmarke von 31 Partien ohne Niederlage.

Italien marschierte bei der EM ebenso wie die Belgier mit drei Siegen durch die Gruppenphase. Beim 2:1 n. V. gegen Österreich im Achtelfinale tat sich die Mannschaft von Roberto Mancini erstmals schwer und musste nach 1.170 Minuten wieder einen Gegentreffer hinnehmen. Belgien warf in der ersten K.-o.-Runde Titelverteidiger Portugal aus dem Bewerb, aber nicht dank eines Offensivfeuerwerks, sondern dank hervorragender Effizienz. Für den Unterschied sorgte Thorgan Hazard mit seinem Treffer in der 42. Minute.

Barella mit dem 1:0 für Italien (31. Minute)

Starke Aktion von Nicolo Barella, die der Inter-Mailand-Star mit einem präzisen Schuss ins lange Eck abschließt.

De Bruyne dabei, Eden Hazard muss passen

Die brennendste Frage wurde rund eine Stunde vor Anpfiff beantwortet. Belgien konnte im Viertelfinale auf Kevin De Bruyne setzen, musste aber auf Eden Hazard verzichten. Manchester-City-Star De Bruyne hatte beim 1:0 gegen Portugal im Achtelfinale eine Verletzung am Sprunggelenk erlitten, stand aber am Freitagabend in München in der Startelf. Bei Eden Hazard war im Vorfeld von einer Muskelverletzung die Rede. Der Bruder von Thorgan Hazard stand nicht einmal im Kader.

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Die Belgische Mannschaft schwört sich ein
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Die Belgier schwörten sich auf einen großen Fight gegen Italien ein – nur für einen der beiden EM-Favoriten war im Halbfinale Platz
Fans von Italien
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Für die italienischen Fans in München gab es wohl keinen Zweifel, wer aufsteigen würde …
Ciro Immobile und Jeremy Doku knien beim Anpfiff
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Auf den Knien gaben Ciro Immobile und Jeremy Doku vor Anpfiff ein Zeichen gegen Rassismus…
Jubel der Italiener
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Riesig war der Jubel der Italiener nach dem Führungstreffer durch Nicolo Barella in der 31. Spielminute …
Belgiens Kevin De Bruyne
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Angetrieben von u. a. Kevin De Bruyne gaben sich die Belgier nicht geschlagen …
Lorenzo Insigne trifft zum 2:0
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… auch nicht nach dem zweiten Treffer der Italiener durch Lorenzo Insigne.
 Romelu Lukaku trifft per Elfmeter
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Per Elfmeter verkürzte Romelu Lukaku in der Nachspielzeit der ersten Hälfte auf 1:2…
Romelu Lukaku vergibt eine Riesenchance
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Die Chance auf den Ausgleich vergab der 28-Jährige nach dem Seitenwechsel …
Leonardo Spinazzola wird auf einer Trage vom Feld getragen
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Für Leonardo Spinazzola ging die Partie in der 79. Minute mit Schmerzen zu Ende …
Romelu Lukaku (BEL) gegen Giorgio Chiellini (ITA)
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Lukaku (im Zweikampf gegen Giorgio Chiellini) und seine Teamkollegen versuchten alles, dem Ausgleich liefen sie vergeblich nach.
Enttäuschte Belgier
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Enttäuschung nach dem Schlusspfiff – wieder einmal haben die Belgier die Hoffnungen bei einer Endrunde nicht erfüllt
Die Italiener feiern nach dem Schlusspfiff
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Italien dagegen fiebert dem Halbfinale am Dienstag gegen Spanien entgegen …

Bei Italien meldete sich unterdessen Kapitän Giorgio Chiellini nach überstandener Muskelverletzung zurück. Der 36-Jährige, der gegen Österreich gefehlt hatte, war damit fit für das Duell mit Belgiens Torjäger Lukaku. Jorginho sollte wieder die Fäden ziehen, an vorderster Front Lorenzo Insigne und Ciro Immobile für die Tore sorgen. Auch der im Achtelfinale gegen das ÖFB-Team eingewechselte Federico Chiesa war wie erwartet neu in der Startelf.

Lukaku stellt sich gleich vor

Kurz vor dem Anpfiff gingen beide Teams als Zeichen gegen Rassismus auf die Knie, danach erlebten die Zuschauer in München einen munteren Beginn der Belgier. Nicht einmal eine Minute war gespielt, da tauchte Lukaku nach Steilpass von De Bruyne bereits erstmals gefährlich vor dem Gehäuse von Gianluigi Donnarumma auf, der dem Angreifer von Inter Mailand gerade noch den Ball vom Fuß stibitzen konnte. In der vierten Minute landete ein Drehschuss des Goalgetters von der Strafraumgrenze auf der Tribüne. Lukaku war gegen die Wahlheimat sichtlich motiviert.

Allerdings versteckten sich auch die Italiener nicht, gingen es beim Spielaufbau aber gemächlicher und deshalb weniger spektakulär an. Gefährlich und zumindest für den vermeintlichen Jubel über den Führungstreffer ausreichend wurde es bei einem Freistoß in der zwölften Minute. Eine Hereingabe von Insigne landete via Chiellini und Giovanni Di Lorenzo bei Leonardo Bonucci, der das Leder mit dem Bauch über die Linie bugsierte. Dabei standen allerdings gleich mehrere Italiener im Abseits, weshalb der Videoschiedsrichter eingriff und das Resultat wieder auf 0:0 zurückdrehte.

Donnarumma glänzt, Barella trifft

Sowohl Belgien als auch Italien versuchten weiter, offensiv Akzente zu setzen, wobei die „Squadra Azzurra“ weiter den Ball in den eigenen Reihen laufen ließ und die Belgier mit direktem Spiel in die Spitze Nadelstiche setzen konnten. Nach einem Sololauf von De Bruyne über 50 Meter visierte der 30-Jährige an der Strafraumgrenze das lange Eck an, Donnarumma machte sich aber lang und drehte den Ball mit einer Glanzparade noch an der Stange vorbei (22.). Auch bei einem gut angetragenen Schuss von Lukaku aus ähnlicher Distanz blieb der 22-jährige Schlussmann vom AC Milan Sieger (26.).

De Bruyne prüft Donnarumma (22. Minute)

Gut angetragener, wuchtiger Schuss von Kevin de Bruyne, doch Donnarumma im Tor der Italiener kann sich einmal mehr auszeichnen.

Auf der Gegenseite wirbelte Chiesa die belgische Hintermannschaft durcheinander, ein von Toby Alderweireld abgefälschter Schuss des Juve-Angreifers stellte für Schlussmann Thibaut Courtois kein Problem dar (27.). Ein Versuch von Insigne kurz darauf ging über das Tor. Eine Unachtsamkeit von Jan Vertonghen wurde dann aber eiskalt bestraft. Marco Verratti fing den verunglückten Befreiungsschlag ab und passte auf Barella, der sich zwischen drei Belgiern durchsetzte und ins lange Eck zur 1:0-Führung traf (31.).

Turbulente Schlussphase vor der Pause

Belgien war nun sichtlich beeindruckt, Italien erspielte sich mehr und mehr Spielanteile und war dem zweiten Treffer näher als die „Roten Teufel“ dem Ausgleich. Ein Schlenzer von Chiesa außerhalb des Strafraums verfehlte sein Ziel (41.). Kurz darauf agierte Immobile im Strafraum zu eigensinnig und verdribbelte sich mit dem Rücken zum Tor, anstatt auf besser postierte Teamkollegen abzulegen (43.). Dennoch wurden die Italiener noch vor der Pause belohnt, weil Insigne aus knapp 20 Metern Maß nahm und genau ins rechte Eck traf (44.).

Lukaku verkürzt per Elfmeter (45+2. Minute)

Harter Elfmeter gegen Italien, nachdem Jeremy Doku im Strafraum gestoßen wird. Romelu Lukaku verwertet flach in die Mitte.

Dass die Belgier dennoch nicht mit einem 0:2-Rückstand in die Pause gehen mussten, hatten sie Di Lorenzo und dem slowenischen Schiedsrichter Slavko Vincic zu verdanken. Jeremy Doku hängte sich bei einem Laufduell beim Italiener ein, der sich befreite und den 19-jährigen Angreifer wegschob. Vincic entschied auf Strafstoß, den Lukaku mit einem Schuss in die Mitte zum Anschlusstreffer nutzte (45.+2). Eine harte, wenn auch durchaus vertretbare Entscheidung.

Belgien beißt sich die Zähne aus

Nach dem Seitenwechsel verwalteten die Italiener geschickt und mit Glück das knappe Ergebnis. Belgien versuchte Chiellini und Co. mit offensiverem Pressing unter Druck zu setzen, ohne zunächst aber wirklich für Gefahr zu sorgen. Halbchancen von Doku (56.) und auf der Gegenseite von Chiesa (63.) brachten nichts ein. Plötzlich brannte es vor dem italienischen Gehäuse aber lichterloh. Nach einem Sololauf von Doku entlang der Linie landete der Ball über De Bruyne an der langen Stange bei Lukaku, dessen schwacher Abschluss von Leonardo Spinazzola, der sich später verletzte und im Halbfinale fehlen wird, im Zurücklaufen gerade noch mit dem Oberschenkel abgewehrt werden konnte (61.).

Spinazzola rettet gegen Lukaku (61. Minute)

Riesenglück für Italien: Nach schöner Aktion der Belgier klärt Leonardo Spinazzola in höchster Not gegen Lukaku.

Die „Roten Teufel“ hatten nun wieder Morgenluft gewittert und versuchten noch einmal alles. Allerdings war ihnen im Gegensatz zu den Italienern der Fußballgott an diesem Abend nicht so recht gesonnen. Zunächst brachte Nacer Chadli unmittelbar nach seiner Einwechslung frischen Wind und bereitete die nächste Großchance vor. Der 31-Jährige tankte sich links durch, seine Flanke wurde aber leicht abgefälscht, sodass sowohl Lukaku per Kopf als auch Thorgan Hazard mit der Ferse knapp verpassten (70.). Doppelt bitter für Chadli, da er unmittelbar darauf verletzungsbedingt wieder vom Feld musste.

De Bruyne und Co. versuchten am Ende noch einmal alles, vor allem der wieselflinke Doku sorgte immer wieder für Unruhe in der italienischen Hintermannschaft. Ein abgefälschter Schuss von Lukaku (75.) stellt Donnarumma aber ebenso wenig vor Probleme wie ein Freistoß von De Bruyne in der Schlussphase. Schlussendlich brachte die „Squadra Azzurra“ das knappe 2:1 über die Zeit und fixierte die Neuauflage des EM-Finales von 2012 gegen Spanien. Damals setzte sich die „Furia Roja“ in Kiew mit 4:0 durch.

Stimmen zum Spiel:

Roberto Mancini (Teamchef Italien): „Wir haben den Sieg verdient. Es war ein außergewöhnliches Spiel von uns. Um eine Mannschaft wie Belgien zu schlagen, muss jeder eine großartige Leistung bringen, und genau das haben wir geschafft. Wir hatten nur in den letzten zehn Minuten Probleme, weil wir müde geworden sind. Wir hatten kein Minimalziel für dieses Turnier, wir wollten so viel erreichen wie möglich. Es sind noch zwei Partien, wir werden sehen, was passiert. Jetzt genießen wir diesen Sieg, dann denken wir an den Gegner.“

Thibaut Courtois (Tormann Belgien): „Das trifft uns hart, auch wenn wir wussten, dass es ein schweres Spiel wird. Es hätte so oder so ausgehen können, aber Italien hat verdient gewonnen.“

Kevin de Bruyne (Mittelfeldspieler Belgien): „Wir haben alles versucht, um zu gewinnen. Der Ball ist nicht ins Tor gegangen.“

Fußball-EM, Viertelfinale

Freitag:

Belgien – Italien 1:2 (1:2)

München, 12.984 Zuschauer, SR Vincic (SLO)

Torfolge:
0:1 Barella (31.)
0:2 Insigne (44.)
1:2 Lukaku (45.+2/Elfmeter)

Belgien: Courtois – Alderweireld, Vermaelen, Vertonghen – Meunier (69./Chadli/74./Praet), Tielemans (69./Mertens), Witsel, T. Hazard – De Bruyne, Doku – Lukaku

Italien: Donnarumma – Di Lorenzo, Bonucci, Chiellini, Spinazzola (79./Emerson) – Barella, Jorginho, Verratti (74./Cristante) – Chiesa (91./Toloi), Immobile (74./Belotti), Insigne (79./Berardi)

Gelbe Karten: Tielemans bzw. Verratti, Berardi

Die Besten: De Bruyne, Witsel bzw. Jorginho, Barella, Spinazzola