Fußball-EM

Elfmeterschießen bringt Italien ins Finale

Der erste Finalist der Fußball-EM heißt Italien. Die „Squadra Azzurra“ bezwang am Dienstagabend im Wembley-Stadion Spanien nach einem 1:1 nach Verlängerung mit 4:2 im Elfmeterschießen. Federico Chiesa (60.) brachte die Italiener in Führung, der eingewechselte Alvaro Morata (80.) glich für die Spanier aus. Vom Punkt vergab Spaniens Torjäger dann aber den schließlich entscheidenden Penalty.

Der Achtelfinal-Bezwinger von Österreich (2:1 nach Verlängerung) trifft am Sonntag (21.00 Uhr, live in ORF1) im Endspiel ebenfalls in London auf den Sieger des zweiten Halbfinales England gegen Dänemark am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1).

Für den vierfachen Weltmeister Italien geht es dabei um den zweiten EM-Titel nach 1968. Die Spanier verpassten den dritten Finaleinzug bei den jüngsten vier EM-Auflagen, nachdem sie 2008 und 2012 in der Folge auch den Titel geholt hatten. In ihrem fünften EM-Halbfinale gingen die Iberer erstmals als Verlierer vom Platz.

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Italienische Fans
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Die nach London gereisten Tifosi demonstrierten schon vor dem Anpfiff Siegesgewissheit
Spanische fans
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Aber auch die spanischen Fans präsentierten sich vor dem Halbfinale zuversichtlich
Blick ins Wembley-Stadion
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Die Tribünen des Wembley-Stadions waren mit 57.800 Zuschauern erstmals bei dieser EM gut gefüllt
Chance von Nicolo Barella
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Nach einem Ausflug von Spaniens Goalie Unai Simon trafen die Italiener das verwaiste Tor nicht
Koke und Marco Verratti
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Entgegen den Erwartungen waren die Spanier über fast die gesamte Spielzeit feldüberlegen
Federico Chiesa trifft
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In Führung gingen die Italiener aber nach knapp einer Stunde durch Federico Chiesa
Federico Chiesa jubelt
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Der Torschütze ließ sich an der Eckfahne von seinen Teamkollegen gebührend feiern
Alvaro Morata trifft
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In der 80. Minute düpierten Dani Olmo und Alvaro Morata die italienische Abwehr, und Morata glich aus
Alvaro Morata jubelt mit Mitspielern
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Damit retteten sich die Spanier in die Verlängerung
Domenico Berardi
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In der 110. Minute traf Domenico Berardi, das Tor wurde allerdings wegen klaren Abseits aberkannt
Jorginho
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Im Elfmeterschießen fixierte Jorginho nach einem vergebenen Penalty von Morata den italienischen Sieg
Italien jubelt
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Die „Squadra Azzurra“ darf damit weiter von ihrem zweiten EM-Titel nach 1968 träumen

Italien ersetzt nur Spinazzola

Der verletzte Verteidiger Leonardo Spinazzola wurde bei den Italienern von Emerson ersetzt. Der Chelsea-Spieler war der einzige Neue in der Startelf des vierfachen Weltmeisters. Spinazzola hatte sich beim 2:1-Sieg im Viertelfinale gegen Belgien die Achillessehne gerissen. Auf den übrigen Positionen vertraute Teamchef Roberto Mancini der gleichen Startformation wie zuletzt.

Spaniens Coach Luis Enrique veränderte seine Anfangself nach dem Viertelfinal-Sieg im Elfmeterschießen gegen die Schweiz auf drei Positionen. Dani Olmo begann im Angriff für den angeschlagenen Pablo Sarabia. Zudem saß Mittelstürmer Morata erstmals bei dieser EM zu Beginn nur auf der Bank, für ihn spielte Mikel Oyarzabal. In der Innenverteidigung ersetzte Eric Garcia Pau Torres.

Abseits lässt Stangenschuss nicht gelten

Zum ersten Mal Aufregung gab es bei den 57.800 Zuschauern in der vierten Minute. Nicolo Barella startete aus abseitverdächtiger Position und traf die rechte Stange des spanischen Tores. Erst nach der Aktion hob der Schiedsrichterassistent – getreu der UEFA-Vorgabe – die Fahne, der Aluminiumtreffer geht damit nicht in die Statistik ein.

Der Spanier starteten allerdings ambitioniert und drängten die leicht favorisierten Italiener zumeist in die Defensive. Oyarzabal wurde nach einem Pedri-Zuspiel gerade noch am Abschluss gehindert (13.), ein Ferran-Torres-Flachschuss von Strafraumgrenze ging links vorbei (15.).

Chancen auf beiden Seiten

Aus der ersten wirklichen italienischen Chance wurde ebenfalls nichts Zählbares: Nach einem schönen Vorstoß passte Emerson in den Strafraum zu Ciro Immobile, doch sowohl dieser als auch der von ihm angespielte Barella wurden von der Abwehr am Schuss aufs leere Tor gehindert (21.). Goalie Unai Simon hatte einen Ausflug unternommen.

Die bis dahin größte Möglichkeit im Match hatten dann die Spanier. Olmo kam nach einem Abpraller zum Ball, sein Schuss wurde aber von Gianluigi Donnarumma mit einer Glanzparade entschärft (25.).

Donnarumma klärt gegen Olmo (25. Minute)

Gianluigi Donnarumma zeichnet sich mit einer ersten Parade aus und entschärft einen Schuss von Dani Olmo.

Danach legten beide Teams eine Kreativitätspause ein, erst in der letzten Minute der ersten Halbzeit lag die Führung in der Luft. Nach einem Pass von Lorenzo Insigne hämmerte Emerson den – von Simon noch leicht berührten – Ball an die Latte (45.).

Emerson an die Latte (45. Minute)

Kurz vor dem Pausenpfiff kommt Emerson mit einem Lattenschuss noch zu einer guten Gelegenheit für die Italiener.

Spanier nach Seitenwechsel gefährlicher

Beide Trainer verzichteten in der Pause auf Spielerwechsel. Ein völlig verunglückter Abschlag von Simon blieb für die Iberer ohne Folgen, auf der Gegenseite fing Donnarumma bei einem gefährlich getretenen Corner den Ball, und Giovanni Di Lorenzo rettete bei einer Olmo-Flanke vor dem einschussbereiten Torres (50.).

Die Spanier blieben zunächst gefährlicher, der kurz zuvor wegen eines Fouls mit der ersten Gelben Karte des Spiels verwarnte Kapitän Sergio Busquets kam nach einem Oyarzabal-Zuspiel in guter Position zum Schuss, dieser ging aber über das Tor (52.). Donnarumma wäre aber wohl dran gewesen.

Chiesa lässt Italiener jubeln

Das erste Tor bejubeln durften aber die Italiener. Nach einem herausragenden Außenristpass von Insigne auf Immobile gelangte der Ball zu Chiesa, der mit einem perfekten Schlenzer aufs rechte lange Eck Simon keine Abwehrchance ließ und auf 1:0 stellte (60.).

Chiesa schießt Italien in Führung (60. Minute)

Eine schnell vorgetragene Offensivaktion der Italiener bringt zunächst keinen Erfolg, im Nachsetzen erobert Chiesa den Ball und schießt sehenswert zum 1:0 ein.

Nach dem Führungstreffer stellten beide Teamchefs erstmals um, Mancini brachte Domenico Berardi für Immobile, Enrique Morata für Torres. Die Spanier drängten auf den Ausgleich, Oyarzabal verfehlte eine gefährliche Flanke hauchdünn (65.), ein Olmo-Weitschuss ging knapp vorbei (67.). Im Gegenstoß bewahrte Simon die Iberer bei einem – allerdings zu unplatzierten – Berardi-Schuss vor dem 0:2 (68.).

Morata als „Joker“ erfolgreich

Nachdem die Spanier mit einigen vielversprechenden Vorstößen nicht zum Abschluss kamen, fiel dann in der 80. Minute doch noch der Ausgleich: „Joker“ Morata nahm einen herrlichen Lochpass von Olmo durch die italienische Abwehr auf und bezwang Donnarumma mit einem exakten Schuss ins linke Eck.

Morata gleicht aus (80. Minute)

Gut zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit lassen Alvaro Morata und Dani Olmo die italienische Hintermannschaft mit einem Doppelpass alt aussehen. Morata vollstreckt zum 1:1.

Die restliche reguläre Spielzeit und die dreiminütige Nachspielzeit brachten keine Entscheidung, somit ging die Partie in die Verlängerung.

Verlängerung bleibt torlos

In dieser gab es zunächst zwei beinharte Zweikämpfe. Der kurz zuvor eingewechselte Andrea Belotti landete äußerst unsanft auf dem Rücken und war kurz angeschlagen, der ebenfalls ins Spiel gekommene Rafael Toloi sah nach einem brutalen Foul Gelb.

Auch in der Overtime bestimmten weitgehend die Spanier das Geschehen. Einen Olmo-Freistoß konnte Donnarumma nur noch abprallen lassen, in der Folge wurde Morata erfolgreich am Abstauber gehindert (98.).

Nach dem Seitenwechsel gab es dann kurz Toralarm für Italien: Der Treffer von Berardi wurde wegen einer klaren Abseitsstellung allerdings aberkannt (110.). Weitere gute Chancen blieben ebenso wie Tore aus, damit musste das Penaltyschießen entscheiden.

Morata Unglücksrabe im Elferschießen

In diesem versagten gleich die ersten zwei Schützen: Simon konnte den Versuch von Manuel Locatelli parieren, Olmo schoss über das Tor. Die nächsten fünf Elfer wurden allesamt verwertet, und beim Stand von 2:3 aus der Sicht der Spanier avancierte dann Morata vom Helden zum Unglücksraben. Seinen zu schwach getretenen Schuss wehrte Donnarumma ab. Für die Entscheidung sorgte dann Jorginho, der Simon in die falsche Ecke lockte und souverän einschob. Italien blieb damit zum 33. Mal in Folge ungeschlagen.

Stimmen zum Spiel:

Roberto Mancini (Teamchef Italien): „Wir wollten ins Finale kommen, auch wenn das vor Beginn des Turniers nicht viele Leute für möglich gehalten hatten. Ich möchte auch Spanien gratulieren, sie haben eine großartige Mannschaft. Elfmeterschießen ist immer eine Lotterie. Es gibt einige Spiele, in denen du leiden musst, aber wir haben es uns verdient, im Finale zu stehen. Diese Truppe ist unglaublich. Jeder will gewinnen, aber diese Gruppe von Spielern will etwas Spezielles erreichen und hat das geschafft.“

Luis Enrique (Teamchef Spanien): „Meine Spieler waren wunderbar, ich kann ihnen keine Vorwürfe machen und muss sie für ihre Leistung loben. Morata hatte ein Problem mit den Adduktoren, wollte aber unbedingt den Elfmeter schießen, das sagt sehr viel über seine Persönlichkeit aus. Er war enorm wichtig für uns in diesem Turnier. Im Profisport muss man lernen zu gewinnen und auch, wie man mit Niederlagen umgeht. Deshalb möchte ich Italien gratulieren. Wir können mit der Gewissheit heimreisen, ganz klar zu den besten Teams der EM gehört zu haben.“

Gianluigi Donnarumma (Tormann Italien): „Ich war ruhig vor dem Elfmeterschießen, weil ich gewusst habe, dass ich der Mannschaft helfen kann. Ich möchte mich bei allen bedanken, jetzt sind wir nur noch einen Schritt von der Verwirklichung unseres großen Traumes entfernt. Spanien ist ein sehr starkes Team und hat uns mit seinem Ballbesitz vor große Probleme gestellt. Wir haben aber viel Courage gezeigt, unter Beweis gestellt, dass wir nie aufgeben und es uns verdient, im Finale dabei zu sein.“

Fußball-EM, Halbfinale

Dienstag:

Italien – Spanien 1:1 n.V. 4:2 i.E. (1:1, 0:0)

London, Wembley Stadion, 57.800 Zuschauer, SR Brych (GER)

Torfolge:
1:0 Chiesa (60.)
1:1 Morata (80.)

Elfmeterschießen:
0:0 – Locatelli scheitert an Simon
0:0 – Olmo schießt übers Tor
1:0 – Belotti trifft
1:1 – Moreno trifft
2:1 – Bonucci trifft
2:2 – Thiago trifft
3:2 – Bernadeschi trifft
3:2 – Morata scheitert an Donnarumma
4:2 – Jorginho trifft

Italien: Donnarumma – Di Lorenzo, Bonucci, Chiellini, Emerson (74./Toloi) – Barella (85./Locatelli), Jorginho, Verratti (74./Pessina) – Chiesa (107./Bernardeschi), Immobile (61./Berardi), Insigne (85./Belotti)

Spanien: Simon – Azpilicueta (85./M. Llorente), Garcia (109./P. Torres), Laporte, Alba – Koke (70./Rodri), Busquets (106./Thiago), Pedri – Ferran Torres (62./Morata), Oyarzabal (70./Moreno), Olmo

Gelbe Karten: Toloi, Bonucci bzw. Busquets

Die Besten: Chiesa, Barella, Bonucci bzw. Busquets, Olmo, Laporte