NWSL-Spielball
Reuters/USA TODAY Sports/William Purnell
Fußball

Missbrauchsfälle wühlen Frauenligen auf

Im Frauen-Fußball werden in immer mehr Ländern Missbrauchsvorwürfe publik bzw. ziehen diese Konsequenzen nach sich. In der amerikanischen Profiliga NWSL verabschiedete sich Steve Baldwin als geschäftsführender Gesellschafter von Washington Spirit per Twitter-Erklärung. In Venezuela haben 24 Spielerinnen diverser Nationalteams einen Ex-Trainer der sexuellen Belästigung und des Missbrauchs beschuldigt. Und in Australien wurden nach Vorwürfen Untersuchungen angekündigt.

In Australien hatte Lisa De Vanna bei ihrem vor Kurzem vollzogenen Rücktritt mitgeteilt, dass sie während ihrer Karriere Opfer von sexuellem Übergriff, Belästigung und Mobbing gewesen sei. Die 36-Jährige hatte 150-mal fürs Nationalteam gespielt. „Es muss Konsequenzen geben“, sagte sie in einem Interview. Die ebenfalls vor Kurzem zurückgetretene Rhali Dobson wiederum gab an, von älteren Spielerinnen missbraucht worden zu sein. Australiens Verband hat nun Untersuchungen der Fälle in Gang gesetzt.

In den USA unterzeichneten Aktive nach Baldwins Rücktritt einen Brief. Sie forderten ihn auf, seine Anteile an die Mitbesitzerin Y. Michele Kang zu verkaufen. In den von Baldwin selbst noch installierten Nachfolger Ben Olsen gebe es kein Vertrauen. Trainer Richie Burke hatte in der Woche zuvor seinen Posten bei Spirit verloren, nachdem Vorwürfe im Zusammenhang mit seinem Umgang mit den Spielerinnen öffentlich geworden waren.

US-Liga soll Vorwürfe ignoriert haben

Die ganze Liga ist seit Tagen in Aufruhr. Auslöser waren Vorwürfe gegen den Trainer des Teams North Carolina Courage, Paul Riley, der nach einem Bericht des Portals The Athletic infolge des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs zweier Spielerinnen entlassen wurde. In der Folge wurde bekannt, dass die NWSL Hinweise darauf ignoriert und unter den Teppich gekehrt hatte. Ligachefin Lisa Baird übernahm dafür bereits die Verantwortung und trat zurück.

„Diese Woche und vieles in dieser Saison waren unglaublich traumatisch für unsere Spielerinnen und Angestellten, und ich übernehme die volle Verantwortung für die Funktion, die ich hatte. Der Schmerz, den so viele fühlen, tut mir leid“, sagte sie. Ihr Rücktritt soll jedoch erst der Anfang sein. „Brennt alles nieder. Lasst all ihre Köpfe rollen“, forderte US-Kapitänin und Superstar Megan Rapinoe auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Am Wochenende rollte kein Ball, dafür prangerte die Vereinigung der Spielerinnen (NWSLPA) „systemischen Missbrauch“ in einer Spielklasse an, die wie alle anderen Topligen schon immer fast nur mit Männern in den entscheidenden Positionen besetzt ist. Schon im August war Christy Holly als Trainer bei Racing Louisville gefeuert worden, nachdem Spielerinnen über ein „toxisches Umfeld“ geklagt hatten. Ein neues Leitungsgremium in der NWSL und eine unabhängige Untersuchung sollen die Vorwürfe aufklären und die Liga stabilisieren.

„Beschlossen, Schweigen zu brechen“

Die Vorwürfe in Venezuela gehen gegen Kenneth Zseremeta. Der 55-Jährige hatte verschiedene Auswahlteams gecoacht, ehe er 2017 entlassen wurde. Atletico-Madrid-Starspielerin Deyna Castellanos veröffentlichte den Brief in sozialen Netzwerken. Die Spielerinnen erklärten, sie hätten „beschlossen, ihr Schweigen zu brechen, um Situationen des Missbrauchs und der Belästigung – physisch, psychisch und sexuell – zukünftig zu vermeiden.“

Zseremeta trainiert inzwischen in seiner Heimat Panama Frauen-Mannschaften, er äußerte sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Der Präsident des Venezolanischen Fußballverbandes (FVF), Jorge Gimenez, sagte in einer Mitteilung: „Wir setzen uns für die Integrität des Sports ein und sind bereit, die Rechte unserer Spielerinnen durchzusetzen. Es ist an der Zeit, für Respekt und Fairness zu kämpfen.“

Die venezolanische Staatsanwaltschaft ordnete die Einleitung von Ermittlungen an. „Der Staatsanwalt 79 ist mit voller Zuständigkeit beauftragt, den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch zu untersuchen, den Kenneth Zseremeta zusammen mit Williams Pino zum Nachteil von Spielerinnen der Frauen-Nationalmannschaft begangen hat“, schrieb Venezuelas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab auf Twitter.