Tobias Schützenauer, David Affengruber und Jörg Siebenhandl (Sturm)
GEPA/Chris Bauer
Europa League

Sturms „Investition“ geht wieder ins Leere

Bei Sturm Graz waren auch nach dem dritten Auftritt in der UEFA Europa League nach dem Schlusspfiff lange Gesichter zu sehen. Am längsten war am Donnerstag jenes von Torhüter Jörg Siebenhandl, der Real Sociedad mit einem schweren Schnitzer beim 1:0-Erfolg in der Grazer Merkur Arena mehr als nur unter die Arme griff. Trainer Christian Ilzer wollte jedoch von einem Sündenbock in seiner Mannschaft nichts wissen. Trotzdem saß der Schmerz beim 44-Jährigen tief: „Wir haben unglaublich viel investiert und hätten uns heute diesen Punkt verdient gehabt.“

Der Großteil der 14.809 Besucher in der Grazer Merkur Arena hätten die Analyse Ilzers nach der knappen Niederlage gegen den spanischen Tabellenführer unterschrieben: Besser präsentierte sich Sturm in der laufenden Europa League bisher noch nie. „Definitiv. Wir haben einen großen Fight geliefert“, sagte der Steirer, dem ein Punkt zum 44. Geburtstag nicht vergönnt gewesen war. Im ersten Spiel gegen Monaco (0:1) waren seine Spieler noch „zögerlich aufgetreten“, so der Trainer, diesmal habe „eine der besten Mannschaften bei Ballbesitz keine Lösungen gefunden. Das gibt uns Stärke.“

Offensiv sah Ilzer trotz der Niederlage ebenfalls einen Schritt in die richtige Richtung. „Auch fußballerisch haben wir die eine oder andere starke Aktion gezeigt“, sagte der 44-Jährige. Wirklich zwingende Chancen waren aber nicht dabei. Ein eher harmloser Kopfball von Gregory Wüthrich (32.) neben das Tor und ein zu zentraler Schuss von Stefan Hierländer, der entgegen der ursprünglichen Pläne doch eingewechselt werden musste, fielen als einzige Versuche in die Kategorie Tormöglichkeiten. „Letztendlich hat uns aber die Durchschlagskraft gefehlt. Aber wie wir uns entwickeln und wie wir uns präsentiert haben, war schon sehr stark.“

Sturm bleibt weiter punktelos

Auch im dritten Spiel der aktuellen Europa-League-Saison kann Strum Graz nicht anschreiben. Gegen Real Sociedad setzt es eine 0:1-Niederlage.

Trotzdem gestand der Sturm-Trainer auch ein, dass seine Mannschaft nur in der ersten Hälfte „auf Augenhöhe“ agiert hatte, auch wenn schon in den ersten 45 Minuten die Chancen der Basken von der Qualität her prozentuell höher anzusiedeln waren als jene von Sturm. Hätte sich David Affengruber nicht ohne Rücksicht auf Verluste in einen Schuss von David Silva geworfen, wäre es bereits nach fünf Minuten 1:0 für Sociedad gestanden. Nach der Pause konnte Sturm meist nur reagieren – und hatte etwa bei einem Stangenschuss von Mikel Merino kurz nach Wiederbeginn Riesenglück (48.): „Insgesamt war Sociedad natürlich der verdiente Sieger, sie hatten ein absolutes Chancenplus.“

Siebenhandl entschuldigt sich

Doch das Chancenplus hätte dem zweifachen spanischen Meister aus San Sebastian beinahe nichts genutzt. Was auch an Sturm-Goalie Siebenhandl lag, der 69 Minuten lang ein sicherer Rückhalt war. Doch ausgerechnet er schoss einen jener Böcke, vor denen sich jeder Torhüter fürchtet. Ein harmloser Roller, der dem Schützen Alexander Isak wohl selbst etwas peinlich war, rutschte Siebenhandl durch die Beine. Dass die Kugel leicht abgefälscht war, taugte nicht zur Entschuldigung.

„Das ist extrem bitter. Das sind Situationen, die einem Torhüter wehtun. Mir tun die Jungs leid, deren Einsatz ich damit zerstört habe. Da hilft nicht, dass ich vorher gut gehalten haben“, entschuldigte sich Siebenhandl. Von einem mentalen Knacks wollte der 31-Jährige aber nichts wissen: „Ich spiele lange genug Fußball und weiß, man muss weitermachen, um da wieder rauszukommen. Wir haben alles gegeben, das stimmt mich positiv für die weiteren Spiele.“

Julen Lobete (Real Sociedad) und Jörg Siebenhandl (Sturm)
GEPA/Hans Oberlaender
Bis zu seinem schweren Schnitzer zog Siebenhandl den Gästen aus dem Baskenland noch den Nerv

Auch Trainer Ilzer stärkte seinem Goalie demonstrativ den Rücken. Siebenhandl hätte Sturm schon mehr Punkte gewonnen als verloren, meinte der Steirer: „Er hat auch die Routine und die mentale Kraft, um so etwas wegzustecken. Wir wissen, dass das sein Tor war, aber er wird das sicher für sich ganz schnell aufarbeiten. Er hat es auch in der Partie sofort weggesteckt und war gleich wieder voll im Spiel. Das zeigt, dass er ein Klassetormann ist.“ Das Thema sei damit auch erledigt, so der Sturm-Trainer.

Personalsorgen werden größer

Viel schwerer als Siebenhandls Patzer lag Ilzer der personelle Preis, den der Einsatz gegen Sociedad gekostet hatte, im Magen. So hatte bei der Entstehung des Gegentreffers, für die die Bezeichnung „Verkettung unglücklicher Umstände“ schwer untertrieben gewesen wäre, Jusuf Gazibegovic einen Schlag gegen sein Knie erhalten, bei dem der Sturm-Coach gerne einen Piff des Schiedsrichters gehört hätte. Stattdessen hat Ilzer einen verletzten Spieler mehr. Bei Gazibegovic besteht der Verdacht auf eine gröbere Knieverletzung.

Jusuf Gazibegovic (Sturm)
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Der Bosnier Gazibegovic musste nach einem Schlag gegen sein Knie unmittelbar nach dem Tor ausgewechselt werden

Bereits nach rund einer halben Stunde hatte der Grazer Coach Alexander Prass ersetzen müssen. Der U21-Spieler musste mit Verdacht auf eine Muskelverletzung noch vor der Pause ausgetauscht werden. Für ihn kam unaufgewärmt der ebenfalls am Knie angeschlagene Stefan Hierländer ins Spiel. Der Blick auf die Verletztenliste trieb Ilzer sichtlich die Sorgenfalten auf die Stirn. „Natürlich kostet das extrem an Substanz. Ausfälle wie Gazibegovic oder Prass nehmen uns die Möglichkeit zu rotieren“, sagte der Sturm-Coach, der außerdem mit Otar Kiteischwili bereits einen Stammspieler vorgeben muss.

Speziell im Hinblick auf die kommenden Aufgaben – allen voran der Meisterschaftsschlager am Sonntag (17.00 Uhr) bei Spitzenreiter Salzburg – ist nun guter Rat teuer. „Wir müssen vielleicht auch eine Position neu entwickeln, sprich einen Spieler, den wir bisher nicht so auf dem Radar hatten, auf eine neue Position schieben, wo er vielleicht über sich hinauswächst“, sagte Ilzer und verwies als Beispiel auf Anderson Niangbo, der aus einem Notnagel zum offensiven Leistungsträger wurde.