Der spanische Tennisspieler Rafael Nadal.
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Sportpsychologie

Nadals Aufschlagritual hat Sinn

Hose, Leiberl, Leiberl, Nase, Ohr, Nase, Ohr – Rafael Nadals Rituale vor seinem Aufschlag sind legendär. Viele Sportlerinnen und Sportler haben solche, vielleicht nicht ganz so aufwendige, Vorbereitungsroutinen, und diese lassen sowohl Hobby- als auch Spitzenathleten besser abschneiden. Das zeigt eine im Fachjournal „International Review of Sport and Exercise Psychology“ veröffentlichte Metastudie von Wiener Psychologen, die darin 33 Arbeiten zu dem Thema ausgewertet haben.

Die Wissenschaftler nennen eine solche Routine vor einem Schuss, Start, Wurf oder Aufschlag „Pre-Performance-Routine“ (PPR). Dabei handelt es sich um verschiedene aufgabenrelevante Gedanken und Handlungen, die Sportler vor einer Herausforderung systematisch durchführen. Der US-Basketballspieler Michael Jordan etwa drehte vor jedem Freiwurf den Ball in seinen Händen, ließ ihn dreimal aufspringen, drehte ihn erneut und fixierte den Korb, bevor er loslegte.

Um herauszufinden, welche PPRs effektiv sind, welche Arten davon am besten funktionieren und wer am meisten davon profitiert, haben Anton Rupprecht und Ulrich Tran von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien sowie der Sportpsychologe Peter Gröpel vom Institut für Sportwissenschaft der Uni Wien zahlreiche vorhandene Studien zusammengefasst und ausgewertet.

US Basketball Legende Michael Jordan.
AP/Tom DiPace
Michael Jordan versenkte während seiner Karriere in der regulären Saison 83,5 Prozent seiner Freiwürfe

„Wir hatten damit Daten von 15 verschiedenen Sportarten wie Basketball, Golf, Fußball, Tennis, Bowling, Sportschießen, Volleyball, Gewichtheben oder Taekwondo und von 800 Athletinnen und Athleten über verschiedene Leistungsniveaus hinweg“, erklärte Gröpel gegenüber der APA. Bei den ausgewerteten Teamsportarten betraf das immer PPR vor individuellen Aufgaben der Spieler, also beispielsweise Elfmeter im Fußball und Freiwurf im Basketball. Solche Routinen „können die Konzentration steigern und helfen dabei, sich in einen für die Leistungsfähigkeit optimalen mentalen Zustand zu versetzen.“

Deutlich verbesserte Leistung

Die Analyse zeigte, dass Sportler, die diese Technik anwandten, ihre Leistung deutlich verbesserten und Athleten übertrafen, die sich nicht so vorbereiteten. Dabei wurden die positiven Effekte sowohl bei Laboraufgaben als auch in Wettkämpfen sowie in Situationen mit und ohne Leistungsdruck beobachtet. Zudem nutzten sie unabhängig von Alter, Geschlecht und Leistungsklasse der Sportler. „Routinen funktionieren für die meisten Sport treibenden Menschen“, so der Sportpsychologe.

Die Wissenschaftler zeigten auch, dass die Anwendung einer PPR „die Leistung verbessert, egal wie einfach oder komplex die Routine ist“. Es sei bei jeder sportlichen Aufgabe von Vorteil, die ein paar Sekunden Vorbereitungszeit ermöglicht. Der Fall ist das etwa beim Putten im Golf, vor dem Elfmeterschuss und beim Aufschlag im Tennis. So hat etwa auch Dominic Thiem vor dem Service seinen eigenen Ablauf. Der US-Open-Sieger trifft den Ball zuerst mit dem Schlägerrahmen, lässt diesen dann über den Handrücken laufen, ehe er aufschlägt.

Der österreichische Tennisspieler Dominic Thiem.
Reuters/USA TODAY Sports/Jayne Kamin-Oncea
Österreichs Tennis-Ass Dominic Thiem pflegt vor dem Service auch sein eigenes Vorbereitungsritual

Auch Hobbysportler können profitieren

Aber auch Anfänger könnten beim Erlernen komplexer motorischer Aufgaben von derartigen Routinen profitieren, und Hobbysportler könnten sich von den PPR von Wettkampfathleten inspirieren lassen. Bei Spitzensportlern müsse man manchmal Routinen optimieren, wenn sie nicht konsistent genug seien, sagte Gröpel, etwa wenn ein Sportschütze eine unregelmäßige Zahl an Atemzügen vor den Schüssen macht, „denn wenn sie immer drei tiefe Atemzüge machen, schießen sie im gleichen Tempo und können sich dadurch schnell in diesen Autopilotmodus versetzen“.

Nadals Herumgezupfe am Leiberl und Berührungen am Kopf vor dem Aufschlag sieht Gröpel übrigens eher als „Ritual“ denn als Routine. „Die Elemente einer Routine haben einen Sinn. So macht etwa das langsame Atmen in Drucksituationen auch physiologisch entspannter oder ein motivierendes Selbstgespräch vor dem Wettkampf selbstbewusster“, so Gröpel. Die Rituale seien dagegen eher Aberglaube, würden aber dennoch vielen Sportlern helfen.