Die Skyline von Doha
AP/Jiro Mochizuki
Formel 1

Katar gibt umstrittenes Debüt

Den Schauplatz des nächsten Formel-1-Titelduells kennt Max Verstappen nur vom Bildschirm. „Ich bin ein bisschen im Rennsimulator gefahren, um die Kurven zu kennen. Aber es wird schön, es endlich real zu sehen“, sagte der WM-Spitzenreiter vor der Rennpremiere in Katar. Am Sonntag (15.00 Uhr) findet im Gastgeberland der Fußball-WM 2022 erstmals ein Grand Prix der Motorsport-Königsklasse statt – ein umstrittenes Debüt.

Dass keiner der Formel-1-Stars je auf dem Kurs seine Runden gedreht hat, sorgt beim drittletzten Saisonrennen für noch mehr Spannung im längst vergifteten Zweikampf zwischen Red-Bull-Pilot Verstappen und Titelverteidiger Lewis Hamilton. Es ist das 20. von 22 Saisonrennen, und Verstappen führt vor der drittletzten Etappe 14 Punkte vor Hamilton.

Die Vorfreude auf den nächsten Schlagabtausch ist aber getrübt. Katar, das kleine Land auf einer Halbinsel am Persischen Golf, steht seit Jahren aufgrund der Missachtung von Menschenrechten und der Ausbeutung von Arbeitsmigranten international heftig in der Kritik.

Hamilton sagte dazu: „Es ist schwer, darüber zu sprechen. Als Fahrer haben wir nicht die Wahl, wo wir fahren. Sie machen hier Schritte nach vorne, aber das wird sich nicht über Nacht verbessern. Es gibt immer noch einen langen Weg zu gehen.“

„Bahnbrechender Langzeitdeal“

Längst wird den Machthabern vorgeworfen, durch ein umfangreiches Engagement im Profisport zu versuchen, das ramponierte Image aufzubessern. Die Formel 1 kommt da gerade recht, der Grand Prix findet am 21. November und damit auf den Tag genau ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM statt. In diesem Jahr springen die Veranstalter aufgrund der angespannten Coronavirus-Lage für Australien ein, ein Zehnjahresvertrag ab 2023 ist schon fixiert.

Einen „bahnbrechenden Langzeitdeal“ nennt das Abdulrahman al-Mannai, der Präsident von Katars Motorsportverband. Wer sich vom Flughafen durch Doha auf den Weg in den Norden zum Losail International Circuit macht, fährt an gleich mehreren WM-Stadien vorbei. Mit riesigen Plakaten wird an der Stadtautobahn geworben. Unter 2-G-Bedingungen soll es nördlich von Doha volle Tribünen geben.

Kein Maulkorb für die Fahrer

Seit 2004 macht in Losail schon die Motorrad- sowie Superbike-WM Station. Nun folgt die wichtigste Serie im Motorsport in das reiche Emirat. Katar und die Formel 1 – das gehört aus seiner Sicht zusammen.

Der mächtige Entscheider hatte zudem bereits gesagt, dass es keinen Maulkorb für die Fahrer geben werde, jeder von ihnen könnte frei seine Meinung „auch zu strittigen Themen sagen“, betonte er.

Abdulrahman Al Mannai bei einer Pressekonferenz.
Reuters/Ibraheem Al Omari
Katars Motorsportverbandspräsident Abdulrahman al-Mannai hat ein offenes Ohr – auch für Kritik der Fahrer

Am Donnerstag wird sich bei den offiziellen Medienrunden vor dem Wochenende zeigen, wer das tatsächlich nutzt. Vor allem Mercedes-Star Hamilton und der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel halten sich bei Themen wie Diskriminierung, Unterdrückung und anderen Missständen nicht zurück. „Ich denke nicht, dass wir in diese Länder gehen und ignorieren sollten, was dort passiert“, hatte der Brite Hamilton im Frühjahr beim Großen Preis von Bahrain gesagt.

Die Regierung Katars wies Kritik wiederholt zurück und verwies auf Reformen für die Arbeiter. In den vergangenen zehn Jahren habe man mehr als jedes andere Land getan, um die Bedingungen für ausländische Arbeiter zu verbessern, hieß es von offizieller Seite.

Domenicali: Länder auszuschließen wäre falsch

Die Formel 1 ist überzeugt davon, mit dem Gang nach Katar das Richtige zu tun. Geschäftsführer Stefano Domenicali sagte der BBC, dass er überzeugt davon sei, dass es falsch wäre, diese Länder auszuschließen. Man könne vielmehr für Verbesserungen sorgen, wenn man das Rampenlicht auf Katar und Co. richte. In den Abmachungen mit den Veranstaltern wurde laut dem Italiener zudem auch extra hinterlegt, dass Menschenrechte in allen Aspekten ihrer Verbindung mit dem Sport respektiert werden müssen. Sollte das nicht der Fall sein, kann die Formel 1 die Verträge einseitig kündigen.

Stefano Domenicali bei einer Pressekonferenz.
Reuters/Ibraheem Al Omari
F1-Geschäftsführer Stefano Domenicali verteidigt den Gang nach Katar

Längst sind die WM-Läufe auf der arabischen Halbinsel mehr als eine Notlösung. Nun finden sogar erstmals saisonübergreifend gleich fünf Rennen nacheinander in der Region statt. Von Katar geht es weiter zur nächsten Premiere nach Dschidda in Saudi-Arabien und anschließend zum Saisonfinale in die Glitzerwelt Abu Dhabis. Kommendes Jahr steigt der Auftakt wieder in Bahrain, ehe es nach Saudi-Arabien geht.

„Mittlerer Osten guter Ort für Rennen“

„Der Mittlere Osten ist ein guter Ort für Rennen“, sagte Haas-Teamchef Günther Steiner. „Diese Länder sind aufstrebend und stecken viel Mühe rein, diese Events zu veranstalten.“ Außerdem sei es noch „warm, wenn es in Europa kalt wird“, sagte der Südtiroler. „Wenn die Leute einen Urlaub planen, ist es ein guter Ort, um dort hinzureisen.“

Das sehen längst nicht alle so. Vor allem nicht die Betreiber von Strecken in Europa. Amnesty International wiederum appellierte: „Die Fahrer und ihre Teams sollten bereit sein, im Vorfeld dieses Rennens auf die Menschenrechte in Katar aufmerksam zu machen.“