Die beinahe WM-entscheidende Szene passierte zwölf Runden vor Schluss. Verstappen hatte sich davor durch Abkürzen einen unlauteren Vorteil verschafft und sollte Hamilton vorbeilassen. Dabei kam der Brite mit seinem Mercedes so knapp an das Heck des Niederländers, dass er bei Verstappens „Bremstest“ seinen Frontflügel beschädigte.
Trotzdem schaffte es der siebenfache Weltmeister wieder an Verstappen vorbei und sicherte sich am Ende seinen 103. GP-Sieg, der ihm nun doch noch die Chance auf den WM-Titel gibt. „Großartiger Job, Burschen, so mag ich das“, ließ der 36-Jährige wissen.
Strafe ohne Auswirkung
Die Rennleitung bestimmte nach Anhörung der beiden Fahrer Verstappen als Hauptverursacher der Kollision, er fasste dafür eine zehnsekündige Zeitstrafe aus. Die Stewards beurteilten das Verhalten des Niederländers bei dem Vorfall am Sonntag als „unberechenbar“. Auf das Ergebnis hatte die Strafe aber keine Auswirkung, da Verstappens Vorsprung auf den Dritten Bottas groß genug war.
Vor der Entscheidung am kommenden Sonntag (14.00 Uhr MEZ, live in ORF2) in Abu Dhabi halten beide Piloten bei 369,5 Punkten. Der nach Österreich schon 32 Punkte voranliegende Verstappen hat allerdings einen Sieg mehr vorzuweisen. Scheiden dort beide aus, würde der Niederländer erstmals Weltmeister werden.
„Das war unglaublich hart“
„Ich fahre schon recht lange, aber das war unglaublich hart“, betonte Hamilton: „Ich habe mit meiner ganzen Erfahrung versucht, das Auto auf der Strecke zu halten“, sagte der siebenfache Weltmeister. Zur Szene des Tages meinte er: „Ich habe nicht verstanden, warum er plötzlich so hart auf die Bremse gestiegen ist. Ich habe versucht, so hart und vernünftig wie möglich zu sein, mit all meiner Erfahrung.“
Verstappen sagte: „Ich weiß nicht, warum er nicht vorbeigefahren ist.“ Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko meinte, beweisen zu können, dass sein Fahrer nicht abrupt gebremst hatte. „Lewis hat sich einfach verschätzt“, war der Steirer überzeugt. „Für mich ist das nicht die Formel 1. Es ist heute nur um Strafen und nicht ums Racing gegangen“, ärgerte sich Verstappen. „Es ist unglaublich, was heute passiert ist“, sagte der 24-Jährige nach dem Premierenrennen in Dschidda, das viele Crashs, Safety-Car-Phasen und Unterbrechungen brachte.
Nach einem noch ruhigen Beginn mit Hamilton an der Spitze löste ein Crash von Mick Schumacher die chaotische Spirale aus. Das Safety-Car musste raus, Mercedes holte beide Autos zum Reifenwechsel herein. Verstappen blieb draußen und übernahm die Führung vor Hamilton und Bottas. Die riskante Taktik schien sich zu lohnen. Es dauerte zu lange, um das Haas-Wrack zu bergen, das Rennen wurde unterbrochen.
Hamilton funkte: „Heißt das, er kann Reifen wechseln?“ Die Mercedes-Box antwortete: „Leider, Lewis, ist das so.“ Vorteil Verstappen also. „Wir haben zu sehr gezockt“, ärgerte sich Hamilton. 16 Minuten nach dem Abbruch rollten die Wagen wieder los zum stehenden Start: Hamilton kam von Platz zwei besser weg, zog vor Verstappen in die Kurve, der verließ die Strecke, um die Attacke erfolgreich zu kontern – ein Regelverstoß, weil sich Verstappen einen Vorteil verschaffte.
Wieder Unterbrechung nach Neustart
Hamilton musste sogar so bremsen, dass auch noch Esteban Ocon vorbeikam. Zeit genug, sich die Bilder anzuschauen, gab es direkt danach: Hinten krachte es, unter anderem schied Schumachers Kollege Nikita Mazepin aus, auch Sergio Perez im zweiten Red Bull.
Danach gab es einen Funkverkehr der selteneren Art zwischen Rennleitung, Red Bull und Mercedes. Auf eine Untersuchung des Vorfalls und eine vermutliche Fünfsekundenstrafe würde verzichtet, wenn Verstappen Ocon und Hamilton vorbeilassen würde. Das machten Verstappen und Red Bull, zogen aber schnellere Reifen auf.
Wolff wutenbrannt nach Verstappen-Manöver
Dritter Start beim vorletzten Rennen: Und die Reifenrechnung ging auf. Verstappen zeigte, dass er das Risiko auch in so einem entscheidenden Rennen nicht scheut, er kam am besten weg und schoss innen an Hamilton vorbei bis auf Platz eins. Doch Hamilton machte Druck.
Und es eskalierte. Mercedes-Teamchef Toto Wolff knallte seine Kopfhörer wutentbrannt auf den Tisch, denn Verstappen hatte offensichtlich Gas weggenommen, als Hamilton erneut vorbeiziehen wollte – der Brite touchierte den Hinterreifen des Red Bull. Sein Team hatte Verstappen gesagt, er solle die Position zurückgeben.
Nach den Crashs in Silverstone und Monza erreichte das Duell eine neue Dimension. Verstappen ließ Hamilton zwar wieder vorbei, attackierte aber direkt wieder. Die Rennleitung hatte genug: Er bekam eine Fünfsekundenstrafe. Am Ende fuhr Hamilton als Erster durchs Ziel, Verstappen musste sich mit Rang zwei begnügen.