Formel 1

Verstappen setzt sich WM-Krone auf

Der Weltmeister der Formel 1 heißt erstmals Max Verstappen. Der niederländische Red-Bull-Star holte sich am Sonntag in einem denkwürdigen Finale vor Lewis Hamilton den Sieg beim Grand Prix von Abu Dhabi und damit zum ersten Mal die WM-Krone. Verstappen nutzte die Gunst der Stunde einer Safety-Car-Phase und eines folgenden fliegenden Starts kurz vor Schluss und fing den führenden Hamilton noch ab. Der folgende Einspruch von Mercedes gegen das Ergebnis wurde abgelehnt.

Die letztlich entscheidende Szene passierte fünf Runden vor Schluss. Nach einem Unfall des Kanadiers Nicolas Lafiti musste bei klarer Führung von Hamilton das Safety Car auf die Strecke. Nach längerer Diskussion entschied sich die Rennleitung zum Schrecken der Mercedes-Box dafür, das Rennen doch noch für eine Runde freizugeben. Der Zweitplatzierte Verstappen nutzte seine letzte Chance und schob sich doch noch an Hamilton vorbei. Carlos Sainz im Ferrari wurde Dritter.

Rennausgang und WM-Entscheidung waren zunächst nur inoffiziell, denn Mercedes erhob fristgerecht innerhalb von 30 Minuten gleich mehrere formelle Einsprüche. Ein angeblich inkorrektes Überholmanöver von Verstappen wurde ebenso beanstandet, wie auch insgesamt gegen den Rennausgang Einspruch eingelegt wurde, weil das Safety Car in der gleichen Runde, in der das Rennen freigegeben wurde, entgegen dem Reglement in die Box gekommen war. Beide Einsprüche wurden von den Stewards abgelehnt.

Mit seinem zehnten Saisonsieg holte Verstappen nicht nur erstmals den WM-Titel in die Niederlande, sondern verhinderte auch den achten für Hamilton, der sich damit zum alleinigen Rekordweltmeister aufgeschwungen hätte. Für Red Bull war es der erste Titel seit jenem von Sebastian Vettel 2013. Danach hatte Mercedes das Geschehen dominiert. In der Endabrechnung der WM-Wertung hatte Verstappen – der im letzten Rennen auch die schnellste Runde erzielte – mit seinem zehnten Saisonsieg acht Punkte Vorsprung auf Hamilton, nachdem beide Kontrahenten punktegleich in den Showdown gegangen waren. Mercedes durfte sich mit dem Titel bei den Konstrukteuren trösten.

Traum geht in Erfüllung

„Oh mein Gott, es musste ein Wunder passieren, damit dieser Titel kommt", brüllte Verstappen in den Boxenfunk, nachdem ihn Teamchef Christian Horner mit den Worten „Du bist Weltmeister!“ über die Ziellinie getragen hatte. Beim Siegerinterview hielt der 24-Jährige seine Emotionen auch nicht zurück. „Es ist unglaublich. Als Kind habe ich davon geträumt, dass einmal die Hymne für mich gespielt wird. Dass ich hier stehe und Weltmeister bin, bedeutet mir die Welt“, sagte Verstappen und bedankte sich bei seiner Familie und den Freunden.

Formel-1-Pilot Max Verstappen
Reuters/Kamran Jebreili
Der Moment des Triumphes: Verstappen sieht als neuer Weltmeister die Zielflagge von Abu Dhabi

Für Verstappen setzte sich auch das Vogerl Glück im entscheidenden Moment auf seine Schultern. „Es ist unglaublich. Ich habe das ganze Rennen gekämpft und hatte in der letzten Runde noch eine Chance. Es ist unglaublich, es ist verrückt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagte der neue Weltmeister. Ein großer Dank galt seinem Team: „Mein Team weiß, dass ich es liebe. Ich hoffe, wir können das noch für zehn oder 15 Jahre zusammen machen. Es gibt für mich keinen Grund zu wechseln. Ich möchte für den Rest meines Lebens bei ihnen bleiben, und ich hoffe, sie lassen mich.“

Hamilton war trotz der aus seiner Sicht unglücklichen Entscheidung der erste Gratulant bei Verstappen und zeigte mit einer Umarmung für seinen Nachfolger als Champion, trotz der vergifteten Stimmung in der jüngeren Vergangenheit, Größe. „Gratulation an Max und sein Team. Auch wir haben das ganze Jahr hart gearbeitet, in der schwierigsten Saison aller Zeiten. Ich bin richtig stolz. Ich habe alles gegeben heute und niemals aufgegeben. Ich werde nächste Saison zurückkommen“, sagte Hamilton.

WM-Sieger Max Verstappen gratuliert seinem Konkurrenten Lewis Hamilton (Mercedes)
APA/AFP/Andrej Isakovic
Hamilton (l.) gratulierte trotz der umstrittenen Entscheidung Verstappen zum Sieg

Diskussionen nach erster Runde

Dabei hatte das Rennen so gar nicht nach Verstappens Geschmack begonnen. Denn Hamilton erwischte einen Traumstart und ließ den niederländischen Pole-Mann hinter sich. Unmittelbar danach gab es in Kurve sechs die erste viel diskutierte Szene. Denn dort setzte Verstappen die Gegenattacke und schob sich vermeintlich am Mercedes-Star vorbei. Dabei berührte jedoch der Hinterreifen des Red Bull Hamiltons Boliden und warf den Briten etwas aus der Bahn. Hamilton fuhr jedoch weiter, mehr noch, der 36-Jährige kürzte die Strecke etwas ab und kam in der Folge klar vor Verstappen auf die Strecke zurück.

Denkwürdige erste Runde

Der britische Mercedes-Star ließ Pole-Setter Verstappen mit einem perfekten Start hinter sich, auch beim Gegenangriff des Niederländers hatte Hamilton das bessere Ende für sich.

Obwohl viele neutrale Beobachter und vor allem die Red-Bull-Box mit einer Anordnung der Rennleitung an Hamilton, sich hinter Verstappen zurückfallen zu lassen, rechneten, passierte genau das Gegenteil. Die Stewards verzichteten auf eine Untersuchung des Vorfalls, da aus ihrer Sicht Hamilton nichts falsch gemacht hatte, sondern im Gegenteil sogar versucht hatte, einen Crash zu verhindern. Eine Entscheidung, die vor allem bei Verstappen auf wenig Gegenliebe stieß: „Das ist unglaublich, was machen die denn da“, fluchte der 24-Jährige in den Boxenfunk.

Schützenhilfe von Perez

In der 15. Runde wechselte Verstappen schließlich seine roten Soft-Reifen, mit denen er aufgrund eines Malheurs im Qualifying hatte starten müssen, gegen harte Pneus um. Eine Runde später tauschte auch Hamilton die Reifen. Damit kämpften beide Piloten mit gleichen Waffen. Allerdings blieben jene des Niederländers im Vergleich zu seinem britischen Konkurrenten stumpf. Denn Verstappen konnte sich nicht näher an Hamilton heranschieben.

In der 20. Runde erhielt er jedoch Hilfe in Form seines Stallgefährten Sergio Perez. Denn der Mexikaner verteidigte nicht nur seine zwischenzeitliche Führung gegenüber Hamilton mit allen erlaubten Mitteln, sondern hielt, ganz den Anweisungen seiner Box folgend, den Titelverteidiger auch gehörig auf. Verstappen konnte so zu Hamilton wieder aufschließen. Während sich der Mercedes-Star sich über eine „gefährliche Fahrweise“ beschwerte, schickte Verstappen großes Lob an seinen Teamkollegen über den Äther. „Checo ist eine Legende“, jubelte der Niederländer.

Safety Car dreht Ergebnis um

Verstappen konnte allerdings den knappen Rückstand auf seinen Widersacher nicht halten, sondern verlor im Gegenteil wieder an Boden. In der 36. Runde kam erstmals kurz Spannung auf. Denn Antonio Giovanazzi musste seinen Alfa Romeo am Streckenrand abstellen und zwang die Rennleitung damit zur Aktivierung des virtuellen Safety Cars. Während Red Bull Verstappen einen neuen Reifensatz verpasste, riskierte die Mercedes-Box und ließ Hamilton mit den gebrauchten Reifen auf der Strecke.

Bis fünf Runden vor Schluss sah es auch so aus, als würde sich das Risiko bezahlt machen. Doch der Crash von Latifi fünf Runden vor Schluss entriss Hamilton letztlich noch die WM-Krone. Denn Rennleiter Michael Masi entschied sich zum Entsetzen der Silberpfeile dazu, das Rennen noch für eine Runde freizugeben, wohl auch, um die Entscheidung um den Titel nicht dem Safety Car zu überlassen. Verstappen sagte Danke und nutzte die Gunst der Stunde zu seinem historischen Triumph.

Räikkönens Abschied in der Box

Im Schatten des WM-Showdowns ging die große Karriere von Kimi Räikkönen unspektakulär zu Ende. Der Finne musste seinen Alfa Romeo mit Bremsproblemen nach 28 Runden in der Box parken. Der 42-Jährige verabschiedete sich mit 349 Grand-Prix-Starts, 21 Siegen, 18 Polepositions und am wichtigsten einem Titel in die Formel-1-Pension. Räikkönens Titel 2007 ist bis dato der letzte für Ferrari. „Ich bin glücklich, dass es jetzt vorbei ist und schaue nach vorne. Aber die 20 Jahre sind schnell vergangen“, sagte Räikkönen in seinem vorläufig letzten ORF-Interview.

Grand Prix in Abu Dhabi

Endstand nach 58 Runden (306,2 km):
1. Max Verstappen NED Red Bull 1:30:17,345
2. Lewis Hamilton GBR Mercedes + 2,256
3. Carlos Sainz ESP Ferrari 5,173
4. Yuki Tsunoda JPN Alpha Tauri 5,692
5. Pierre Gasly FRA Alpha Tauri 6,531
6. Valtteri Bottas FIN Mercedes 7,463
7. Lando Norris GBR McLaren 59,200
8. Fernando Alonso ESP Alpine 1:01,708
9. Esteban Ocon FRA Alpine 1:04,026
10. Charles Leclerc MON Ferrari 1:06,057
11. Sebastian Vettel GER Aston Martin 1:07,527
12. Daniel Ricciardo AUS McLaren 1 Runde
13. Lance Stroll CAN Aston Martin 1 Runde
14. Mick Schumacher GER Haas 1 Runde

Out: Sergio Perez (MEX/Red Bull), Kimi Räikkönen (FIN/Alfa Romeo), Antonio Giovinazzi (ITA/Alfa Romeo), George Russell (GBR/Williams), Nicolas Latifi (CAN/Williams)

Nicht am Start: Nikita Mazepin (RUS/Haas) wegen CoV-Quarantäne

Schnellste Runde: Verstappen (1:26,103)