New England Patriots gegen die Buffalo Bills
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NFL

Brennpunkte eines „wilden“ Play-off-Starts

Am Wochenende biegt die 102. Saison der National Football League (NFL) in ihre Zielgerade ein. Mit sechs Partien von Samstag bis Montag macht die Wildcard-Runde zum Auftakt des Play-offs ihrem Namen alle Ehre. Der möglicherweise letzte Tanz eines Superstars und der hohe Wiedererkennungswert bei fünf von sechs Duellen sind neben der allgegenwärtigen Pandemie Brennpunkte eines „wilden“ Starts in die K.-o.-Runde.

Das kommende Play-off, das in der 56. Ausgabe der Super Bowl am 13. Februar in Los Angeles gipfelt, ist das erste der NFL-Geschichte, das nach einem Grunddurchgang mit 17 Spielen pro Team ermittelt wurde. Das Format mit insgesamt 14 Teilnehmern gab es schon im vergangenen Jahr. Daher haben auch heuer nur zwei Teams ein Freilos: In der National Football Conference (NFC) holten sich die Green Bay Packers mit einer Bilanz von 13 Siegen und vier Niederlagen die „Bye week“ und das Heimrecht bis zur Super Bowl, in der American Football Conference (AFC) waren die Tennessee Titans (12:5) die Nummer eins.

In der Wildcard-Runde dürfen sich die Fans auf einige Schmankerl freuen. Am Samstag stehen die Duelle Cincinnati Bengals gegen Las Vegas Raiders sowie Buffalo Bills gegen die New England Patriots auf dem Programm. Am Sonntag folgen Titelverteidiger Tampa Bay Buccaneers gegen die Philadelphia Eagles sowie die Schlager Dallas Cowboys – San Francisco 49ers und Kansas City Chiefs – Pittsburgh Steelers. Zum Abschluss folgt am Montag im SoFi Stadium, dem Schauplatz der Super Bowl, das Duell zwischen den Los Angeles Rams und den Arizona Cardinals.

Wiedersehen macht Freude

Das Gipfeltreffen zwischen den Rams und den Cardinals steht stellvertretend für das Motto der Wildcard-Runde. Denn außer der Partie zwischen den Cowboys und 49ers – eine Paarung, die vor allem in den 1990er Jahren die Liga in Atem hielt – gab es jedes Wildcard-Duell bereits im Grunddurchgang zumindest einmal. Rams und Cardinals sowie Buffalo und New England spielten als Divisionsrivalen sogar zweimal gegeneinander. Interessantes Detail: Im Grunddurchgang setzte sich da wie dort jeweils die Auswärtsmannschaft durch.

Matthew Stafford gegen die Arizona Cardinals
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Matthew Stafford (l.) und die Rams hoffen diesmal auf einen Heimsieg gegen die Cardinals

Auch Titelverteidiger Tampa Bay sammelte Mitte Oktober bereits Erfahrungswerte gegen die Eagles, damals allerdings in Philadelphia. Trotzdem wurde die Partie von den Buccaneers mit 28:22 gewonnen. Ein gutes Omen sollte auch das erste Aufeinandertreffen mit den Raiders für die Cincinnati Bengals werden. Ende November setzten sich Joe Burrow und Co. in Las Vegas mit 32:12 durch. Im Play-off hat man jetzt zudem Heimrecht. Ähnliches gilt für Kansas City. Erst vor drei Wochen hatten die Chiefs die Steelers zu Gast und schickten diese mit einer 36:10-Packung zurück nach Pittsburgh.

„Big Bens“ letzter Tanz?

Dass die Steelers im Play-off die Chance zur Revanche erhalten, verdankten sie am letzten Spieltag nicht nur der überraschenden Pleite der Indianapolis Colts bei Schlusslicht Jacksonville, sondern vor allem auch Raiders-Kicker Daniel Carlson, der das aus Sicht Pittsburghs fatale Unentschieden gegen die Los Angeles Chargers verhinderte. Damit verlängerte Carlson auch die Abschiedstour von Steelers-Quarterback Ben Roethlisberger, der im Gegensatz zu Coach Mike Tomlin den entscheidenden Kick nicht verschlief, um zumindest einen weiteren Auftritt.

Roethlisberger, der seit 2004 den Spielmacher gibt, hatte bereits vor zwei Wochen beim letzten Heimspiel der Steelers durchblicken lassen, dass für ihn nach dieser Saison Schluss ist. Um seiner gleichwohl erfolgreichen wie turbulenten 18-jährigen Karriere mit zwei Super-Bowl-Siegen, aber auch mit Vergewaltigungsvorwürfen und einem ohne Helm überlebten Motorradunfall noch einen märchenhaften Abschluss zu verpassen, muss der 39-Jährige aber das Duell mit Chiefs-Superstar Patrick Mahomes für sich entscheiden.

Ben Roethlisberger
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Die Ära von Ben Roethlisberger (r.) erfuhr eine unerwartete Verlängerung

Allerdings stellte „Big Ben“ als Außenseiter einem Favoriten ein Bein. So etwa auf dem Weg zum ersten Super-Bowl-Triumph 2005, wo der 23-jährige Roethlisberger als erstes als Nummer sechs gesetztes Team den Titel gewann. Heuer sind die Steelers als Nummer sieben erneut am Ende der Setzliste zu finden. „Wir sind wahrscheinlich der größte Underdog im ganzen Play-off. Und Kansas ist wahrscheinlich das beste Football-Team. Wir haben keine Chance, daher gehen wir einfach raus und wollen Spaß haben“, sagte Roethlisberger vor seinem vielleicht letzten Play-off-Tanz.

Wie viel Turbo steckt noch in Tom?

Während Roethlisberger knapp vor der Sportpension steht, hegt der fünf Jahre ältere Tom Brady keine derartigen Gedanken. Im Gegenteil: Der 44-Jährige hofft mit den Tampa Bay Buccaneers auf den neuerlichen Gewinn der Super Bowl. Für den siebenfachen Champion würde sich damit ein Kreis schließen. Denn die erfolgreiche Titelverteidigung gelang zuletzt den New England Patriots unter Brady in der Saison 2004/05. Finalgegner waren die Philadelphia Eagles, auf die die „Bucs“ diesmal gleich in der ersten Runde treffen.

Dass Brady noch mit über 40 den Turbo zünden kann, bewies der Altstar im Grunddurchgang. Mit 43 Touchdown-Pässen und 5.316 Yards Raumgewinn im Passspiel war der 44-Jährige die klare Nummer eins unter den Spielmachern. Doch die Angst vor einem vorzeitigen Aus gegen die Eagles geht um: Denn Brady verlor mit Chris Godwin einen seiner besten Fänger mit Verletzung, dazu nahm sich mit dem exzentrischen Antonio Brown ein weiterer selbst aus dem Spiel. Dazu weiß man in Philadelphia, wie man Brady die Suppe versalzen kann. Siehe die Super Bowl 2018, als die Eagles Brady und die Patriots mit ihrem „Philly Special“ in die Knie zwangen.

Tag der Wahrheit für „Comeback-Kids“

Die erste Play-off-Runde wird auch zum Tag der Wahrheit für die „Comeback-Kids“ Joe Burrow und Dak Prescott. Sowohl Cincinnatis Toppick des Drafts 2020 Burrow als auch Cowboys-Spielmacher Prescott kehrten nach Horrorverletzungen stärker zurück, als von so manchem erwartet. Burrow hatte sich vergangene Saison im Spiel gegen das Washington Football Team alles zerstört, was im rechten Knie kaputt gehen kann. Mit repariertem Gelenk stieg der 25-Jährige wie ein Phönix aus der Asche und führte die im Vorjahr in der AFC North letztplatzierten Bengals heuer zum Divisionssieg und erstmals seit 2015 in die Play-offs.

Joe Burrow und Joe Mixon
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Burrow (r.) kam nach seiner schweren Knieverletzung genauso stark zurück, wie von den Bengals-Fans erhofft

Auch Prescott gelang nach seinem in Woche fünf der vergangenen Saison erlittenem Knöchelbruch ein furioses Comeback. Der 28-Jährige hauchte der Offensive des fünffachen Super-Bowl-Siegers aus Dallas wieder neues Leben ein. Mit dem statistisch besten Angriff der Liga und dank einer vor allem in Sachen Balleroberung bärenstarken Defense führte Prescott die Cowboys zurück an die Spitze der NFC East. Die Zuversicht bei „America’s Team“ ist jedenfalls groß: „Ganz egal, wer unser Gegner ist, stellt sie in einer Reihe auf. Wir sind bereit für dieses Rennen“, sagte Prescott bereits ummittelbar nach Ende des Grunddurchganges.

Pandemie als Damoklesschwert

Den Titelhoffnungen der Teams könnte allerdings die Coronavirus-Pandemie einen Strich durch die Rechnung machen. Schon die letzten Runden waren von Ausfällen von Leistungsträgern aufgrund positiver CoV-Tests geprägt. Dass die Super Bowl trotz steigender Zahlen wie geplant im Großraum Los Angeles stattfinden wird, ist für die NFL-Verantwortlichen jedenfalls ausgemacht. „All unsere Pläne für die Super Bowl bleiben unverändert“, sagte NFL-Direktorin Katie Keenan. „Wir arbeiten mit allen hier zusammen, mit dem Gesundheitsamt von LA, um sicherzustellen, dass alle unsere Veranstaltungen sicher ablaufen.“

Im 2020 eröffneten SoFi Stadium in Inglewood, einer eigenständigen Stadt südlich der offiziellen Stadtgrenzen von Los Angeles, gab es zwar in dieser Saison unter anderem eine Impf- und Maskenpflicht für Besucher. Die Kapazität des mehr als 70.000 Zuschauer fassenden Stadions schöpften die beiden NFL-Teams aus der Metropole aber durchgehend aus.