Neue Fahrer, neue Paarungen, eine neue Rennstrecke und allen voran komplett neu designte Autos. Ausgerechnet der punktelose Nachzügler Haas drängte sich vor und präsentierte am 4. Februar als erster Rennstall via Computerbilder den neuen Boliden. In Natura wird jedoch die Hackordnung gewahrt und Weltmeister Max Verstappen mit Red Bull bei den Präsentationen der neuen Boliden der Erste sein.
Der Rennstall wird den RB18 für die WM-Saison 2022 am Mittwoch online vorstellen. Aston Martin folgt am Donnerstag, McLaren am Freitag. Der achtfache Konstrukteursweltmeister Mercedes wird seinen Boliden, einen Tag nach Ferrari, am 18. Februar erstmals der Öffentlichkeit präsentieren – fast ein Monat nachdem ein Video auf Twitter bereits einen ersten akustischen Einblick in den W13 gab.
Der seit 2017 vom In-House-Team der Formel 1 gemeinsam mit der FIA und den Teams entwickelte – und intern als „UNIFORM“ bezeichnete – Bolide hätte eigentlich schon im letzten Jahr zum Einsatz kommen sollen. Durch die CoV-Pandemie verzögert, wird das Auto nun ab heuer mit „Winglets“, Radkappen, neuem Front- und Heckflügel sowie eingebauten Tunneln im Unterboden für mehr Downforce (Anpressdruck) sorgen.
Beflügeltes Neo-Design
Auch auf das Wegfallen der „Dirty Air“ (ungünstige Luftströmungen, die vom voranfahrenden Auto abgegeben werden) wurde bei der Entwicklung des 2022er Modells Wert gelegt. Dazu erhielt unter anderem der Frontflügel eine neue Form, wobei die Flügelplatten anders angeordnet sowie die Endplates höher gestaltet wurden. Das neutrale Design bringt den Frontflügel damit weg von seinen komplexeren Vorgängern und ist aerodynamisch nicht so sensibel. Zusätzlich unterstützen die prominenten „Winglets“ über den Frontreifen den Frontflügel, indem sie die vom Reifen kommende Luftverwirbelungen kontrolliert weg vom Heckflügel lotsen.
Dieser sieht in seinem neuen Art-Deco-Look nicht nur schön aus, sondern ist auch noch äußert funktional. Denn während die Autos der Generation 2021 den Luftstrom am Heckflügel nach oben und außen ablenkten, schafft das neue Modell einen rotierenden Luftstrom, der zusätzlich den Sog der Heckreifen aufnimmt und in den Strom aus dem Diffuser lenkt. Gemeinsam formen sie einen unsichtbaren Windschatten, der hoch in die Luft abgegeben wird, wodurch nachfahrende Autos durch die weniger störende „Clean Air“, also saubere Luft, fahren können.
Bodeneffekt und gereifte Pneus
Großes Thema im Bereich der Aerodynamik ist 2022 der Bodeneffekt, welcher schon in den 70er Jahren in der Königsklasse genutzt wurde. Damals waren die Autos wie ein umgedrehter Flugzeugflügel gebaut, was große Mengen an Downforce generierte und die Autos so quasi in die Strecke „hineindrückte“. Besagte Autos wurden 1982 zwar verboten und kommen auch 2022 nicht wieder zurück, allerdings werden die neuen Boliden mit voll geformten Unterbodentunnel fahren. So soll der Anpressdruck besser aufrechterhalten und nicht durch ein voranfahrendes Auto beeinflusst werden können.
Wie sehr die neuen Reifen die Boxencrews 2022 beeinflussen, wird sich ebenso erst zeigen. Die gewohnten 13-Zoll-Pneus weichen größeren und schwereren 18-Zoll-Modellen. Diese sollen beim Rutschen weniger erhitzen und so ebenfalls zu mehr Rennaction beitragen. Ausgestattet sind sie zudem mit Radkappen, die zuletzt 2009 in der Formel 1 zum Einsatz kamen und ab der kommenden Saison die chaotische Aerodynamik, die vom Auto wegströmt und nachkommende Fahrzeuge negativ beeinflusst, reduzieren sollen.
Gleicher Motor, neuer Treibstoff
Die 1,6 Liter Turbo Hybrid-Units, die als ausgereifte und effiziente Motoren gelten, bleiben und sollen mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet werden. So will die FIA kontrollieren, ob die Teams die im Reglement festgesetzten Möglichkeiten der Power-Units auch nicht überschreiten. Getankt wird zukünftig mit E10-Benzin, einem Treibstoff mit zehnprozentigem Anteil von Biokomponenten, der nachhaltig hergestellt werden soll. So will die Formel 1 einen weiteren Schritt machen, den Karbonfußabdruck des Sports zu reduzieren und den geltenden Spritregulierungen im Straßenverkehr näherzukommen.
Den Straßenverkehr konnte die Formel 1 durch zahlreiche Sicherheitsfeatures ebenfalls schon positiv beeinflussen. Keine Überraschung also, dass bei einem neuen Boliden auch das Thema Sicherheit im Fokus steht. So muss das Chassis jetzt vorne 48 Prozent und hinten 15 Prozent mehr Energie bei den Schlagtests absorbieren. Zudem muss das Auto so gebaut sein, dass sich im Fall eines Unfalls die Power-Unit so vom Chassis trennen lässt, dass der Tank nicht freigelegt wird.
Zweiter GP in den USA
Diese Sicherheitsvorkehrungen und die schwereren, robusteren Reifen führen zu einer Gewichtszunahme des 2022er Modells, welches mit 790 kg ab jetzt fünf Prozent mehr auf die Waage bringt. Wie sich diese Gewichtsveränderung auf der Strecke auswirkt, wird vor allem bei den 22 bereits gefahrenen Strecken interessant. Für den Premieren-Grand-Prix in Miami gibt es jedoch noch keine Erfahrungswerte.
Diese können voraussichtlich im Mai gesammelt werden, so es keine Probleme bei der Streckenzulassung durch die FIA gibt. Der um das Hard Rock Stadium geführte Track wurde mit 19 Kurven und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 223 km/h „für spektakuläre Rennen geschaffen“. Wie zutreffend dieses eigens aufgetragene Label sein wird, liegt an den zehn Teams, die mit 23 Rennen heuer den bisher größten WM-Kalender bestreiten werden. Darunter befindet sich auch ein F1-Rookie und ein Rückkehrer in der Königsklasse.
Fahrerrochade mit Rookie und Comeback
George Russell, der in Bahrain 2020 beinahe einen Sensationssieg im Mercedes, den er von einem CoV-erkrankten Hamilton erbte, einfuhr, freut sich 2022 auf seinen neuen-alten Arbeitgeber Mercedes. Dem zweiten Briten im Team musste Valterri Bottas nach fünf gemeinsamen Jahren und Konstrukteurstiteln weichen.
Der Finne sitzt 2022 im Alfa Romeo seines Landsmannes Kimi Raikkönnen, der mittlerweile seine Formel-1-Pension genießt. Das Team unter Teamchef Frederic Vasseur ist das einzige Team, das im kommenden Jahr mit einer komplett neuen Fahrerpaarung auftritt. Neben Bottas findet sich der F1-Neuling Guanyu Zhou. Der 22-Jährige wird damit als erster Fahrer aus China einen Grand Prix bestreiten.
Nicht seinen ersten Formel-1-GP fährt Alexander Albon in Bahrain. Der Brite, der mit thailändischer Lizenz fährt, kehrt nach einem Jahr auf der Ersatzbank bei Red Bull in ein Williams-Cockpit zurück.
Auch personelle Veränderungen bei den Teams
Ob Ottmar Szafnauer in die Königsklasse zurückkehrt, ist hingegen noch nicht fix. Der ehemalige Teamchef von Aston Martin trennte sich Anfang Jänner von seinem Arbeitgeber der letzten zwölf Jahre. Gerüchte über einen Wechsel Szafnauers zu Alpine wurden bisher nicht bestätigt. Den Teamchefsessel beim Vettel-Team hat in der Zwischenzeit Mike Krack übernommen. Das erste Highlight des ehemaligen BMW-Motorsport-Chefs wird die Präsentation des 2022er Boliden sein.
Der wird mit allen anderen „Neuwagen“ zwischen 23. und 25. Februar bei den Testtagen in Barcelona zum ersten Mal auf Herz und Nieren geprüft – heuer allerdings ohne Publikum. Das hat erst bei den Tests in Bahrain im März, zehn Tage vor Saisonbeginn, die Möglichkeit, ein Auge auf das komplette Neudesign zu werfen. Das erste Rennen am 20. März wird live auf ORF1 und im Livestream gezeigt.