Jubel der Cincinnati Bengals
AP/Mark Humphrey
NFL

Eiskalte Bengals auf weitere Sensation aus

Der Schlusspunkt der Saison 2021/22 der National Football League (NFL), die Super Bowl, taucht langsam am Horizont auf. Neben den Kansas City Chiefs, Los Angeles Rams und San Francisco 49ers sind überraschend auch die Cincinnati Bengals im Halbfinale noch dabei. In der Vergangenheit fehlte den „Tigern“ oft im entscheidenden Moment der Biss, doch dank der Jungstars rund um Joe Burrow ist man in Cincinnati auf weitere Sensationen aus.

Am Sonntag (21.00 Uhr) gastieren die Bengals im Arrowhead Stadium von Kansas City im Championship Game der American Football Conference (AFC) bei Patrick Mahomes und seinen Chiefs. Danach spielen sich die Los Angeles Rams und San Francisco 49ers im SoFi-Stadium von LA, wo am 13. Februar auch die 56. Ausgabe der Super Bowl über die Bühne gehen wird, den Finalplatz der National Football Conference (NFC) aus.

Unabhängig vom Ausgang des Showdowns in Kansas City ist die Saison für die Bengals bereits eine Erfolgsgeschichte. Vergangenes Jahr noch Stockletzter der AFC North, schwang sich Cincinnati heuer mit einer Bilanz von zehn Siegen und sieben Niederlagen zur Nummer eins der Division auf. In der Wildcard-Runde gelang mit einem 26:19 über die Las Vegas Raiders der erste Play-off-Sieg seit 31 Jahren. Eine Runde später bugsierte man die Tennessee Titans, ihres Zeichens Nummer eins der AFC im Grunddurchgang, mit 19:16 in den Urlaub – das war der erste Auswärtssieg in der Play-off-Historie der Bengals.

Cincinnati Bengals Quarterback Joe Burrow mit dem Ball
AP/Mark Zaleski
Burrow (r.) hat großen Anteil daran, dass die Bengals in dieser Saison im wahrsten Sinn des Wortes abhoben

„Es ist speziell, dass wir uns ein Vermächtnis schaffen“, sagte Kicker Evan McPherson, „ich glaube, an dieses Team wird man sich für alle Zeiten erinnern.“ Der 22-Jährige hatte Cincinnati gegen die Titans mit einem Field Goal aus 52 Yards Entfernung bei auslaufender Uhr ins Championship Game gekickt. Zum erst dritten Mal in seiner Geschichte steht die 1967 vom legendären Paul Brown – jenem Mann, dem auch die Cleveland Browns ihren Namen zu verdanken haben – aus der Taufe gehobene NFL-Franchise im Halbfinale.

„Messias“ Burrow erfüllt Hoffnungen

Dafür, dass so wie 1981 und 1988 auch der nächste Schritt, sprich der Einzug in die Super Bowl gelingt, soll vor allem Spielmacher Joe Burrow sorgen. Der 25-jährige, 1,92 m große Modelathlet, der nur rund zweieinhalb Autostunden von Cincinnati aufgewachsen ist, erfüllte in seiner zweiten Saison die Hoffnung, der sportliche „Messias“ zu sein. Mit Pässen für 4.611 Yards Raumgewinn und 34 Touchdowns gehörte Burrow zu den besten Quarterbacks der Saison. Sein für die US-Statistiker essentielles Rating von 108,3 wurde nur vom bereits mit Green Bay gescheiterten Aaron Rodgers (111,9) getoppt.

Dabei hatte es vergangene Saison so ausgesehen, als ob die Karriere des College-Stars, der die Louisiana State University (LSU) zum Titel führte und mit dem größten Vorsprung aller Zeiten zum Gewinner der Heisman Trophy gewählt wurde, vorbei sei, ehe sie begonnen hatte. Am elften Spieltag erlitt Burrow im Spiel gegen das Washington Football Team eine schwere Knieverletzung, die für viele Beobachter der Anfang vom Ende schien. Vorderes und hinteres Kreuzband gerissen, Seitenbänder zerfetzt und dazu noch ein Meniskusschaden – alles, was im Knie kaputt gehen kann, war hinüber.

Cincinnati Bengals Quarterback Joe Burrow wird verletzt vom Feld getragen
AP/Al Drago
Als Burrow im Spiel gegen Washington vom Platz geholfen werden musste, stockte vielen Bengals-Fans der Atem

Doch Burrow kehrte vom Krankenbett stärker als davor zurück und führte die vor allem in den 1990ern zur Lachnummer verkommenen und später unter seinen Vorgängern Carson Palmer und Andy Dalton nur im Grunddurchgang erfolgreichen Bengals vor die Tür zur Super Bowl. Von Bescheidenheit hält der 25-Jährige dabei nichts. „Ich habe von der Underdog-Geschichte genug. Wir holen uns jetzt alles“, sagte Burrow nach dem Sieg über die Tennessee Titans und gab den Titel als einziges Ziel aus.

Ein „Hawara“ vom College …

Burrows wichtigste Gehilfen auf dem Weg zum ersehnten Ziel sind einerseits Runningback Joe Mixon, der nach mehreren Verletzungsproblemen heuer endlich richtig ins Laufen kam, sowie Wide Receiver Ja’Marr Chase. Der erst 21-Jährige ist für Burrow das, was man im Osten Österreichs auch gerne als „Hawara“ bezeichnet. Denn der Quarterback und sein Passempfänger waren zwei Jahre lang das offensive Rückgrat bei LSU.

Ja’Marr Chase fängt einen Touchdown-Pass gegen die Chiefs
AP/David Dermer
Chase, hier vor wenigen Wochen gegen Kansas City, setzte in der NFL dort an, wo er bei LSU aufgehört hatte

Auf dem Weg zur nationalen Meisterschaft 2019 fing Chase 20 Touchdown-Pässe – und damit genau ein Drittel aller von Burrow in dieser Saison geworfenen. Heuer steuerte der Mann mit der Nummer eins am Rücken nicht nur 13 gefangene und sieben erlaufene Touchdowns zum Erfolg bei, sondern stellte am 17. Spieltag mit 266 Yards Raumgewinn einen Rekord für Neulinge in einem Spiel auf.

… und ein nervenstarker Kicker

Dazu können sich die Bengals heuer auf einen Kicker mit Nerven aus Drahtseilen verlassen. Obwohl McPherson so wie Chase neu in der Liga ist, ließ der Bursche aus Alabama – der einzige im Draft 2021 ausgewählte Kicker – auch in den engsten Situationen bisher keine Nervosität erkennen. Im Divisional Play-off gegen die Titans verwandelte McPherson alle vier Field Goals souverän.

Mehr noch: Den entscheidenden Kick zwei Sekunden vor Schluss nahm der 22-Jährige, dessen Brüder ebenfalls die Postion des Kickers ausüben, mit den Worten „Schaut aus, als ob wir ins Championship Game einziehen“ in Angriff. „Wir haben schon, wie er im Trainingscamp zur Tür hereingekommen ist gewusst, was wir an ihm haben“, sagte auch Burrow über seinen nervenstarken Teamkollegen, „er hat Eis in seinen Venen“.

Zwei Statistiken geben Hoffnung

Die präzisen Würfe Burrows, die Laufstärke von Mixon, sowie die sicheren Hände von Chase und die Treffsicherheit von McPherson werden auch notwendig sein, um mit der perfekt geölten Offensivmaschinerie der Kansas City Chiefs rund um Superstar Mahomes mithalten zu können.

Immerhin können sich die Bengals an zwei Statistiken klammern: Den jüngsten Schlagabtausch – jenen in der 17. Runde, als sich Wide Receiver Chase in die Rekordbücher eintrug – gewann Cincinnati mit 34:31. Dazu haben die Bengals noch nie ein Championship Game verloren. Allerdings gab es in der Super Bowl 1981 und 1988 jeweils gegen die San Francisco 49ers – die auch heuer ein möglicher Finalgegner sind – bittere Niederlagen.

National Football League

Super Bowl LVI in Los Angeles:
Los Angeles Rams Cincinnati Bengals 23:20
Conference Championships:
Kansas City Chiefs Cincinnati Bengals 24:27 n.V.
Los Angeles Rams San Francisco 49ers 20:17
Divisional Round:
Tennessee Titans Cincinnati Bengals 16:19
Green Bay Packers San Francisco 49ers 10:13
Tampa Bay Buccaneers Los Angeles Rams 27:30
Kansas City Chiefs Buffalo Bills 42:36 n.V.
Wildcard-Weekend:
Cincinnati Bengals Las Vegas Raiders 26:19
Buffalo Bills New England Patriots 47:17
Tampa Bay Buccaneers Philadelphia Eagles 31:15
Dallas Cowboys San Francisco 49ers 17:23
Kansas City Chiefs Pittsburgh Steelers 42:21
Los Angeles Rams Arizona Cardinals 34:11