Rafael Nadal
APA/AFP/Martin Keep
Australian Open

Nadal nach Finalkrimi von Emotionen gepackt

Superstar Rafael Nadal hat bei den Australian Open einen seiner wohl denkwürdigsten Titel gefeiert und sich zum Rekord-Grand-Slam-Sieger gekürt. Überwältigt fiel der Spanier nach seinem so nicht erwarteten 21. Grand-Slam-Triumph auf die Knie und hielt sich ungläubig die Hände vors Gesicht. In einem packenden Endspiel über fünf Sätze gegen den russischen US-Open-Champion Daniil Medwedew drehte der 35-Jährige am Sonntag mit einem imposanten Kraftakt einen 0:2-Satzrückstand.

2:6 6:7 (5/7) 6:4 6:4 7:5 hieß es nach 5:24 Stunden für Nadal, der 13 Jahre zuvor seine bisher einzige Trophäe bei den Australian Open in Melbourne geholt hatte. „Es ist eines meiner emotionalsten Matches in meiner Karriere – und diesen Moment mit dir zu teilen, das ist eine Ehre für mich“, sagte Nadal sichtlich bewegt und drehte sich immer wieder zu Medwedew um.

„Das wird unvergessen und für den Rest des Lebens in meinem Herzen bleiben“, versicherte der große Kämpfer und erinnerte auch an harte Zeiten der Ungewissheit: „Um ehrlich zu sein: Vor eineinhalb Monaten wusste ich nicht, ob ich auf die Tour zurückkommen kann“, sagte Nadal, „und nun bin ich hier und habe diese Trophäe.“ Seine weitere Turnierplanung ließ er anschließend offen: „Ich genieße den Moment. Ich muss schauen, wie sich mein Körper erholt. Dann werde ich meine Entscheidung treffen.“

Sieg und Rekord für Rafael Nadal

Das Herren-Finale der Australian Open entwickelte sich zu einem absoluten Highlight. Sein Sieg Sieg bescherte Nadal den alleinigen Rekord an Grand-Slam-Siegen.

Als Medwedew seinen Rückhandvolley beim Matchball nicht mehr kontern konnte, hatte Nadal den Schläger fallen lassen. Ungläubig schüttelte der Spanier den Kopf, immer wieder klopfte er auf sein Herz. Er schaffte ein märchenhaftes Comeback nach seiner langen Pause wegen seiner Fußverletzung und lieferte sich mit Medwedew das zweitlängste Endspiel der Turniergeschichte. „Ich kann nicht wirklich erklären, was ich gerade fühle, aber ich werde mein Bestes versuchen, um nächstes Jahr wieder zu kommen“, kündigte er an.

Rafael Nadal und Daniil Medwedew
Reuters/Asanka Brendon Ratnayake
Nadal (l.) und Medwedew nach einem geschichtsträchtigen Finale in Melbourne

Um 1.30 Uhr am frühen Montagmorgen (Ortszeit) stemmte Nadal strahlend den Norman Brookes Challenge Cup in die Höhe. Auf den Tag genau zwei Wochen nach der erzwungenen Ausreise aus Australien von Novak Djokovic setzte sich Nadal im faszinierenden Grand-Slam-Rennen vor dem Serben und dem Schweizer Roger Federer an die Spitze. Seine beiden Rivalen haben 20 Trophäen dieser wichtigsten Kategorie gesammelt – wie Nadal bis zu diesem verrückten Finale.

Nadal nutzt Gunst der Stunde

Djokovic war für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres vor dem Auftakt am höchsten gehandelt worden und wollte erreichen, was nun Nadal schaffte. Der gegen das Coronavirus nicht geimpfte Serbe hatte vor dem Bundesgericht Australiens aber den Einspruch gegen sein annulliertes Visum verloren. Nadal nutzte die Gunst der Stunde in Abwesenheit des neunfachen Melbourne-Rekordgewinners.

Es war eindrucksvoll, wie sich Nadal gegen den zehn Jahre jüngeren Medwedew aufrappelte und wie er den fünften Satz für sich entschied. Das Ergebnis spiegelte nicht die Dramatik des Matches wider: Im fünften Satz führte Nadal bereits mit einem Break. Als er bei 5:4 zum Eintrag in die Tennishistorie aufschlug und ihm nur noch zwei Punkte fehlten, verlor er sein Aufschlagspiel. Doch er ging gleich wieder in Führung – und hatte es wenig später geschafft.

„Tag für die Tennisgeschichte“

Die australische Tennislegende Rod Laver hielt den Moment mit dem Handy fest und gratulierte dem Champion später persönlich im Fitnessraum. Dort ließ sich Nadal erst einmal auf eine Matte fallen, ehe er ausradelte. „Ich dachte, er wird müde werden“, sagte Medwedew. „Es war ein Tag für die Geschichte“, so Boris Becker: „Ich bin überzeugt, dass Roger Federer und Novak Djokovic das Finale auch gesehen haben – jetzt seid ihr an der Reihe nachzulegen“, meinte er Deutsche.

„Was für ein Match“, schrieb der Schweizer Federer auf Instagram. „Fantastische Leistung“, kommentierte Djokovic auf Twitter. „Immer beeindruckender Kampfgeist, der sich ein weiteres Mal durchgesetzt hat.“

„An meinen Freund und großen Rivalen Rafael Nadal“, schrieb der 40-jährige Federer auf Instagram-Storys. „Vor ein paar Monaten haben wir noch Witze gemacht über uns, wie wir beide an Krücken gingen. Fantastisch. Unterschätze nie einen großen Champion“, so Federer und schrieb von Nadals unglaublichem Arbeitsethos, dessen Hingabe und dessen Kampfgeist. Sie seien eine Inspiration für ihn und viele andere in der Welt. „Ich bin stolz, diese Ära mit dir teilen zu dürfen und fühle mich geehrt, dazu beizutragen, damit du noch mehr erreichst. Wie du es für mich in den letzten 18 Jahren getan hast.“

Zwischen Mitte Juni und Anfang Jänner hatte Nadal aufgrund seiner komplizierten Fußprobleme nur zwei Partien bestritten. Mit seiner Familie diskutierte er, ob es Zeit sei, sich vom Tennis zu verabschieden, sollten sich die Probleme nicht bessern. Jetzt gewann der „Sandplatzkönig“ als erst vierter Spieler – neben Djokovic, Laver und Roy Emerson – jedes Grand-Slam-Event mindestens zweimal. Er triumphierte auf eine ähnliche Weise wie Federer 2017, der nach einer Knieverletzung und langer Pause „down under“ völlig überraschend gewann.

Kein Spiel für schwache Nerven

Im letzten Match des Turniers war es am Ende egal, dass Nadal in den ersten beiden Sätzen zu viele unerzwungene Fehler unterliefen. Medwedew sah zunächst lange wie der bessere Spieler aus. Es schien, als könne er wieder einem der Stars der Szene die Show verderben. Erst vor gut vier Monaten hatte Medwedew bei den US Open in New York den Weg von Djokovic zum 21. Titel und historischen Grand Slam mit allen vier großen Titeln in einem Jahr verhindert. Cool und defensivstark trotzte der Russe in der Rod-Laver-Arena lange der Atmosphäre, denn die Sympathien waren klar aufseiten des zehn Jahre älteren Nadal.

Im zweiten Satz störte kurzzeitig eine gegen Australiens Flüchtlingspolitik protestierende Person auf dem Platz die Partie, sie wurde schnell von Sicherheitsleuten gestoppt. Daran lag es jedoch nicht, dass Nadal trotz einer 5:3-Führung den Satzausgleich nicht schaffte. Ab Ende des dritten Satzes drehte Nadal auf und erzeugte mehr Power. Medwedew wich dagegen ein wenig von seiner Linie ab, zeigte Unsicherheiten.

Zwischenzeitlich diskutierte der Russe auch mit dem Schiedsrichter John Blom über durch Rufe störende Zuschauer und ließ sich am Oberschenkel massieren und behandeln. Schon das US-Open-Finale 2019 hatte sich zwischen den beiden zu einem spannenden Duell über fünf Sätze entwickelt, damals hatte Nadal mit zwei Sätzen geführt und am Ende erst im entscheidenden Satz gewonnen. Diesmal trugen ihn die Zuschauer, sein Wille und die mentale Stärke Nadal zum denkwürdigen Sieg.