Verteidigerstar Aaron Donald stoppte schließlich Burrow und die Bengals in deren folgender Angriffsserie vorzeitig, der Ball ging an die Rams – und damit auch die Vince Lombardi Trophy. Nach 54 Partien ohne Heimteam im NFL-Finale landeten nun zweimal in Folge Clubs in der eigenen Arena den großen Coup – 2021 gelang das Tampa Bay mit Neopensionist Tom Brady. Das Überraschungsteam der Bengals mit Jungstar Joe Burrow verlor hingegen auch sein drittes Finale in der Clubgeschichte und muss weiter auf die erste Meisterschaft warten.
„Ich bin so glücklich. Ich habe davon geträumt. Es fühlt sich fantastisch an. Wir wussten, wenn wir dieses Play machen (Burrow stoppen, Anm.), dann gewinnen wir. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich will diesen Moment mit meinen Teamkollegen und meinen Kindern genießen“, jubelte Donald. „Ich bin so stolz auf mein Team. Es gibt viele Leute im Team, die den Titel so sehr verdient haben. Es ist ein Teamsieg. Es war ein großartiges Spiel. Wir arbeiten hart jeden Tag, und Sean (Trainer McVay, Anm.) führt uns, und wir folgen ihm“, sagte Stafford, der erst vor einem Jahr zu den Rams gestoßen war, nach dem Spiel.
Als MVP des Endspiels wurde am Ende Wide Receiver Kupp ausgezeichnet, der nicht nur zwei Touchdownpässe, sondern insgesamt acht Zuspiele für 92 Yards fing. „Ich bin nur dankbar, Mitglied dieses Teams zu sein. Es fühlt sich gar nicht so an, als hätte ich das verdient“, sagte Kupp auf dem Podium. Stafford warf für 283 Yards, drei Touchdownpässe, ihm unterliefen allerdings auch zwei Interceptions. Mit 36 Jahren und 20 Tagen ist Rams-Trainer McVay nun der jüngste Headcoach, der jemals die Super Bowl gewonnen hat.
Längste Saison aller Zeiten
So spät wie noch nie ging eine Ausgabe des Endspiels um die NFL-Meisterschaft über die Bühne. Nachdem der Grunddurchgang in dieser Saison um einen Spieltag verlängert worden war, rutschte auch die Super Bowl um eine Woche im Kalender zurück und kollidierte erstmals überhaupt mit den Olympischen Winterspielen.
Nach fast 30 Jahren fand das Spiel erstmals wieder im Raum Los Angeles statt, in diesem Fall in Inglewood an der Einflugschneise des internationalen Flughafens. Dort ließ Eigentümer Stan Kroenke, dem mehrere Clubs aus diversen Sportarten gehören, für fünf Milliarden Dollar ein Stadion samt Theater und anderen Annehmlichkeiten hinstellen. Nahe Hollywood wohnten dem „Big Game“ in der Stadt der Engel auch viele Stars bei, u. a. Matt Damon, Charlize Theron und Mark Wahlberg – Dwayne „The Rock“ Johnson gab auf dem Feld das „Go“.
Rams legen durch Beckham Jr. vor
Das Spiel startete verhalten, beide Defensivreihen behielten zunächst die Oberhand und ließen bei den ersten Angriffsbemühungen keine Punkte zu. Danach lief die Offensivmaschinerie der Rams warm: Kupp, erfolgreichster Receiver im Grunddurchgang, sorgte mit einem gefangenen Pass für 20 Yards für einen Dosenöffner, Stafford bediente dann Odell Beckham Jr. mit einem Zuspiel für 17 Yards zur 7:0-Führung.
Die Bengals brauchten wie schon im Halbfinale in Kansas City (27:24 n. V.) etwas Anlaufzeit. Burrow fand aber kurz vor Ende des ersten Viertels seinen kongenialen Passempfänger Ja’marr Chase, der sich im Duell mit Verteidiger Jalen Ramsey durchsetzte und den Ball unnachahmlich für 46 Yards Raumgewinn fing. Letztlich sollte es für ein Field-Goal durch Kicker Evan McPherson reichen, der aus 29 Yards auch im 13. Versuch in der Postseason erfolgreich blieb und verkürzte.
Partie nimmt Fahrt auf
Die Partie nahm im zweiten Viertel auf beiden Seiten Fahrt auf. Stafford bewegte weiter gut den Ball und setzte seine Mitspieler gekonnt ein. Dieses Mal fing erst Beckham Jr. einen Pass und dann Kupp einen für elf Yards in der Endzone. Weil der Extrapunkt misslang, stand es 13:3 – mit diesem Ergebnis hatten die Rams vor drei Jahren die Super Bowl gegen die New England Patriots verloren. Die Niederlage hatte damals bewirkt, dass die Rams noch weitere Starspieler verpflichteten und praktisch zu dieser Saison „all in“ gegangen waren.
Cincinnati blieb aber dran, und Burrow konnte nun auch vermehrt auf seinen Runningback Joe Mixon setzen. Gemeinsam mit Chase kamen sie nahe der Endzone und griffen dann in die Trickkiste: Burrow zu Mixon und der passte schließlich zu Wide Receiver Tee Higgins zum 10:13. Es war erst zum dritten Mal in der Super-Bowl-Geschichte der Fall, dass ein Runningback erfolgreich einen Touchdownpass warf.
Hiobsbotschaft für Rams, Hip-Hop für Fans
Die schlechten Nachrichten für die Rams setzten sich zu diesem Zeitpunkt fort: Beckham Jr., bis dahin erfolgreichster Receiver, verletzte sich bei einem Zuspiel in seine Richtung am linken Knie und konnte nicht weiterspielen. Stafford ließ sich kurz danach zu einem weiten Pass in die Endzone hinreißen, der von Jessie Bates abgefangen wurde. Es blieb aber beim 13:10 zur Pause für die Rams.
In der Halbzeit übernahmen traditionell Musikgrößen die Bühne, nach 56 Jahren war schließlich die Zeit für Hip-Hop gekommen, was an der Westküste in Los Angeles durchwegs Sinn hat. Die kalifornischen Legenden Dr. Dre und Snoop Dogg hatten fortan das Kommando.
Gemeinsam mit Mary J. Blige, Eminem und Kendrick Lamar sowie Überraschungsgast 50 Cent sorgten sie für Pausenunterhaltung und nostalgischen Flair – selbst Bengals-Kicker McPherson ließ sich die Show nicht entgehen und schaute an der Seitenlinie erfreut zu.
Bengals drehen nach Halbzeitshow auf
Die zweite Hälfte begann ebenfalls mit einem Paukenschlag: Burrow warf mit dem ersten Play einen 75-Yard-Pass auf Higgins, der sich gegen Ramsey durchsetzte und die Bengals erstmals in Führung brachte. Bitterer Beigeschmack: Ein Foulspiel von Higgins, der Ramsey ins Gesichtsgitter gegriffen hatte, wurde von den Referees übersehen.
Und die schlechten Nachrichten für die Rams rissen nicht ab: Nur Sekunden nach dem Touchdown warf Stafford seine zweite Interception in diesem Spiel. Ein Pass zu Ben Skowronek wurde von dem Wide Receiver in die Arme von Chidobe Awuzie gelenkt, und die Bengals übernahmen wieder den Ballbesitz. Durch zwei Sacks von Donald konnten die Rams den Schaden immerhin in Grenzen halten.
Spannung bis zum Schluss
McPherson verwertete in der Folge auch sein 14. Field-Goal in den Play-offs und egalisierte damit den Rekord von Adam Vinatieri, dem das 2006/07 für die Indianapolis Colts gelungen war. In Abwesenheit des verletzten Beckham Jr. taten sich aber auch die Rams nun schwer, den Ball zu bewegen. Auf der anderen Seite kamen die Quarterback-Jäger um Donald mit Verspätung in die Gänge.
Für eine Schrecksekunde bei den Bengals-Fans sorgte Burrow, der sich vor einem Jahr schwer am Knie verletzt hatte und nach dem bereits siebenten Sack (Super-Bowl-Negativrekord, Anm.) vom Feld humpelte. Doch der Jungstar konnte weiterspielen und führte seine Mannschaft nun wieder weiter das Feld hinunter – Tyler Boyd ließ allerdings einen Ball, der zu einem sicheren ersten Versuch geführt hätte, fallen.
Happy End für Rams
So blieben den Rams rund sechs Minuten Zeit, das Ergebnis noch zu ihren Gunsten zu drehen. Bei der Fünfminutenmarke gelang bei einem vierten Versuch und ein Yard der wichtige Raumgewinn, danach sorgte speziell Kupp und schließlich auch Runningback Cam Akers dafür, dass sich die Rams der Endzone wieder entscheidend näherten.
Dort flogen vor allem die mit gelben Flaggen gekennzeichneten Fehlvergehen, Stafford fand aber mit seinem dritten Touchdownpass an diesem Abend Kupp und brachte die Rams wieder in Führung. Das letzte Wort hatte letztlich Donald, der 2014 von den Rams gedraftet wurde. Damals waren die Kalifornier noch in St. Louis beheimatet. Als St. Louis Rams hatten sie 2000 ihren Premierentitel in der NFL eingeheimst, nun gelang ihnen auch hier der große Wurf. Damit hat Los Angeles erstmals seit 1984 – damals mit den Raiders – wieder eine Mannschaft, die sich in der Super Bowl die Krone aufsetzen konnte.
Super Bowl LVI in Los Angeles
Sonntag:
Los Angeles Rams – Cincinnati Bengals 23:20
(7:3 6:7 3:10 7:0)
Los Angeles, Sofi Stadium, 70.048 Zuschauer
Erstes Viertel:
7:0 – 17-Yard-Pass von Matthew Stafford auf Odell Beckham Jr. (+ Extrapunkt)
7:3 – Field-Goal aus 29 Yards, Kicker Evan McPherson
Zweites Viertel:
13:3 – 11-Yard-Pass von Matthew Stafford auf Cooper Kupp (Extrapunkt vergeben)
13:10 – 6-Yard-Pass von Joe Mixon auf Tee Higgins (+ Extrapunkt)
Drittes Viertel:
13:17 – 75-Yard-Pass von Joe Burrow auf Tee Higgins (+ Extrapunkt)
13:20 – Field-Goal aus 38 Yards, Kicker Evan McPherson
16:20 – Field-Goal aus 41 Yards, Kicker Matt Gay
Viertes Viertel:
23:20 – 1-Yard-Pass von Matthew Stafford auf Cooper Kupp (+ Extrapunkt)