Michaela Polleres (AUT)
GEPA/Christian Walgram
Judo-EM

Österreichs Athleten im Medaillenmodus

Mit den Europameisterschaften in Sofia geht es für Europas Judoelite ab Freitag erstmals seit Olympia wieder um Medaillen. Österreich reist mit hohen Erwartungen zur EM, obwohl Stephan Hegyi und Lukas Reiter verletzt fehlen. Achtmal in Folge hat es seit 2013 für den Österreichischen Judoverband (ÖJV) zumindest eine EM-Medaille gegeben, das letzte Gold aber vor elf Jahren durch Sabrina Filzmoser. Heimische Nummer eins bei EM-Medaillen ist Bernadette Graf.

Die 29-jährige Tirolerin hat nicht weniger als fünf Medaillen (vier im Einzel, eine im Mixed) zu Buche stehen, kämpft nun aber wie vor Rio wieder in der 70-Kilo-Kategorie. Gleich beim ersten Wettkampf in der Türkei wurde sie dennoch Zweite und überraschte sich damit selbst. Bei der Präsentation des EM-Teams am Freitag in Wien fehlte die Polizeischülerin wegen einer wichtigen Prüfung.

Eine „Wundertüte“ ist derzeit auch Daniel Allerstorfer. Der Schwergewichtler (+100) hat zehn Kilo abgenommen und erlebt sich mit nunmehr 125 Kilo selbst als neuen Kämpfer. „Mein Körper hat sich noch nicht ganz darauf eingestellt. Aber ich denke, es war die richtige Entscheidung“, sagte der Oberösterreicher, der am Schlusstag dran ist und auf mehr Beweglichkeit und Ausdauer hofft.

Hoffnungen ruhen auf Samstag

Während am Freitag für Österreich unter anderen drei EM-Debütantinnen am Start sind, wird der Folgetag für Österreich zum „Supersamstag“. Denn da sind mit Graf, Michaela Polleres, Magdalena Krssakova und Shamil Borchaschwili die vier großen ÖJV-Medaillen-Hoffnungen im Einsatz.

Michaela Polleres (AUT)
GEPA/Christian Walgram
Nach Olympiasilber geht Polleres in Sofia auf eine EM-Medaille los

Die Olympiasilberne Polleres hat zwar im EM-Vorfeld eine Gehirnerschütterung erlitten, sich aber gut erholt. „Ich bin behutsam wieder eingestiegen und zu hundert Prozent wieder fit“, versicherte die wie Graf in der 70-Kilo-Klasse kämpfende und als Nummer 3 gesetzte Niederösterreicherin. Vor ihr gereiht sind nur Weltmeisterin Barbara Matic und die Niederländerin Sanne Van Dijke, beide hat Polleres bei Olympia in Tokio besiegt.

Saisonhöhepunkte kommen erst

Am zweiten Wettkampftag ist die Chance also am größten, es nach über 4.000 Tagen Filzmoser mit EM-Gold gleich zu tun. Seit damals hat es für Österreich zehn EM-Medaillen gegeben, aber eben kein Gold. „Seit ich in Österreich bin, haben wir bei Olympia Silber und Bronze gewonnen, bei WM und EM jeweils einmal Bronze. Ein EM-Titel wäre ein idealer Start in die Saison“, sagte Headcoach Yvonne Böhnisch, die ab Mai mit dem Polen Robert Krawczyk einen neuen Nationaltrainer zur Seite hat, und hofft auf eine erfolgreiche „Goldmission“.

Aber Böhnisch machte auch klar, dass mit der Olympiaquali und der WM die ganz großen Jahreshighlights erst kommen. „Die EM hat traditionell einen hohen Stellenwert. Wir haben aber das Training darauf ausgerichtet, dass unsere Athletinnen und Athleten Ende Juni, mit Beginn der Olympiaqualifikation für Paris, in Form kommen. Absoluter Saisonhöhepunkt ist die WM im Oktober in Taschkent“, erklärte die Olympiasiegerin von 2004.

„Bin reif für den ersten Titel“

Krssakova (-63 kg) geht als Nummer vier ins Turnier. Nach Silber 2020 in Prag will sie erneut Edelmetall. „Meine Formkurve stimmt“, ist die 28-jährige Wienerin überzeugt. Der Olympiabronzene Shamil Borchashvili (-81) ist die Nummer sechs seiner Klasse und wartet im Gegensatz zu Polleres und Krssakova noch auf eine EM-Einzelmedaille.

„Ich bin seit Tokio sicher noch stärker geworden, habe meinen Griff und meine Angriffstaktiken weiter verbessert. Ich bin definitiv reif für den ersten Titel“, gab sich der Welser zuversichtlich. Ein ganz großes Ziel ist freilich, 2024 gemeinsam mit Bruder Wachid (-90) bei Olympia anzutreten.

Judoka Shamil Borchashvili
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Borchashvili peilt bei der EM seine erste Goldmedaille an

Schwere Auftaktgegner

Die Auslosung für Österreichs Athletinnen und Athleten hätte allerdings „definitiv besser laufen können“, sagte ÖJV-Headcoach Yvonne Bönisch. „Aber wir nehmen das auch als Ansporn. Geht man nach der Papierform, haben eigentlich nur Shamil (Borchashvili, Anm.) und Daniel (Allerstorfer, Anm.) leichte Aufgaben“, sagt die Olympiasiegerin von 2004.

Bochashvili gilt in seinem ersten Kampf als klarer Favorit: Gegner Jose Maria Mendiola-Isquieta (ESP) ist im IJF-Ranking nur die Nummer 80 der Welt. Gut meinte es Glücksgöttin Fortuna auch mit Allerstorfer, sein erster Gegner ist Vladut Simionescu. Bönisch: „Der Rumäne ist zwar als Nummer fünf gesetzt, aber definitiv ein schlagbarer Gegner. Daniel hätte es wesentlich schlimmer treffen können.“

„Schwerer Brocken“ für Polleres

Die als Nummer drei gesetzte Polleres muss zum Auftakt gegen die regierende Junioren-Weltmeisterin Ai Tsunoda Roustant (ESP) ran. „Das wird ein schwerer Brocken“, glaubt Bönisch. Krssakova bekommt es nach einem Freilos in Runde zwei voraussichtlich mit Ex-Europameisterin Hedvig Karakas zu tun. Die 32-jährige Ungarin war in den letzten Jahren in der Klasse bis 57 kg aktiv und ist für Krssakova noch ein unbeschriebenes Blatt.

Jodokarin Magdalena Krssakova
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Krssakova trifft in Runde zwei wohl auf die ungarische Ex-Europameisterin Karakas

Athleten aus Russland oder Belarus sind bei der EM (365 Judoka aus 40 Nationen) nicht am Start. „Sie haben von sich aus mitgeteilt, dass sie aus Sicherheitsgründen vorerst nicht teilnehmen“, berichtete ÖJV-Präsident Martin Poiger, der auch Generalsekretär im Europa-Verband ist. Von Sofia ist Poiger begeistert. „Eine tolle Halle. Ich bin immer ganz traurig, wenn man sieht, wie schlecht eigentlich die Sportinfrastruktur in Österreich ist.“