Zweikampf zwischen Sean Shelton (Raiders) und Leon Balogh (Vikings)
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Football

Vikings und Raiders wagen neues Abenteuer

Der 5. Juni könnte eine Zeitenwende für Österreichs Football bedeuten: Die Vienna Vikings und die Raiders Tirol geben an diesem Tag ihr Debüt in der European League of Football (ELF) und treffen dabei in Innsbruck aufeinander. „Ich bin sehr positiv gestimmt, dass wir eine gute Rolle spielen werden“, sagte Vikings-Präsident Karl Wurm im Gespräch mit ORF.at. Die Vorfreude auf das neue Abenteuer ist groß, aber auch die Ungewissheit.

Die zweite EFL-Spielzeit beginnt am 4. Juni mit dem Spiel der Istanbul Rams bei den Cologne Centurions in Köln. Die Türken sind eine von vier neuen Mannschaften. Dazu sorgen die österreichischen Teams Swarco Raiders und Dacia Vikings sowie Düsseldorf Rhein Fire dafür, dass die ELF in diesem Jahr mit zwölf statt acht Teams an den Start geht. Als alte Standorte bleiben außer Köln noch Hamburg, Frankfurt, Berlin, Stuttgart, Leipzig, Wroclaw (Polen) sowie Barcelona (Spanien) in der Liga. Das Endspiel soll am 25. September in Klagenfurt steigen, Titelverteidiger ist Frankfurt Galaxy, das am 12. Juni in Wien gastiert.

„In der ersten Saison waren es acht Teams aus drei Nationen, jetzt gehen wir mit zwölf Teams aus fünf Nationen an den Start. Die Vienna Vikings und die Raiders Tirol haben den Football in Österreich in den zurückliegenden zehn Jahren beherrscht“, freute sich Commissioner Patrick Esume auf den Zuwachs. Schon jetzt ist auch klar, dass 2023 drei weitere neue Teams (Mailand, Szekesfehervar und Zürich) am Start sein werden. „Es besteht kein Zweifel daran, dass wir direkt zur besten Liga in Europa geworden sind. Das Fundament ist gelegt, darauf bauen wir auf“, betonte Esume vor dem Start in die zweite Saison. Langfristig wird groß gedacht: „Ich bin ganz guter Dinge, dass in vier, fünf Jahren Football fest europäisch etabliert ist hinter Fußball als Nummer zwei.“

Vikings oder neues Team in Wien

Die ELF ist also ein neuerlicher Versuch, die Sportart europaweit zu etablieren. Zuvor gab es schon die NFL Europe oder die Eurobowl. „Der europäische Verband hat es ein Jahrzehnt verabsäumt, etwas auf die Beine zu stellen, so war es der ELF möglich, in das Vakuum zu stoßen“, erklärte Wurm, dessen Team auch die Rute ins Fenster gestellt worden war. „Die ELF hat uns verdeutlicht, sie würde andernfalls nächstes Jahr ein Team in Wien gründen“, so Wurm über den etablierten Markt hier.

Karl Wurm, Präsident der Vienna Vikings
ORF.at/Bernhard Kastler
Präsident Karl Wurm und die Vienna Vikings starten ein neues internationales Kapitel

Auch Spieler und Trainer hätten andernfalls die Vikings verlassen, wie der langjährige Obmann schilderte. So wurden aus den bisherigen Amateurvereinen Vikings und Raiders nun professionelle Franchises. Jedes Team darf zwölf Ausländer im Kader haben, der Rest muss aus der Heimat kommen, denn die Liga versteht sich als Ausbildungsstätte.

Euphorie ist „riesengroß“

„Ich bin sehr positiv gestimmt, dass die Vikings eine gute Rolle spielen werden, weil gute Ausländer wird jedes Team haben, aber wir haben unsere 25 besten Spieler in die ELF mitgenommen“, freute sich Wurm schon auf den internationalen Vergleich. Auch in Tirol ist die Vorfreude enorm, so sagte Vorstandsmitglied Peter Schwazer: „Wir wollten uns noch einmal neu erfinden. Die Euphorie ist riesengroß.“

Neu erfinden trifft es auch insofern, als dass beide Vereine sich finanziell und personaltechnisch neu aufstellen mussten. So ist bei den Vikings auch Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden, der als Koeigentümer und Investor einstieg und den Club zu einem sportlichen und wirtschaftlichen Vorzeigeprojekt machen möchte, dabei. „Es ist ein Herzensprojekt, ich kann da viele Leidenschaften verbinden – die Leidenschaft zum Sport und für Wirtschaftsinvestitionen, mein Tagesjob, und die Leidenschaft, als Brückenbauer zwischen den USA und Österreich zu agieren“, erklärte Lumsden Mitte Mai.

„Realistische Chance, in die NFL zu kommen“

Wurm erhofft sich vom neuen Miteigentümer einiges. „Die Vikings sind eine der wenigen Möglichkeiten für einen 15-jährigen Buben, Football auf höchstem Niveau auszuüben. Jetzt mit den Verbindungen von Robin Lumsden besonders in die USA bietet man ihnen wirklich die realistische Chance, in die NFL (National Football League, Anm.) zu kommen“, machte der Wikinger-Boss Hoffnung, dass es mehr solche Erfolgsgeschichten wie jene von Bernhard Raimann geben könnte.

Der 24-Jährige ist als erster Österreicher im NFL-Draft ausgewählt worden und darf sich bei den Indianapolis Colts beweisen. Raimann war ein Absolvent der Vikings-Akademie. Bei dessen neuem Team versucht sich mit Marcel Dabo auch ein Deutscher, der vergangene Saison noch in der ELF bei Stuttgart Surge gespielt hat. Adedayo Odeleye (früher Berlin Thunder) hofft bei den Houston Texans auf eine Chance. „Die beiden stechen heraus, aber es waren 14 ELF-Spieler, die eine Einladung zum International Combine der NFL in London erhalten hatten“, erklärte Esume, der auch als NFL-TV-Experte tätig ist, stolz.

Teams spielen in Fußballstadien

Die Raiders werden ihre sechs Heimspiele im Tivoli Stadion in Innsbruck austragen, auch die Vikings ziehen für diese Partien in ein Fußballstadion um und tragen die Spiele beim violetten Partner Austria Wien in der Generali Arena aus. Die eingefleischten Austria-Fans nahmen das weniger gut auf und ließen aus Protest etwa 150 Tennisbälle auf der Vikings-Anlage in der Ravellinstraße liegen, um zu zeigen, dass auch Football und Tennis nicht zusammenpassen würden.

Panoramaübersicht über das Generali Stadion
GEPA/Armin Rauthner
Die Vienna Vikings werden sechs Heimspiele in der Generali Arena von Partnerclub Austria Wien austragen

Wurm hat die kreative Protestaktion amüsiert, möchte aber den Fans auch die Hand reichen. „Wir werden ihnen ein Angebot machen, einen anderen violetten Verein in einer anderen Sportart sich anzuschauen.“ Und das machen die Footballer auch nicht umsonst. „Wir zahlen einen sechsstelligen Betrag für die sechs Spiele.“ Wurm hofft auf zumindest 5.000 Zuschauer bei den Heimspielen („Darunter würde ich weinen“), in der Premierensaison hatte Wroclav den höchsten Schnitt (3.600).

Finanziell profitieren die ELF-Clubs auch von einer Einnahmenteilung. „Die Liga schießt was zurück an die Vereine. Uns ist es natürlich auch wichtig, dass die Teams auf finanziell stabilen Beinen stehen“, betonte Esume. Erklärtes Ziel ist aber auch vom Commissioner, eine Ausbildungsliga zu sein, um mehr europäische Spieler in die NFL zu bringen. „Wenn irgendwann zehn aus unserer Liga in die NFL gehen, dann habe ich verdammt viel richtig gemacht“, sagte der 48-Jährige.

AFBÖ über Entwicklung zwiegespalten

Die Austrian Football League (AFL), die seit dieser Saison mit zwei 1b-Teams aus Wien und Innsbruck Vorlieb nehmen muss, sah die EFL zunächst kritisch. „Wir haben nicht darum gebeten, dass es diese Liga geben wird. Für uns hat es ein bisserl einen bitteren Beigeschmack“, sagte der Präsident des American Football Bundes Österreich (AFBÖ) Michael Eschlböck im März, dessen Generalsekretär Christoph Seyrl fügte damals an: „Die ELF saugt die besten Spieler auf. Es wird sich in Europa in den nächsten Jahren einiges neu ordnen.“

Mittlerweile erfreut man sich der neu gewonnenen Spannung in der AFL. „Alle Teams haben zumindest noch rechnerische Chancen auf die Play-offs, eine Finalpaarung kann praktisch nicht vorhergesagt werden“, heißt es vonseiten des AFBÖ. „Noch dazu erfahren wir von vielen Seiten, dass das Interesse an der AFL aufgrund der großen Spannung – jeder kann heuer jeden schlagen – gestiegen ist.“