Oleksandr Sintschenko, 2021
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WM-Qualifikation

Ukraine träumt von WM-Teilnahme

Am Mittwoch (20.45 Uhr) tritt das Fußballnationalteam der Ukraine im verschobenen WM-Play-off auswärts gegen Schottland an. Gewinnt die Mannschaft ihr erstes Pflichtspiel seit dem Kriegsausbruch Ende Februar, spielt man am Sonntag bei ÖFB-Bezwinger Wales um das letzte europäische WM-Ticket. „Dieses Spiel ist eines der wichtigsten in meinem Leben“, sagte Manchester-City-Star Oleksandr Sintschenko: „Ich zittere innerlich.“

Die Aufgewühltheit des 25-Jährigen resultiert in diesen Tagen einmal nicht aus erschütternden Berichten aus seiner unter dem russischen Angriffskrieg leidenden Heimat. Im Gegenteil. Sintschenko will sich mit der Ukraine für die WM-Endrunde in Katar qualifizieren und seinen Landsleuten „vielleicht für ein paar Sekunden ein Lächeln“ schenken. „Es ist überhaupt nicht nötig, über Motivation zu reden“, sagte der 25-Jährige. Bei der WM im November und Dezember würde sein Team auf England, den Iran und die USA treffen.

Noch sind das ferne Träume. Und selbst wenn die ukrainischen Spieler maximal motiviert sind und sicherlich von allen neutralen Fans der Welt unterstützt werden, wird sich Schottland nicht einfach seinem Schicksal fügen. Zudem lief die Vorbereitung der Mannschaft passend zur Situation nicht normal. Seit einigen Tagen trainiert das Team auf Einladung von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zwar in Slowenien, doch die Konzentration auf Fußball fällt vielen aufgrund des Schicksals ihrer Familien schwer. Hinzu kommt, dass einige Profis seit mehreren Monaten kein Spiel mehr bestritten haben. „Aber in diesem Fall gibt es keine Ausreden“, betonte Sintschenko.

„Wir geben niemals auf“

Er weiß, wie man sich als Volksheld fühlt. Im vergangenen Sommer führte der Blondschopf den Außenseiter mit einem Tor und einer Vorlage ins EM-Viertelfinale. Nicht einmal ein Jahr später wirken die Bilder von damals wie aus einer anderen Zeit. „Als der Krieg begann, war es schwer, sich auf Fußball zu konzentrieren“, sagte Sintschenko. All seine Gedanken seien bei den Ukrainern gewesen. Ähnlich erging es seinem für West Ham spielenden Nationalmannschaftskollegen Andrij Jarmolenko: „Es ist so schwer, im Moment an Fußball zu denken. Die russische Armee tötet täglich Menschen in der Ukraine.“

Ukranie feiert Sieg gegen Schweden
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Bei der EM vor einem Jahr gelang der Ukraine in Glasgow mit einem 2:1 gegen Schweden der Viertelfinal-Einzug

Das Spiel in Schottland und der mögliche Höhepunkt in Wales soll sicherlich auch ein Zeichen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sein. „Die Ukraine lebt noch immer. Die Ukraine wird bis zum Ende kämpfen. Das ist unsere Mentalität. Wir geben niemals auf“, betonte Sintschenko. Worte, die auch von seinem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hätten stammen können.

Im Hampden Park wird die große Unterstützung auf den Rängen wohl fehlen. Ukrainische Männer bis 60 dürfen ihre Heimat aufgrund des Krieges nicht verlassen, man hofft auf in Großbritannien lebende Exilukrainer. Die Trikots, die die Mannschaft jüngst beim Benefizspiel in Mönchengladbach trug, sind in den WM-Play-offs aufgrund der politischen Botschaft verboten. Somit werden Sintschenko und seine Teamkollegen in den Trikots der vergangenen EM spielen.

Schotten auf Spiel konzentriert

Für die schottischen Spieler heißt es, die Sympathien für den sportlichen Konkurrenten für eineinhalb Stunden auszublenden. „Wir verstehen die Situation und haben Verständnis dafür. Du schaltest jeden Tag die Nachrichten ein und es ist etwas anderes passiert. Es ist eine wirklich schreckliche Situation“, sagte Callum McGregor.

„Das ganze Gerede im Vorfeld des Spiels wird sich wahrscheinlich darum drehen, aber es ist wichtig, dass wir erkennen, dass wir eine Aufgabe zu erledigen haben. Wir dürfen an nichts anderes denken“, sagte der Mittelfeldspieler des schottischen Meisters Celtic Glasgow. Denn Schottland will sich erstmals seit 1998 wieder für eine WM qualifizieren. „Wir warten wirklich schon sehr, sehr lange auf die Gelegenheit, wieder bei einer WM dabei zu sein – ihre Motivation kann also nicht größer sein als unsere“, betonte McGregor.