Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton
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Formel 1

„Bouncing“ wird für Hamilton zur Tortur

Für Formel-1-Rekordweltmeister Lewis Hamilton ist das Rennen in Baku zu einer schmerzhaften Erfahrung geworden. Nur mit Mühe konnte der siebenmalige Champion am Sonntag nach der Zieleinfahrt seinen Mercedes verlassen. Der 37-Jährige klagte über Kopf- und Rückenschmerzen. „Es war das härteste Rennen, das ich je gefahren bin“, so der Brite, „ich bin froh, dass es vorbei ist“. Trotz der Tortur von Baku will Hamilton entgegen erster Meldungen auch beim nächsten Rennen die Zähne zusammenbeißen.

TV-Bilder zeigten den 37-Jährigen kurz nach Rennende in Baku, wie er sich anscheinend nur mit größter Mühe aus seinem Auto quälte. „Ich kann den Schmerz überhaupt nicht erklären, den man da hat, vor allem auf der Geraden. Am Ende betet man nur noch, dass es zu Ende ist“, sagte der Brite. Er habe wegen der Kopf- und Rückenschmerzen „auf die Zähne gebissen“ und es dank des Adrenalins bis ins Ziel geschafft.

Aufgrund der Belastungen durch das Hüpfen des Boliden drohte Hamilton sogar eine Zwangspause beim Grand Prix von Kanada am kommenden Sonntag (20.00 Uhr, live in ORF1) in Montreal. Das sei „definitiv“ möglich, sagte Teamchef Toto Wolff. Der siebenfache Weltmeister habe nicht nur muskuläre Probleme durch die ständigen Schläge, denen er derzeit im Cockpit ausgesetzt ist. „Das geht echt tief auf die Wirbelsäule und das hat Folgen“, sagte Wolff.

Hamilton kämpft mit „Bouncing“

Beim Grand Prix in Aserbaidschan hatte Mercedes-Pilot Lewis Hamilton mit dem „Bouncing“ – dem Hüpfen des Autos während des Rennens – zu kämpfen. Am Ende klagte der Brite über Rückenschmerzen und musste sich mit Platz fünf begnügen.

Man habe an der Reaktion von Hamilton gesehen, dass es „kein muskuläres Problem ist“, so der Mercedes-Teamchef, der bereits in Baku an einem möglichen Plan B für Kanada in Form der Ersatzpiloten Stoffel Vandoorne (BEL) und Nyck de Vries (NED) arbeitete. Einen Verzicht auf einen Start in Kanada am Sonntag schloss Hamilton aber nach einer schmerzhaften Nacht aber aus: „Der Rücken ist ein bisschen wund und geprellt, aber zum Glück nichts Ernstes. Ich werde dieses Wochenende da sein, würde es um nichts in der Welt verpassen.“

„Bouncing“ als Sicherheitsrisiko

Das Phänomen „Bouncing“, worunter man das unkontrollierbare Senken und Heben der Autos auf den Geraden versteht, ist eine Begleiterscheinung der neuen Aerodynamikregeln in der Formel 1 ab dieser Saison. Die Rennwagen der neuen Generation werden vom Bodeneffekt, der durch die mit Kanälen ausgeformten Unterböden erzeugt wird, auf die Straße gedrückt. Auf den Geraden kann der Anpressdruck aber zu stark werden, bis die Autos kurz den Asphalt berühren und wieder hochgedrückt werden.

Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton
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Ob Hamilton in Kanada in einer Woche an den Start gehen kann, ist noch nicht sicher

Die Fahrer sind dabei häufigen Schlägen im Cockpit ausgesetzt. Mercedes ist davon stärker betroffen als andere Teams. „Wir haben dieses ‚Bouncing‘ seit Beginn der Saison, und es wird nicht wirklich besser“, sagte Hamilton, nachdem er in Baku trotzdem auf den vierten Platz gekommen und von den Fans im Anschluss zum Fahrer des Tages gewählt worden war.

„Wir verlieren sicher mehr als eine Sekunde nur durch das ‚Bouncing‘. Ich werde morgen in der Fabrik sein, wir müssen ein paar gute Gespräche führen und weiter pushen“, kündigte er an. Auch Teamchef Wolff sah es ähnlich: „Wir müssen eine Lösung finden.“

Da die Sicht im Cockpit leidet, ist das Phänomen auch ein potenzielles Sicherheitsrisiko. „Irgendwann kracht es, und dann kracht es richtig“, sagte Vierfachweltmeister Sebastian Vettel und sprach damit das Problem an. Der Deutsche ist wie viele in der Formel 1 der Meinung, dass die Regelhüter des Internationalen Automobilverbandes (FIA) tätig werden sollten. Wo man ansetzen könnte, wäre etwa bei der Fahrzeughöhe und bei Vorgaben zur Stabilität des Unterbodens.

Horner sieht Versuch, sich Vorteil zu erschleichen

Red-Bull-Teamchef Christian Horner sah nach dem Baku-Doppelsieg seiner Piloten Verstappen und Perez in den kritischen Stimmen der Konkurrenz den Versuch, sich mit Regeländerungen aufgrund von Sicherheitsbedenken in eine bessere Position zu schieben. Auf die Frage, was er seinen eigenen Fahrern raten würde, würden sie mit den gleichen „Bouncing“-Problemen konfrontiert, antwortete der Brite: „Ich würde ihnen sagen, dass sie sich so laut wie möglich beschweren und das Problem so groß wie möglich aufblasen sollten.“

„Das ist Teil des Sports“, fuhr Horner fort. „Man sieht, dass es unangenehm ist, aber es gibt Mittel und Wege, das zu bekämpfen. Das bedeutet aber wieder eine schlechtere Performance des Autos. Darum ist es natürlich am einfachsten, Sicherheitsbedenken zu äußern“, so der Brite. „Die Fahrer haben die Köpfe zusammengesteckt und bis auf einen alle gesagt, dass es ein Problem ist“, sagte hingegen Wolff. Nur Fernando Alonso macht sich demnach nichts aus dem heftigen Rütteln.