Formel 1

Ferrari hilft Red Bull beim Siegen

Der Grand Prix von Aserbaidschan am Sonntag in Baku hat die Kräfteverhältnisse in der Weltmeisterschaft endgültig Richtung Red Bull Racing verschoben. Titelverteidiger Max Verstappen zementierte vor seinem Teamkollegen Sergio Perez mit dem fünften Saisonsieg seine WM-Führung ein. Die „Bullen“ durften sich erneut bei Ferrari bedanken, das ihnen mit einem Doppelausfall zu einem leichten Doppelsieg verhalf.

Trotz der vierten Poleposition durch Charles Leclerc in Folge verließen der Monegasse und die „Scuderia“ die aserbaidschanische Hauptstadt mit leeren Händen und schwer gebeutelt. Zuerst musste Leclercs spanischer Teamkollege Carlos Sainz seinen Ferrari nach einem Defekt am Bremssystem an der Hinterachse in den Straßen Bakus parken. Dann gab der Motor des Monegassen, der im Qualifying noch klar der Schnellste war, zur Mitte des Rennens den Geist auf.

„Das ist eine Riesenenttäuschung“, konnte Leclerc den nächsten Rückschlag im Kampf um die WM-Krone nicht fassen. In den vergangenen Wochen ließ der 24-Jährige nach einem Fahrfehler in Imola, dank eines kaputten Triebwerks in Barcelona und des Strategiefehlers seiner Crew in Monaco jede Menge Punkte liegen. Nach acht Rennen hat Leclerc bereits 34 Punkte Rückstand auf Verstappen. Zudem musste der Ferrari-Star mit Perez den zweiten Red-Bull-Piloten an sich vorbeiziehen lassen.

Siegerpodium in Baku
Reuters/Murad Sezer
Die Nullnummer von Ferrari bescherte Verstappen (Mi.) und Red Bull Racing einen Feiertag

„Warum bist du so zerbrechlich?“

Die italienische Presse reagierte entsprechend heftig auf das neuerliche Debakel der „Scuderia“. „Desaster Ferrari. Die WM geht in Rauch auf. Ferrari, warum bist du so zerbrechlich?“, fragte die „Gazetta dello Sport“. Auch die „Repubblica“ bezeichnete das Rennen als „Alptraum“ für Ferrari. „Tuttosport“ schlug mit der an den berühmten Spruch der missglückten Mondmission Apollo XIII angelehnten Satz „Maranello, wir haben ein Problem“ in die gleiche Kerbe.

Nicht viel besser kam Ferrari in den internationalen Medien weg. „Wenn wir eine Sache über das berühmteste Team der Formel 1 erfahren haben, dann ist es, dass es weiß, wie man es richtig vermasseln kann. Sie sind seit 2008 ohne Titelgewinn, aber sie sind die unbestrittenen Meister darin, Eigentore zu schießen“, sparte die englische „Sun“ nicht mit Spott. Die spanische „As“ sah eine Selbstzerstörung Ferraris, und für „Marca“ sei Verstappen mittlerweile „konkurrenzlos“, denn „Ferrari verblutet wegen Motors“.

rauchender Ferrari
Reuters/Murad Sezer
Beim Start rauchten bei Leclerc (l.) nur die Reifen, später auch der Motor

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto versprach jedenfalls unmittelbar nach der Nullnummer in Baku eine tiefgehende Analyse der Probleme. Gelingt nicht schnell die Wende, droht Ferrari trotz des wohl stärksten Autos im Feld die nächste titellose Saison. „Ich hoffe, wir können zurückschlagen und die Dinge in den Griff bekommen“, sagte auch Leclerc, der am kommenden Sonntag beim Grand Prix von Kanada in Montreal (20.00 Uhr, live in ORF1) gehörig unter Zugzwang steht.

Verstappen zeigt Mitgefühl

Baku-Sieger und WM-Spitzenreiter Verstappen konnte mit seinem Konkurrenten jedenfalls mitfühlen. Denn zu Beginn der Saison befand sich der Niederländer in einer ähnlichen Situation. Damals agierten Leclerc und Ferrari mit zwei Siegen souverän, während Verstappen zwei Ausfälle zu verkraften hatte. „Es ist mir passiert, es ist vielen anderen schon passiert, und jetzt passiert es leider Charles“, sagte der 24-Jährige, der mit seinem insgesamt 25. Erfolg in einem Grand Prix in der ewigen Bestenliste mit den Legenden Niki Lauda und Jim Clark auf Rang neun gleichzog.

Der Niederländer empfahl seinem monegassischen Kollegen auch, sich Red Bull als Vorbild zu nehmen. „Es kommt immer darauf an, wie du aus der Sache rauskommst. Wir haben von den Erfahrungen zu Beginn der Saison gelernt. Es (die Situation, Anm.) hat mir damals nicht gefallen, und ich war sauer, aber wir haben die Wende geschafft“, sagte der Titelverteidiger. Detail am Rande: Im Vorjahr war Verstappen in Baku noch der große Verlierer, als ein Reifenplatzer ihn auf dem Weg zum möglichen Sieg stoppte.

Schon jetzt ganz vorne liegt Verstappen in einer anderen Statistik. Denn kein anderer Red-Bull-Pilot stand öfter auf dem Podest als er. Zum 66. Mal schon durfte der Titelverteidiger einen Top-Drei-Platz feiern. Damit verdrängte er den Deutschen Sebastian Vettel in dieser Wertung um einen Podestplatz von Rang eins, obwohl Vettel mit vier WM-Titeln in dieser Kategorie weitaus erfolgreicher war – allerdings ist er auch um rund zehn Jahre älter.