Formel-1-Autos auf der Strecke
Reuters/Florion Goga
Formel 1

Spielberg liefert fast perfekte Rekordshow

Der orange Rauch hat sich verzogen, die letzten Camper haben das Gelände rund um den Red Bull Ring verlassen, die Wiesen in Spielberg gehören wieder dem Weidevieh. Das intensive Rennwochenende in der Obersteiermark mit Sprint und Grand Prix stand sportlich im Zeichen des Zweikampfes zwischen Red Bull und Ferrari. Der erste Grand Prix nach zwei Jahren ohne Coronavirus-Einschränkungen bleibt zudem als fast perfekte Rekordshow in Erinnerung. Einziger Schönheitsfehler waren einige Zuschauer, die sich offenbar nicht im Griff hatten.

Nach zwei Jahren mit Pandemiebeschränkungen wurden die Veranstalter von den rennhungrigen Fans mit einer Rekordkulisse belohnt. 303.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, so viele wie noch in der Geschichte der Rennen in der Obersteiermark, pilgerten nach Spielberg. Gäste aus dem Ausland nahmen dafür auch Quartiere weit entfernt in Kauf. Viele Fans pendelten per Zug etwa jeden Tag von der steirischen Landeshauptstadt Graz ins Aichfeld.

Weil es das Wetter mit den Veranstaltern gut meinte – so sorgte, wenn, dann nur morgens Regen für Abkühlung –, erlebte Spielberg ein perfektes Rennwochenende mit spannenden Entscheidungen. So hatten Qualifying, der Sprint und der klassische Grand Prix von Österreich mit Sieger Charles Leclerc hohen Unterhaltungswert. Der Erfolg des Monegassen hauchte der WM zudem neues Leben ein. „Es war nicht das Ergebnis, für das diejenigen, die orange Bengalos entzündeten, gekommen waren, sondern eines, das die Weltmeisterschaft gebraucht hat“, kommentierte die britische „Daily Mail“.

Leclerc holt sich Grand Prix von Österreich

Ferrari-Pilot Charles Leclerc hat sich am Sonntag den Sieg beim Grand Prix von Österreich geholt. Der Monegasse siegte in Spielberg vor Max Verstappen (Red Bull) und Lewis Hamilton (Mercedes).

Die Veranstalter in Spielberg sorgten jedenfalls einmal mehr dafür, dass das Rennwochenende über weite Strecken reibungslos ablief. Nach Anlaufschwierigkeiten – so wurde etwa die Fahrt mit den Shuttlebussen vom und zum Bahnhof Knittelfeld am Freitag noch zur chaotischen Geduldsprobe – funktionierte das Verkehrsleitsystem an den beiden Renntagen Samstag und Sonntag vorbildlich. „Die Organisation ist sehr gut“, sagte auch ein aus Wien angereister Fan über das Bemühen der Veranstalter.

Charles Leclerc
Reuters/Ronald Wittek
Leclerc stahl Verstappen (hinten) auf dessen Heimstrecke mit seinem Sieg die Show

Von Jetbus bis Starkoch

Dem Motorsport-Aficionado wurde jedenfalls alles geboten, was das Herz begehrt. Neben dem F1-Rennen sorgten auch Formel 2, Formel 3 und der Porsche-Cup für Action. Als Pausenprogramm flitzte zudem immer wieder der mit einem Flugzeugtriebwerk aufgemotzte Jetbus von „Oklahoma Willy“ über den Ring. Beim Legendenrennen, an dem auch der von Sohn Matthias gesteuerte Ferrari von 1974 von Niki Lauda und ein Red Bull der Weltmeisterjahre 2010 bis 2013 mit David Coulthard am Lenkrad um den Ring flitzten, hatte wohl mancher Nostalgiker Tränen in den Augen.

Mathias Lauda in altem Auto von Niki Lauda
GEPA/Wolfgang Grebien
Matthias Lauda jagte zur Freude der österreichischen Fans den Ferrari seines Vaters unfallfrei über den Ring

Sowohl in der Fanzone in der ehemaligen Hella-Licht-Schikane als auch im mondänen Paddock-Club gegenüber der Haupttribüne herrschte von früh bis spät großer Andrang. In den Trubel mischten sich wie immer auch viele Prominente. Von Snowboardüberfliegerin Anna Gasser über die Hollywood-Schauspielerin Kirsten Bell („Die Eiskönigin“) bis hin zu ehemaligen und aktuellen Skistars wie Hermann Maier und Henrik Kristoffersen sowie dem britischen Starkoch Gordon Ramsey holten sich die VIPs Appetit für die Wiederholung des Spektakels 2023 (30. Juni bis 2. Juli). Karten dafür sind seit Montag zu haben.

Gordon Ramsay
GEPA/Wolfgang Jannach
Der schottische Sternekoch Ramsey hatte zwei seiner Töchter mit in die Obersteiermark genommen

„Orange Army“ hat Ring im Griff

Das Rennwochenende 2023 dürfte so wie jenes 2022 ein weiteres Heimspiel für Verstappen werden. Wer eine besondere Abneigung gegen die Farbe Orange hat, war gut beraten, einen weiten Bogen um Spielberg zu ziehen. Nicht nur die Tribüne unter dem markanten Bullen in der Mitte des Red Bull Rings war fest in der Hand der niederländischen Fans, sondern auch auf den anderen Tribünen, egal ob Stahlrohr oder Natur, dominerte „Oranje“.

Großteils feierte die „Orange Army“ eine friedliche Party auf den Rängen, einzig bei der Person Lewis Hamilton warf so mancher Fan seine gute Manieren als Retourkutsche für Silverstone – wo Verstappen gnadenlos ausgebuht wurde – über Bord. Als etwa der siebenfache Weltmeister seinen Mercedes im Qualifiying im Reifenstapel verschrottete, brandete Riesenjubel unter den niederländischen Fans auf, obwohl zunächst nicht ganz klar war, ob sich Hamilton nicht gröbere Blessuren zugezogen hatte. Eine Empfehlung für einen Fairplay-Preis schaut anders aus.

Verstappen-Fans
GEPA/Wolfgang Jannach
Die „Orange Army“ verwandelte die Gegend rund um den Ring wieder in eine niederländische Kolonie

Berichte über Belästigungen trüben Bilanz

Apropos Manieren: Vier Tage in alkolhol- und testosterongeschwängerter Rennatmosphäre ließen bei manchem Zuschauer wieder einmal nicht nur sexistisches Machogehabe gegenüber Frauen zum Vorschein kommen, sondern beförderte auch rassistisches und homophobes Gedankengut aus den Untiefen der Seelen hervor. Anzügliche Sprüche, eindeutige Gesten und sogar Übergriffe sollen stattgefunden haben. Letzteres wurde allerdings von der Polizei nicht bestätigt.

Die Fahrer zeigten sich vom Verhalten von manchem Anhänger enttäuscht. „Das ist nicht okay. Ich habe ein paar Sachen gelesen, ein paar schockierende Sachen", sagte etwa Weltmeister Verstappen nach dem Rennen. „Ein normaler Mensch sollte solche Sachen nicht tun.“ GP-Sieger Leclerc pflichtete bei: „Wenn wir etwas tun können, sollten wir etwas tun.“ Auch Hamilton zeigte sich „angewidert und enttäuscht“, dass diese Dinge bei Großveranstaltungen immer wieder passieren. Sein Chef Toto Wolff erinnerte aber auch daran, nicht alle Fans in einen Topf zu werfen: „Ein paar Depperte gibt es immer.“

Der Internationale Motorsportverband (FIA) versprach, die vor allem auf sozialen Netzwerken verbreiteten Beschwerden nicht unter den Tisch fallen zu lassen: „Dieses Verhalten ist inakzeptabel und wird nicht toleriert“, so der Verband. Die Organisatoren der Formel 1 kündigten Gespräche mit jenen Personen an, die Vorfälle gemeldet hatten. Wie weit den Worten Taten folgen können, zeigt sich frühestens nächstes Jahr. Die Veranstalter, allen voran Erich Wolf, der Geschäftsführer des Rings, versprachen jedenfalls Konsequenzen für das Rennen 2023.