Tadej Pogacar beim Radfahren
APA/AFP/Anne-Christine Poujoulat
Tour de France

Pogacar stellt Rivalen in den Schatten

Die 109. Auflage der Tour de France ist für viele Fahrer schon auf den ersten neun Etappen eine Hochschaubahn der Gefühle gewesen. Zu den Gewinnern gehört unter anderen Tadej Pogacar, der die Konkurrenz bisher klar in den Schatten stellte und schon Erinnerungen an Eddy Merckx weckte. Für einige andere Fahrer wie auch Michael Gogl ging die Frankreich-Rundfahrt bereits schmerzhaft zu Ende. Der zweite Ruhetag am Montag bot Zeit für eine Zwischenbilanz.

Schon in den ersten Tagen ließ der Slowene Pogacar keine Zweifel an seiner Dominanz. Er glänzte auf der fünften Etappe auf dem Kopfsteinpflaster, holte sich einen Tag später das Gelbe Trikot. Der 23-Jährige verpasste nach zwei Etappensiegen ganz knapp seinen Hattrick in Lausanne. Die Konkurrenz kann nur hoffen, dass seine Mannschaft schwächelt und der Kapitän des UAE-Teams im Hochgebirge angreifbar ist.

Vergleiche mit Radlegende Merckx, der zu seiner aktiven Zeit den Spitznamen „Kannibale“ trug, wischte der Slowene jedoch lächelnd weg. „Wer will nicht immer gewinnen? Ich sehe mich aber nicht als Kannibalen“, sagte der 23-Jährige auf der Pressekonferenz am Ruhetag. Pogacar, der die Frankreich-Rundfahrt bereits in den vergangenen beiden Jahren gewann, liegt in der Gesamtwertung 39 Sekunden vor dem Dänen Jonas Vingegaard und 1:17 Minuten vor dem walisischen Ex-Tour-Champion Geraint Thomas.

Die Gegner sind in jedem Fall von der Leistung des Slowenen beeindruckt. „Er ist einfach ein Level drüber. Nibali und Contador waren große Kletterer (…), aber Pogacar hat einfach alles, er hat auch Sprintqualitäten“, analysierte Thomas. Ähnlich groß ist der Respekt bei Adam Yates: „Pogacar hat bisher keine Anzeichen von Schwäche gezeigt. Selbst auf den flachen Abschnitten ist er da und hält sich von Problemen fern. Wir müssen einfach auf unseren Moment warten und auf eine gute Gelegenheit warten.“

„Man sagt zum Gelben Trikot nicht Nein“

Das Gelbe Trikot womöglich einem Fahrer in einer Ausreißergruppe für einige Tage zu überlassen, um die eigene Mannschaft zu schonen, sei kein Thema. „Meine Teamkollegen lieben das Gelbe Trikot genauso wie ich. Das gibt man nicht so einfach her. Man sagt zum Gelben Trikot nicht Nein. Es ist etwas Spezielles.“ Gleichwohl weiß Pogacar, dass harte Tage warten. Vor allem die Hitze könnte in den nächsten Tagen ein Faktor werden.

„Keiner liebt es, bei 40 Grad zu fahren. Es wird eine harte Woche mit extremem Wetter. Ich bin bei heißem Wetter nicht so schlecht. Im Höhentrainingslager waren es auch harte Tage. Ich weiß, was kommt. Ich habe keine Angst“, sagte der Jungstar, der sich die Hauptrolle in den ersten Tour-Tagen mit Wout van Aert teilen musste. Dreimal wurde der Belgier Zweiter und hatte das Gelbe Trikot. Auf der vierten Etappe attackierte er schließlich zehn Kilometer vor dem Ziel und fuhr dem gesamten Feld davon. Nach seinem Solosieg in Calais siegte van Aert auch in Lausanne.

Kopfsteinpflasterpassage fordert ihre Opfer

Nicht so gut lief es unterdessen bisher für Primoz Roglic. Nach zwei Dramen 2020 und 2021 sollte bei dieser Tour alles besser werden. Doch der 32-Jährige untermauerte seinen Ruf als Bruchpilot und stürzte auf dem fünften Tagesabschnitt schwer. Obwohl er sich die ausgekugelte Schulter selbst wieder einrenkte, verlor er zwei Minuten auf die Topfahrer und damit die Tour. Noch schlimmer hatte es unter anderen den Oberösterreicher Gogl erwischt, dem ein nahe am Streckenrand stehender Zuschauer zum Verhängnis wurde.

„Ich habe mir das Becken, das Schlüsselbein und einen Rückenwirbel gebrochen“, schrieb der 28-Jährige am Freitag auf Instagram. „Ich bin dankbar, dass ich die Beine bewegen kann.“ Gogl musste eine Nacht auf der Intensivstation in einem Krankenhaus in Valenciennes verbringen, da eine Arterie beschädigt war. Der Schaden am Blutgefäß sei zum Glück unter Kontrolle gebracht worden, so Gogl.

Der schwere Sturz hatte sich auf einer Kopfsteinpflasterpassage am Mittwoch ereignet. Der Italiener Daniel Oss war mit einem unachtsamen Zuschauer am Rand zusammengeprallt und wie der hinter ihm fahrende Niederländer Danny van Poppel gestürzt. Der heranrasende Gogl konnte nicht mehr ausweichen und flog bei hoher Geschwindigkeit über das Rad von Oss. Während Gogl das Rennen sofort aufgab, fuhr Oss noch ins Ziel. Erst dort wurde am Mittwochabend ein Halswirbelbruch festgestellt, sodass der Routinier ebenfalls aufgeben musste.

Van der Poel und Wlassow mit schweren Beinen

Sportlich enttäuschend verlief die Rundfahrt bisher auch für Mathieu van der Poel. Der niederländische Klassikerspezialist hatte sich viel vorgenommen, wollte mindestens einen Tag im Gelben Trikot fahren. Doch selbst beim eigentlich starken Auftaktzeitfahren klagte van der Poel, er habe schlechte Beine gehabt. Die Formkurve kippte im Verlauf der ersten Woche immer weiter nach untern, bei der Kopfsteinpflasteretappe spielte der 27-Jährige keine Rolle. „Ich bin gerade nicht ich selbst. Aber ich werde kämpfen“, sagte van der Poel.

Mit seltenen und sehr selbstbewussten Aussagen hatte auch der Russe Alexander Wlassow vor der Tour aufhorchen lassen. Er wolle versuchen, das Rennen zu gewinnen. Schon nach neun Etappen ist das wohl aussichtslos. Ein Sturz auf der sechsten Etappe schwächte den Russen, der bei der ersten Bergankunft über eineinhalb Minuten auf Pogacar verlor. Auch am Sonntag verlor Wlassow weitere Sekunden. Das Podest in Paris wird immer unwahrscheinlicher.

109. Tour de France

Gesamtwertung

Stand nach neun von 21 Etappen:
1. Tadej Pogacar SLO 33:43:44
2. Jonas Vingegaard DEN + 0:39
3. Geraint Thomas GBR 1:17
4. Adam Yates GBR 1:25
5. David Gaudu FRA 1:38
6. Romain Bardet FRA 1:39
7. Thomas Pidcock GBR 1:46
8. Enric Mas ESP 1:50
9. Neilson Powless USA 1:55
10. Nairo Quintana COL 2:13
11. Primoz Roglic SLO 2:52
12. Alexander Wlasow RUS 3:12
20. Patrick Konrad AUT 7:48
41. Sebastian Schönberger AUT 29:58
66. Felix Großschartner AUT 42:17
89. Gregor Mühlberger AUT 51:35
116. Marco Haller AUT 1:01:56
Ausgeschieden: Michael Gogl (AUT)

Etappenplan 2022

01.07. 1. Etappe Kopenhagen - Kopenhagen (13,2 km/EZF)
02.07. 2. Etappe Roskilde - Nyborg (202 km)
03.07. 3. Etappe Vejle - Sönderborg (182 km)
04.07. 1. Ruhetag
05.07. 4. Etappe Dünkirchen - Calais (172 km)
06.07 5. Etappe Lille - Arenberg (157 km)
07.07. 6. Etappe Binche - Longwy (220 km)
08.07. 7. Etappe Tomblaine - Planche des Belles Filles (176 km/BAK)
09.07. 8. Etappe Dole - Lausanne (186 km)
10.07. 9. Etappe Aigle - Chatel les Portes du Soleil (193 km)
11.07. 2. Ruhetag
12.07 10. Etappe Morzine - Megeve (148 km)
13.07. 11. Etappe Albertville - Col de Granon (152 km/BAK)
14.07. 12. Etappe Briancon - Alpe d'Huez (166 km/BAK)
15.07. 13. Etappe Le Bourg-d'Oisans - Saint-Etienne (193 km)
16.07. 14. Etappe Saint-Etienne - Mende (192 km)
17.07. 15. Etappe Rodez - Carcassonne (202 km)
18.07. 3. Ruhetag
19.07. 16. Etappe Carcassonne - Foix (179 km)
20.07. 17. Etappe Saint-Gaudens - Peyragudes (130 km/BAK)
21.07. 18. Etappe Lourdes - Hautacam (143 km/BAK)
22.07. 19. Etappe Castelnau-Magnoac - Cahors (189 km)
23.07 20. Etappe Lacapelle-Marival - Rocamadour (40,7 km/EZF)
24.07. 21. Etappe Paris - Paris Champs-Elysees (116 km)

BAK = Bergankunft
EZF = Einzelzeitfahren

Gesamtlänge: 3.350 km