Die norwegische Stürmerin Ada Hegerberg
APA/AFP/Ben Stansall
Fußball-EM

Norwegens 0:8 für ÖFB-Team auch Warnung

Österreich hat das Mindestziel bei dieser Fußballeuropameisterschaft erreicht. Das ÖFB-Team erfüllte mit dem 2:0 gegen Nordirland die Pflicht und hat nun sein anvisiertes Aufstiegsfinale am Freitag (21.00 Uhr, live in ORF1) gegen Norwegen. Ein Remis in Brighton reicht gegen die Skandinavierinnen, nachdem diese gegen England völlig überraschend mit 0:8 (0:6) untergegangen waren. Davon lässt sich das ÖFB-Team aber nicht blenden, zudem versteht man es auch als Warnung. Denn die stolze Frauen-Fußballnation ist gereizt.

„Man darf sich von dem Ergebnis nicht täuschen lassen, sie haben noch immer eine der besten Offensivabteilungen Europas“, meinte etwa Carina Wenninger am Dienstag, der eine Niederlage um ein paar Gegentore weniger auch gereicht hätte. „Als Großnation wollen sie sich sicher nicht noch einmal diese Blöße geben“, vermutete die 31-jährige Innenverteidigerin beim zweifachen Europameister nun auch eine überbordende Motivation zur Wiedergutmachung, auch wenn man nach einem 0:8 „als Sportler richtig deprimiert sein kann“.

Teamchefin Irene Fuhrmann stimmte ihrer erfahrenen Spielerin zu. „Das Ergebnis war in dieser Höhe nicht zu erwarten. Es hat die Nummer acht gegen die Nummer elf der Welt gespielt. Aber so etwas kann vorkommen, wenn ich an die WM 2014 zurückdenke, wo Deutschland sehr, sehr hoch gegen Brasilien gewonnen hat“, meinte die 41-Jährige. „Wir wissen, wie stark Norwegen agieren kann und wie diese Niederlage eingeleitet wurde – durch einen, wie ich finde, billigen Elfmeter. Wir müssen am Freitag sehr, sehr hart arbeiten.“

Erneut CoV-Ausfall in Nationalteam

Ausgerechnet vor dem EM-Gruppenfinale wird Katharina Naschenweng positiv auf das Coronavirus getestet. Der Frust vor de Spiel gegen Norwegen ist groß.

Die Überraschung kannte allerorts keine Grenzen, schließlich ist Norwegen nicht irgendjemand im Frauen-Fußball. Nur Italien hat auch zwölf- von 13-mal an der EM teilgenommen. Nach Rekordsieger Deutschland (8) gewann man den Titel als einziger öfter als einmal. Die Triumphe liegen zwar schon einige Zeit zurück (1987, 1993), 2017 schied man in der Gruppenphase sogar aus, doch allein das 4:1 gegen Nordirland zum Auftakt zeigte über weite Strecken ihre Qualitäten.

Wenninger und Puntigam bei der ÖFB-Pressekonferenz

Die beiden erfahrenen Spielerinnen sprachen am Dienstag vor allem auch über den nächsten Gegner Norwegen.

Norwegen leckt seine Wunden

„Wir hatten eigentlich einen guten Start, kassieren dann das erste Tor und dann hat England freie Bahn. Das ist inakzeptabel“, meinte der Star der Norwegerinnen, Ada Hegerberg. „Die Niederlage wirft uns heftig auf den Boden, aber wir müssen trotzdem die Köpfe oben halten“, forderte die Champions-League-Siegerin von Olympique Lyon, die mit Caroline Graham Hansen (Barcelona) und Guro Reiten (Chelsea) „eine der gefährlichsten Offensiven Europas“ (Wenninger) bildet.

Die norwegischen Teamspielerinnen Ingrid Syrstad Engen und Julie Blakstad
AP/Cal Sport Media/Paul Terry
Ratlos in Brighton: Norwegens stolze Frauen-Fußballnation erlebte ein historisches Debakel

Die Defensive war hingegen vor fast 30.000 Zuschauern in Brighton völlig überfordert. „Es war schwierig, die Räume und unsere Box zu verteidigen, es war ein harter Arbeitstag. Wir stecken alle gemeinsam in diesen Schwierigkeiten“, so Hegerberg, die keine Entschuldigungen suchte. „Jeder fühlt sich verwüstet. Mir tut es extrem leid für die Spielerinnen, dass sie 0:8 verloren haben in einem Spiel, auf das wir so lange hingefiebert haben“, meinte Teamchef Martin Sjögren. Am Anfang habe man gut gespielt. „Die restlichen 85 Minuten waren grauenhaft, es war ein abscheulicher Abend“, betonte der 45-Jährige.

England düpiert Norwegen

Eine historische Niederlage gab es für Norwegen am Montag beim Match gegen England, das mit 0:8 endete. Den Norwegerinnen bleibt kaum Zeit, dieses Debakel zu verdauen.

Sjögren kommt Rücktrittsaufforderungen nicht nach

In der stolzen Frauen-Fußballnation war diese historische Blamage naturgemäß Tagesthema. Am Matchabend sprach der Fernsehsender TV2 von „einer der dunkelsten Nächte in der Geschichte des Nationalteams“. Am nächsten Tag war die höchste EM-Niederlage aller Zeiten dann auch Aufmacher auf der Homepage einer der größten Tageszeitungen („VG“). Sjögren kam Rücktrittsaufforderungen indes nicht nach. „Ich bin nicht derjenige, der geht, wenn es Gegenwind gibt. Ich habe keine Gedanken oder Ideen, mich zurückzuziehen. Das wäre sehr feige“, sagte der Teamchef, der aus Schweden kommt.

Screenshot der norwegischen Nachrichtenseite www.vg.no
Screenshot www.vg.no
Norwegens Teamchef verzichtet auf Rücktritt: „Das wäre sehr feige“

„Froh, dass wir England schon hatten“

Wenniger zeigte sich froh darüber, dass man sich mit den „Lionesses“ bereits zum Auftakt duelliert hatte. „Wie ich England gestern gesehen habe, da bin ich richtig froh, dass wir sie im ersten Spiel schon gehabt haben. Sie sind so richtig in Fahrt gekommen“, sagte die Verteidigerin, die Rekordspielerin bei Bayern München ist, aber nach der EM auf eigenen Wunsch für eine Saison an die AS Roma verliehen wird.

ÖFB-Spielerin Carina Wenninger
GEPA/Michael Zemanek
Wenninger kennt das Fußballgeschäft lange genug und lässt sich von einem Ergebnis nicht täuschen

Österreich hatte sich zum Auftakt vor ausverkauftem Haus im Old Trafford wacker geschlagen und ließ nur ein Gegentor zu. Dass das nicht selbstverständlich ist, bewiesen die Testspielergebnisse des Teams der nach wie vor ungeschlagenen Trainerin Sarina Wiegman. 5:1 gegen Titelverteidiger Niederlande, 4:0 in der Schweiz. Auch in diesen Fällen überrollten sie die Gegnerinnen binnen weniger Minuten.

TV-Hinweis

ORF1 überträgt das Duell Österreich – Norwegen um den Aufstieg (Freitag, 21.00 Uhr) live, die Vorberichterstattung beginnt bereits um 18.45 Uhr mit der Sendung „Heimspiel“.

Das ÖFB-Team war beim 0:1 zwar offensiv abgemeldet, aber man ließ zumindest keine weiteren Gegentore zu. Gegen Nordirland stand die Null. Wenn das ebenfalls gegen Norwegen gelingt, ist man weiter. Über die Außen hat man Möglichkeiten gesehen, den Norwegerinnen Schmerzen bereiten zu können. Zudem wisse man, dass man sich in Spielen gegen gute Mannschaften auch steigern kann. „Dass wir gesehen haben, dass wir auch gegen die großen Nationen mithalten können, das stärkt unser Selbstbewusstsein sehr“, meinte Wenninger, die es mit dem Team 2017 bei der Premiere bis ins Halbfinale geschafft hatte. Klar ist auch: „Wir werden in allen Bereichen Steigerung brauchen.“

Österreich spielt nicht auf Remis

Nach einem Tag Verschnaufpause bereitet sich Österreich auf das Endspiel um den Aufstieg vor. Dass schon ein Unentschieden den zweiten Viertelfinal-Einzug bedeuten könnte, lässt Fuhrmann kalt. „Es ändert sich in der Vorbereitung gar nichts. Wir wollen auf Sieg spielen, ein Unentschieden kann man nicht planen“, meinte die Teamchefin am Dienstag. „Basis wird sein, dass wir defensiv sehr gut arbeiten. Wenn wir die Null halten können, wäre das wünschenswert. Ich bin aber überzeugt, dass wir Norwegen in der ein oder anderen Situation am falschen Fuß erwischen können“, hofft sie auf erfolgreiche Nadelstiche, um ins Viertelfinale aufzusteigen. Dort wartet bereits Deutschland.