Carina Wenninger (Bayern München)
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Fußball-EM

In Deutschland reiften viele ÖFB-Karrieren

Es wird für alle Protagonistinnen ein besonderes Spiel, nicht nur weil es um den Einzug ins Halbfinale der Fußballeuropameisterschaft geht. Wenn am Donnerstag (21.00 Uhr, live in ORF1) Österreich in Brentford auf Deutschland trifft, kommt es auch zu einem großen „Klassentreffen“. 20 DFB-Teamspielerinnen stehen in ihrer Heimat unter Vertrag, 13 aus Österreich. In der deutschen Bundesliga reiften viele österreichische Fußballkarrieren.

„Das ist ein Statement für die Liga, weil dort viele Österreicherinnen spielen“, sagte DFB-Teamchefin Martina Voss-Tecklenburg nach dem Aufstieg des ÖFB-Teams in die K.-o.-Phase. „Im Viertelfinale stehen die besten Teams, und da gehört Österreich dazu.“ Die erste Glückwunsch-SMS ging an Teammanagerin Isabel Hochstöger, man kennt sich gut und schätzt sich. „Martina verfolgt unseren Weg schon sehr lange und sehr genau. Sie schätzt, welche Arbeit bei uns geleistet wird, was über die Jahre alles entstanden ist“, sagte Hochstöger im ÖFB-Teamquartier.

Ziemlich offensichtlich ist die besondere Beziehung, wenn es um die Österreicherinnen geht, die in Deutschland leben und arbeiten. Zumal es der nächste logische Schritt ist, nachdem man in der heimischen Liga als Teenager den Plafond bald erreicht hat. Fast das gesamte ÖFB-Team hat sich dort fußballerisch etabliert. „Es war schon immer ein bisschen so, dass die Spielerinnen nach Deutschland gehen, deshalb ist es automatisch so, dass sie das als gutes Sprungbrett sehen“, sagte Laura Feiersinger, die seit 2010 in Deutschland dem Leder nachjagt.

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Noch länger war Carina Wenninger dort aktiv, nach 15 Jahren erfüllt der FC Bayern seiner Rekordspielerin aber ihren lang gehegten Wunsch für einen Wechsel in den Süden. Die AS Roma ist es geworden, nach einem Jahr wird sie wieder zurückkehren. Viktoria Schnaderbeck und Manuela Zinsberger haben früher auch bei den Bayern gespielt, von dort schafften sie es auf die Insel zu Arsenal. Auch Laura Wienroither spielt bei den „Gunners“, zuvor war sie bei der TSG Hoffenheim aktiv.

TV-Hinweis

ORF1 überträgt das Viertelfinale Österreich – Deutschland (Donnerstag, 21.00 Uhr) live in ORF1 und im Livestream.

Die Vorberichterstattung startet um 18.00 Uhr mit der Sendung „Heimspiel“.

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Kurzum: Man kennt sich. „Ich freue mich mega, die halbe Bayern-Mannschaft spielt ja da“, sagte Wenninger vorab, die den wachsenden Respekt für das ÖFB-Team über die Jahre mitbekommen hat. „Wir sind früher schon ernst genommen worden, das hat sich aber in den letzten Jahren noch einmal stark verändert. Sie wissen genau, was wir in den letzten Jahren geleistet haben und dass dieses Spiel eine richtige Herausforderung für sie wird“, so die 31-Jährige vor dem Duell mit Freundinnen.

Billa als Deutschlands Spielerin des Jahres 2021

Eine Herausforderung heißt Nicole Billa: Die Tirolerin, die beim 1:0 gegen Norwegen ihren ersten Treffer bei einer EM-Endrunde erzielte, holte 2021 als erste Österreicherin den Titel der Torschützenkönigin in der deutschen Liga und wurde in weiterer Folge auch als Deutschlands Fußballerin des Jahres ausgezeichnet – wenig überraschend dann auch in Österreich. Die Stürmerin spielt schon seit sieben Jahren bei der TSG Hoffenheim, mit ihr in der kommenden Saison auch weiter Katharina Naschenweng sowie Julia Hickelsberger-Füller, die von Serienmeister St. Pölten kommt.

Trotz der logischen Anfragen nach 23 Volltreffern blieb Billa ihrem Club treu, verlängerte auch bis 2024. „Für mich steht das Finanzielle nicht im Vordergrund, dass ich mich wohlfühle, wie hier in der Region, es mir gut geht, und das Familiäre, das Hoffenheim bietet, war mir ein Stück weit wichtiger“, sagte sie Ende des Jahres 2021. Die frühere Juniorinnen-Weltmeisterin im Kickboxen ist auch als Erzieherin tätig.

ÖFB-Legionärinnen unter Vertrag in Deutschland

Bayern München: Sarah Zadrazil

Eintracht Frankfurt: Barbara Dunst, Verena Hanshaw, Laura Feiersinger, Virginia Kirchberger

Turbine Potsdam: Marie-Therese Höbinger

TSG Hoffenheim: Nicole Billa, Julia Hickelsberger-Füller, Katharina Naschenweng

1. FC Köln: Celina Degen, Jasmin Pal, Sarah Puntigam

Werder Bremen: Katharina Schiechtl

„Abseits des Platzes ist sie eher ein bisschen introvertiert und muss nicht im Mittelpunkt stehen“, sagt ihr Trainer Gabor Gallai, der ihre Qualitäten auf dem Platz lobt. „Nici ist sehr fußballintelligent, so ein bisschen die Rhythmusgeberin, wenn es ums Anlaufen geht – sehr kaltschnäuzig bei den Chancen.“ In Hoffenheim wird sie auch von der DFB-Rekordtorschützin und Sportpsychologin Birgit Prinz begleitet. Die Fußballlegende ist bei dieser EM beim DFB an Bord.

Wenninger darf „selbstverständlich“ wechseln

Wenninger ist eine fußballerische Legende, wenn es um den FC Bayern geht, schließlich ist sie Rekordspielerin und hat ihren fixen Platz im hiesigen Museum. Sie genießt so ein hohes Standing bei den Bayern, dass sie den Club für ein Jahr verlassen darf. „Ein großer Wunsch von mir, den ich schon seit sehr langer Zeit hatte, ist in Erfüllung gegangen“, sagte sie nach ihrem Wechsel nach Rom.

„Ich will für meine Entwicklung eine neue Sprache mitnehmen und eine andere Art und Weise von Fußball sehen, aus der Komfortzone raus.“ Bayerns Fußballabteilungsleiterin Karin Danner bezeichnete es in einer Aussendung als „Selbstverständlichkeit“, den Wunsch zu erfüllen.

Ausstellungsansicht im Bayern-Museum
ORF.at/Bernhard Kastler
Im Museum des FC Bayern kommt man an dieser Österreicherin nicht vorbei: Rekordspielerin Wenninger

Damit ist Sarah Zadrazil vorerst die einzige Bayern-Spielerin aus Österreich, seit 2007 spielte zumindest immer eine heimische Kickerin für die Münchnerinnen, meistens mehrere. „Es gibt auch nicht mehr viele Vereine, die über Bayern stehen. Ich fühle mich schon sehr wohl hier“, sagte Zadrazil in einem Gespräch mit ORF.at Anfang März. Auch die Salzburgerin, die als vierte Österreicherin ihr 100. ÖFB-Spiel absolvieren wird, hat sich in Deutschland entwickelt, verließ die Komfortzone Potsdam und nahm die Herausforderung Bayern an.

Frankfurt als Österreicher-Verein

Die meisten Teamspielerinnen spielen derzeit in Frankfurt. Mit Laura Feiersinger, Verena Hanshaw und Barbara Dunst sowie die in den Kader nachgerückte Virginia Kirchberger sind es gleich vier Kickerinnen, die in Frankfurt unter Vertrag stehen. Wiederum vier spielen auch im deutschen Nationalteam. „Ich kenne die Leute von zu Hause, weiß, wie verrückt sie sind. Es hat mich gar nicht überrascht, Barbara Dunst mit dem Stuhl über dem Kopf zu sehen, das sind Bilder, die kenne ich schon“, sagte Stürmerin Laura Freigang vor dem Spiel.

In Frankfurt gab es in diesem Jahr überhaupt viel zu feiern, die Frauen sicherten sich als Dritte hinter Meister Wolfsburg und Bayern die Champions-League-Teilnahme, die Herren holten sensationell den Titel in der UEFA Europa League – angeführt vom oberösterreichischen Trainer Oliver Glasner. Die Frankfurterinnen wohnten dem Endspiel in Sevilla bei und konnten so gleich weiterfeiern. Mit dem heutigen Frühpensionisten Martin Hinteregger, der verletzt zuschauen musste, sowie Stefan Ilsanker, der nun ebenfalls den Verein verlassen hat.

„Wir Österreicher sind in Deutschland beliebt“

Die Österreicherinnen sind in Deutschland quer verstreut. Der 1. FC Köln wird mit Rekordteamspielerin Sarah Puntigam, die schon vier Jahre in Freiburg gespielt hatte und nun mit ihrer Frau spielen wird, Verteidigerin Celina Degen und Torfrau Jasmin Pal bald drei ÖFB-Legionärinnen vereinen, Katharina Schiechtl steht seit langer Zeit bei Werder Bremen unter Vertrag. Jenen beim SC Sand, wo einst auch ÖFB-Rekordtorschützin Nina Burger spielte, ließ Marina Georgieva nach dem Abstieg auslaufen, die Zukunft entscheidet sich nach der EM.

Sie kennt jedenfalls auch noch einen Grund für das hohe Ansehen der Österrreichinnen in Deutschland: „Ich würde sagen, dass die Deutschen manchmal etwas eingeschränkter sind, etwas stockiger, kühler als wir Österreicher. Wir gelten als die Lustigen, Lockeren. Ich würde behaupten, dass wir Österreicher in Deutschland beliebt sind.“