Deutsche Spielerinnen auf dem Platz
AP/Rui Vieira
Fußball-EM

Was das deutsche Team auszeichnet

Deutschland geht bei der EM in England als Favorit in das brisante Viertelfinal-Duell mit Österreich am Donnerstag (21.00 Uhr, live in ORF1). Das liegt nicht nur an der erfolgreichen Turnierhistorie, sondern auch an dem bisher Gezeigten bei dieser Endrunde. „Sie sind auch lockerer geworden“, stellte ÖFB-Rekordtorschützin und ORF-TV-Expertin Nina Burger im Gespräch mit ORF.at eine neu gewonnene Qualität bei Deutschland fest. Ihren früheren Mitspielerinnen traut sie in Brentford nichtsdestoweniger eine Überraschung zu.

Der Rekordeuropameister Deutschland ging nicht als Mitfavorit in diese Endrunde, nach der Gruppenphase hat sich das geändert. „Sie haben bislang performt und mit den Spielen ist ihr Selbstbewusstsein gestiegen“, erklärte die 34-jährige Burger, die mit 53 Toren die Bestmarke unter Österreichs Fußballerinnen hält. Die Spielerinnen kennt sie nur zu gut („Ich habe fast gegen alle damals gespielt“), das DFB-Team bezeichnete sie im Vorfeld als „dynamisch und physisch“.

ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann titulierte den Gegner im Vorfeld gar als „Übermacht“, was allerdings der Geschichte geschuldet sei. Acht EM-Titel, zwei WM-Titel, ein Olympiasieg sprechen für sich. Zuletzt war die stolze Frauen-Fußballnation 2017 als auch 2019 schon im EM- bzw. WM-Viertelfinale gescheitert. Das Image war angekratzt, in England nahm das DFB-Team nun aber wieder Fahrt auf. „Sie haben kaum Schwächen, einen ausgeglichenen Kader, aber auch wiederum individuelle Qualitäten“, erklärte Fuhrmann vor dem Prestigeduell.

Österreich fordert Deutschland heraus

Das EM-Spiel zwischen Österreich und Deutschland wird mit Spannung erwartet.

„Dynamisches und physisches Team“

4:0 gegen Dänemark, 2:0 gegen Spanien, 3:0 gegen Finnland. Drei Spiele, drei Siege, 9:0 Tore. Das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg qualifizierte sich souverän für das Viertelfinale. „Sie sind ein dynamisches, physisches Team. Sie kommen über die Flanken, können aber auch ein Kurzpassspiel aufziehen“, urteilte Burger, die wie so viele ÖFB-Teamspielerinnen in der deutschen Bundesliga spielte, in ihrem Fall von 2015 bis 2019 bei SC Sand in Baden-Württemberg.

Nina Burger
APA/Georg Hochmuth
Burger ist beim Viertelfinal-Duell gegen Deutschland als ORF-TV-Expertin im Einsatz

Qualität von hinten bis vorne

Das DFB-Team bringt Qualität von hinten bis vorne mit, wie Burger weiß. Torhüterin Merle Frohms, die zum Block des deutschen Meisters VfL Wolfsburg gehört, hat bisher noch kein Gegentor erhalten. „Sie ist ein sicherer Rückhalt, hat dreimal zu null gespielt, das spricht für sich.“

TV-Hinweis

Der ORF überträgt das Viertelfinale Österreich – Deutschland (Donnerstag, 21.00 Uhr) live in ORF1 und im Livestream.

Die Vorberichterstattung startet bereits um 18.00 Uhr mit der Sendung „Heimspiel“.

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Die Verteidigerinnen seien im Zentrum nicht die schnellsten, stünden aber kompakt. Im Mittelfeld ist Lena Oberdorf ein passendes Beispiel für den deutschen Umschwung. „Sie gehört zu diesen jungen Stammkräften im Team, hilft auch viel der Defensive“, betonte Burger.

Eine Reihe weiter vorn drücken die routinierten Svenja Huth („Eine, die nicht nur im Zweikampf stark, sondern auch schnell und torgefährlich ist“) und Alexandra Popp dem deutschen Spiel den Stempel auf. Letztere traf in allen drei Partien. Bayern-Stürmerin Lea Schüller ist nach ihrer CoV-Pause wieder einsatzbereit, wohl für mehr als einen Kurzeinsatz. „Manchmal kann man ja den inneren Schweinehund ganz gut überwinden, und dass sie einen großen Willen hat, steht außer Frage“, verlautete Voss-Tecklenburg.

Ein Kopfball wie ein Schuss

Popp startete als „Joker“ und stand zuletzt zweimal in der Startelf. „Sie rackert zu 100 Prozent, hat ein tolles Kopfballspiel, schießt gut und antizipiert im Spiel. Sie hat natürlich eine Führungsrolle innerhalb des Teams und bringt die Erfahrung mit“, so Burger über die 31-jährige Kapitänin. Die Kopfballstärke Popps umschrieb Fuhrmann übrigens wie folgt: „Sie hat einen Kopfball, wie manche von uns stark schießen.“

Alexandra Popp (GER) und Natalia Kuikka (FIN)
APA/Georg Hochmuth
Popps Kopfbälle sind gefürchtet

Auf der Trainerbank sitzt mit Voss-Tecklenburg eine alte Bekannte für das ÖFB-Team. Die Deutsche traf vor fünf Jahren noch als Teamchefin der Schweiz auf Österreich, unterlag damals zum Auftakt der EM 2017 mit ihrem Team mit 0:1. Burger hatte einst das Goldtor erzielt. „Das habe ich verdrängt“, erklärte Voss-Tecklenburg bei der Pressekonferenz vor dem Spiel im Brentford Community Stadium mit einem Lächeln, auch Burger quittierte die Aussage im Hintergrund mit einem Grinsen.

Deutschland mit neuem Teamspirit

Die Teamchefin sei jedenfalls auch ein Faktor für den Aufschwung. „Sie macht ihre Sache gut, hat einen Plan, das Team zusammengebracht.“ Der Teamspirit ist jenem der Österreicherinnen ähnlich, nach Spielen wird nun auch getanzt. „Das hat es bei ihnen früher nicht gegeben“, betonte Burger. Fuhrmann gab der früheren Stürmerin recht: „Im Turnier ist es Deutschland auch gelungen, als Kollektiv aufzutreten.“

Der sportliche Leiter der deutschen Nationalmannschaften, Joti Chatzialexiou, gab dem Spiel daher gleich die Überschrift: „Herz gegen Herz“. Auf dem Platz erwarten beide Teams einen heißen Tanz, die Freundschaften zwischen den Spielerinnen, die teils bei denselben Clubs in der Liga spielen, werden ruhen. Frankfurts Sara Doorsuun richtete ihren vier österreichischen und feierwütigen Clubkolleginnen etwas aus: „Es geht ja am Ende nicht darum, wer am Ende besser feiern kann, sondern wer auf dem Platz die bessere Leistung bringt.“

DFB-Team nimmt Favoritenrolle an

Die Nummer fünf der Welt geht als Favoritin in die Partie und nimmt diese Rolle auch an. „Aber alleine deswegen werden wir das Spiel nicht gewinnen. Wir stellen uns der Herausforderung, wir müssen unsere Leistung bringen und das Spiel mit Leben füllen. Wenn wir unsre Qualität auf den Platz bringen, wird es für viele Gegner schwer, uns zu schlagen“, betonte Voss-Tecklenburg, deren Team in Brentford, einem Londoner Stadtteil, schon ihr drittes EM-Spiel absolviert.

Fußball-EM, Viertelfinale

Beginn 21.00 Uhr (live in ORF1 und im Livestream)

Deutschland – Österreich

London, Brentford Community Stadium, SR Welch (ENG)

Deutschland: Frohms – Gwinn, Hendrich, Hegering, Rauch – Oberdorf, Däbritz, Magull – Huth, Popp, Bühl

Österreich: Zinsberger – Wienroither, Wenninger, Schnaderbeck, Hanshaw – Zadrazil, Puntigam, Feiersinger – Hickelsberger-Füller, Billa, Dunst

Gegen Österreich spielte das DFB-Team in seiner Geschichte erst zweimal in Freundschaftsspielen und gewann 2016 (4:2) und 2018 (3:1). Voss-Tecklenburg hat die Entwicklung in Österreich genau mitverfolgt. „Sie haben an Spielqualität gewonnen, haben einen Plan in alle Richtungen und sind reifer geworden als vor fünf Jahren. Und da sind sie schon weit gekommen.“

Burger hat vor Duell „gutes Gefühl“

Damals war Burger noch selbst auf dem Spielfeld, nun schaut sie von außen zu. Was die Chancen Österreichs betrifft, hat die Niederösterreicherin „ein gutes Gefühl“ vor dem brisanten Duell. „Weil wir bislang auch super performt haben. Wir sind in einem Flow drin.“ Vor fünf Jahren führte dieser sie mit Österreich bis ins Semifinale bei der EM in den Niederlanden. Träumen ist erwünscht.

„Deutschland ist Favorit, aber wenn wir kompakt sind und alles reinhauen, ist alles möglich“, betonte Burger, die auf geglückte Pressingphasen der Finninnen im letzten Spiel oder die 2:3-Niederlage der Deutschen gegen Serbien in der WM-Qualifikation verwies. „Es wird ein intensives Spiel und auch darauf ankommen, wer den längeren Atem hat.“