Brad Binder (Red Bull KTM Factory Racing)
APA/AFP/Adrian Dennis
Motorrad

KTM sucht vor Spielberg Angriffslust

Mit dem Grand Prix von Österreich steigt kommenden Sonntag in Spielberg für KTM wieder einmal das große Heimspiel. Österreichs Motorradhersteller blickt auf dem Red Bull Ring auf erfolgreiche Auftritte mit Siegen für Miguel Oliveira und Brad Binder bei den Covid-19-Doppeln 2020 und 2021 zurück, kämpft vor dem Heimspiel-GP allerdings mit Problemen im Qualifying. Für das Heimspiel benötigt KTM jedenfalls neue Angriffslust.

Nach dem starken Saisonstart inklusive Sieges von Oliveira beim zweiten Saisonlauf in Indonesien, der KTM die Führung in der Konstrukteurs- und Teamwertung einbrachte, erfolgte ein Rückfall. Festgemacht wird das an der Schwäche im samstägigen Kampf um die Plätze in der Startaufstellung. „Da haben wir den Zug verpasst. Die Jungs gehören in die ersten zwei Startreihen, damit sie um Podiums kämpfen können“, gab Sportdirektor Pit Beirer zu.

Der 49-jährige Deutsche verwies auf die Konkurrenz, die für den Kampf um die Bestzeit über eine Runde extra abgestimmte, aggressive Bikes hat. „Da hat sich die Konkurrenz enorm gesteigert, das haben wir momentan nicht drauf“, so Beirer, der Abhilfe erst für 2023 erwartet. Damit muss man bei KTM auch die Saisonziele revidieren. Nach zwölf Rennen ist Binder mit 98 Zählern Rückstand nur WM-Siebenter. „Es gibt nichts schönzureden, wir sind nicht zufrieden“, so Beirer.

KTM-Motorsportchef Pit Beirer
GEPA/Daniel Goetzhaber
KTM-Sportdirektor Beirer ist davon überzeugt, dass nur noch wenig zum ganz großen Durchbruch fehlt

Binder zündet erst im Rennen Turbo

Auch Binder leidet sehr unter der Qualischwäche. Er hat zwar in den bisherigen Rennen insgesamt 58 Plätze gut gemacht. „Das sollte eigentlich nicht sein“, macht er aber klar, was bei guten Qualifyings möglich gewesen wäre. „Das Thema ist unsere ungelöste Gleichung“, gibt auch Beirer offen zu. Auch für Spielberg ist keine Lösung zu erwarten. „Letztlich spielt es aber keine Rolle, ob wir die Fehler am Samstag oder am Sonntag machen. Wir sind hinter unseren eigenen Erwartungen und arbeiten dran, das zu beheben“, so Beirer.

Gegen einen weiteren Heimsieg spricht auch die neue Schikane. Diese wurde nach schweren Crashes vor der bisher mit weit über 300 km/h angebremsten Kurve 3 eingebaut und soll die Bikes langsamer machen und die Fahrersicherheit erhöhen. Im Formel-1-Layout hat es seit der MotoGP-Rückkehr 2016 nach Österreich nur Siege für die Powerbikes von Ducati (sechs) und KTM (zwei) gegeben. Jetzt gibt es zwei Erstegangkurven mehr, womit wohl mehr Marken ins Spiel kommen.

KTM steht vor Saison der Wahrheit

Bei KTM ticken die Uhren punkto Qualifying ohnehin bereits für 2023. Man steht im sechsten vollen MotoGP-Jahr und hält nach exakt 100 GP-Rennen bei sechs Siegen und 15 Podiums. Dass Partner Red Bull in der Formel 1 schon im sechsten WM-Jahr erstmals den Titel gewonnen hat, „stachelt an, auch wenn unsere Referenz dafür eher der Dakar-Sieg ist“, so Beirer. Klar sei aber: „Du bekommst in dieser Klasse nicht ewig Zeit. Nächste Saison, unsere siebente, ist dann sicherlich das Entscheidungsjahr für die Zukunft.“

Miguel Oliveira (Red Bull KTM Factory Racing)
Reuters/David Buono/icon Sportswire
Oliveira ist bei der Fahrerbesetzung für die nächste Saison zurzeit das Zünglein an der Waage

Näherliegend ist die aktuelle Fahrersituation, nachdem 2023 Jack Miller anstelle Oliveiras im Factory-Team fahren wird. Was zunächst erstaunt, ist der Portugiese mit vier Siegen doch erfolgreichster KTM-Pilot in der MotoGP. Auf den angebotenen Wechsel ins Satellitenteam Tech3 hat Oliveira negativ reagiert, seitdem hängt er in der Luft. „An guten Tagen ist Miguel unschlagbar. Er hat aber leider auch lange Durststrecken“, erklärt Beirer die Entscheidung für Miller.

Suche nach perfektem Fahrerquartett

„Unser Wunsch war, mit den Aggressiven Binder und Miller auf der einen Seite eine Entschlossenheit ins Team zu bringen.“ Mit Oliveira und der voraussichtlichen Rückkehr von Pol Espargaro bei Tech3 hätte man das „Dreamteam“ schlechthin gehabt. Beirer: „Da hat Miguel in aller Freundschaft aber nicht mitgespielt.“ Noch aber ist der vierte Fahrer bei KTM nicht fix. „Und so lange bleibt unsere Tür offen“, betont Beirer gegenüber der APA.

Gibt es also noch eine Überraschung? „Ich hätte gerne weitergemacht“, sagte Wahlösterreicher Oliveira vor dem Spielberg-Rennen. „Ich habe noch nirgends unterschrieben. Das Gute ist, dass ich auch nächstes Jahr wohl weiter auf der Rennstrecke sein werde.“ Ob das zweite KTM-Team 2023 weiter als Tech3 oder dann als GasGas – eine weitere Marke aus der Pierer-Mobility – antritt, wird womöglich in Spielberg offiziell. „Die Gerüchte darüber werden sich am Wochenende verdichten“, klärte Beirer auf. „Wir haben aber so oder so weiter unseren Auftritt über vier baugleiche Werksmotorräder geplant.“

Der Deutsche ist insgesamt überzeugt, dass nur noch wenig zum ganz großen Durchbruch fehlt. „Der nächste Schritt würde uns endgültig ins Geschäft bringen.“ Am Spielberg-Wochenende sind diesmal trotz zehntausender Orange-Fans die Erwartungen nicht allzu hoch. Beirer: „Einen weiteren Sieg halte ich momentan für vermessen. Ein Podium ist aber unser großes Ziel.“