Carlos Alcaraz spielt Ball zurück
APA/AFP/Corey Sipkin
US Open

Alcaraz gewinnt Krimi vor Morgengrauen

Carlos Alcaraz hat bei den US Open Geschichte geschrieben: Der als Nummer drei gesetzte Spanier rang den Italiener Jannik Sinner in 5:15 Stunden mit 6:3 6:7 6:7 7:5 6:3 nieder und verwertete dabei den Matchball am Donnerstag erst um 2.50 Uhr Ortszeit. So spät wurde in New York noch nie ein Spiel beendet. Seinen Erfolgslauf setzte auch Francis Tiafoe fort. Der 24-jährige Lokalmatador besiegte den Russen Andrej Rublew mit 7:6 (7/3) 7:6 (7/0) 6:4 und steht damit als erster US-Amerikaner seit 16 Jahren unter den besten vier.

Alcaraz hätte das Match bereits früher für sich entscheiden können, der 19-jährige Spanier vergab jedoch im zweiten Durchgang vier Satzbälle und gab im dritten Satz noch einen 4:2-Vorsprung aus der Hand. Im vierten Satz wehrte er bei 4:5 einen Matchball gegen den aufschlagenden Sinner ab und schaffte den Satzausgleich. Letztlich nützte Alcaraz nach 315 Minuten den ersten Matchball und erreichte das erste Grand-Slam-Halbfinale seiner Karriere.

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich den Matchball abgewehrt habe“, sagte Alcaraz nach dem zweitlängsten Spiel in der Geschichte der US Open. Der bisherige Rekord wurde nur knapp verpasst und liegt seit 1992 und dem Aufeinandertreffen von Stefan Edberg und Michael Chang bei 5:26 Stunden. „Das Niveau, das ich gespielt habe, das Niveau des Spiels, die hohe Qualität des Tennis – das Match war unglaublich.“

Sinner muss Niederlage erst verdauen

Geholfen habe die Unterstützung von den Zuschauern, sagte der Weltranglistenvierte: „Die Energie, die ich um drei Uhr früh auf dem Platz gespürt habe, war unfassbar. Bei anderen Turnieren, auf anderen Plätzen wäre jeder wahrscheinlich nach Hause zum Schlafen gegangen.“ Alcaraz lobte auch Sinner für den packenden, aber stets fairen Kampf: „Er ist ein großartiger Spieler, sein Level ist einfach unglaublich.“ Den niedergeschlagenen Südtiroler konnte das wenig trösten. „Ich hatte schon ein paar schwere Niederlagen, aber das kommt nach ganz oben auf die Liste“, sagte Sinner traurig, „ich denke, das wird eine Weile wehtun.“

In der nächsten Runde trifft Alcaraz, der damit jüngster Grand-Slam-Halbfinalist seit Landsmann Rafael Nadal (2005 bei den French Open) ist, auf Tiafoe, der die Fans in New York vom ersten Heimsieg seit 19 Jahren träumen lässt. Zuletzt hatte Andy Roddick das Turnier 2003 gewonnen, 2006 war er als bisher letzter Lokalmatador bis ins Semifinale vorgestoßen. Nun beendete Tiafoe, der im Achtelfinale den spanischen Superstar Nadal aus dem Rennen bugsiert hatte, angetrieben von den begeisterten Fans im Arthur Ashe Stadium diese Durststrecke.

Ruud und Alcaraz im Rennen um Nummer eins

Das zweite Halbfinale bestreiten der als Nummer fünf gesetzte Norweger Casper Ruud und die Nummer 27 Karen Chatschanow aus Russland. Erreicht Ruud das Finale, ist er die neue Nummer eins des ATP-Rankings. Sollte das auch Alcaraz gelingen, dann muss er den Titel holen. Verfehlen aber beide das Endspiel, kehrt der im Achtelfinale gescheiterte Nadal auf Platz eins zurück und löst den Russen Daniil Medwedew ab, der im Achtelfinale am Australier Nick Kyrgios gescheitert war.

„Ich fühle mich auf Plätzen wie diesen wie zu Hause. Ihr steht so stark hinter mir, ich finde immer einen Ausweg“, sagte Tiafoe, der 2021 Finalist des Wiener Stadthallenturniers war, „wir haben noch zwei Spiele vor uns, noch zwei.“ Tiafoe ist auch der erste Afroamerikaner seit eben Arthur Ashe, der bei den US Open im Halbfinale steht. Die 1993 verstorbene Tennislegende schaffte es vor exakt 50 Jahren unter die Top Vier.

Sabalenka erneut im Halbfinale

Bei den Damen erreichte Aryna Sabalenka aus Belarus wie im Vorjahr das Semifinale. Sie gewann ihr Viertelfinal-Match nach einer souveränen Vorstellung gegen die Tschechin Karolina Pliskova mit 6:1 7:6 (7/4). In der Runde der besten vier am Donnerstag trifft die als Nummer sechs gesetzte Sabalenka auf die Weltranglistenerste Iga Swiatek aus Polen, die die US-Amerikanerin Jessica Pegula mit 6:3 7:6 (7/4) bezwang. Für die zweimalige French-Open-Siegerin Swiatek ist es schon jetzt ihr größter Erfolg beim Hartplatz-Grand-Slam in New York.

Für Pliskova lief von Beginn an nichts richtig, sie häufte 15 unerzwungene Fehler und fünf Doppelfehler in nur 28 Minuten an. Erst im zweiten Satz hielt sie ordentlich dagegen, hatte im Tiebreak aber das Nachsehen. „Ich bin bereit für den nächsten Kampf und ich denke, ich muss mich einfach weiterhin auf mich konzentrieren“, sagte Sabalenka. Die andere Halbfinal-Paarung steht bereits fest, die tunesische Wimbledon-Finalistin Ons Jabeur bekommt es mit Caroline Garcia aus Frankreich zu tun.

US Open in New York

(USA, 27.915.200 Dollar, Hardcourt)

Herren-Einzel

Viertelfinal-Tableau:
Karen Chatschanow (RUS/27) Nick Kyrgios (AUS/23) 7:5 4:6 7:5 6:7 (3/7) 6:4
Casper Ruud (NOR/5) Matteo Berrettini (ITA/13) 6:1 6:4 7:6 (7/4)
Carlos Alcaraz (ESP/3) Jannik Sinner (ITA/11) 6:3 6:7 (7/9) 6:7 (0/7) 7:5 6:3
Frances Tiafoe (USA/22) Andrej Rublew (RUS/9) 7:6 (7/3) 7:6 (7/0) 6:4

Damen-Einzel

Viertelfinal-Tableau:
Iga Swiatek (POL/1) Jessica Pegula (USA/8) 6:3 7:6 (7/4)
Arina Sabalenka (BLR/6) Karolina Pliskova (CZE/22) 6:1 7:6 (7/4)
Caroline Garcia (FRA/17) Cori Gauff (USA/12) 6:3 6:4
Ons Jabeur (TUN/5) Ajla Tomljanovic (AUS) 6:4 7:6 (7/4)