Charles Leclerc ist enttäuscht
GEPA/Mario Buehner
Formel 1

Ferrari vor Monza-Jubiläum ohne Illusionen

Formel-1-Weltmeister Max Verstappen könnte beim 100-Jahre-Jubiläum der Rennstrecke in Monza den Partycrasher spielen. Während der Titelverteidiger beim Grand Prix von Italien am Sonntag (15.00 Uhr, live in ORF1) im Red Bull wieder der große Favorit ist, ist Ferrari bei seinem Heimrennen unter starkem Druck. Die „Scuderia“ will das erneut chaotische Wochenende von Zandvoort vor den motorsportverrückten Tifosi vergessen machen.

Ob diese aber am Sonntag unter das Podest mit dem größten Gänsehautfaktor im Rennkalender ziehen werden, um Charles Leclerc oder Carlos Sainz als Sieger zu bejubeln, ist fraglich. Der zehnte Sieg im 15. Saisonrennen bei seinem Heimspiel in den Niederlanden dürfte Verstappen noch einmal einen Schub für die finale WM-Phase gegeben haben. Der Red-Bull-Bolide ist zudem wie prädestiniert für den Highspeed-Kurs in der Nähe von Mailand. Alles andere als ein Erfolg Verstappens wäre eine Überraschung.

„Wir müssen ehrlich sein, auf dem Papier ist das nicht unsere beste Strecke“, räumte Leclerc nach Rang drei in den Niederlanden selbst ein, versprach aber, alles zu geben. „Ich weiß, dass die Fans hinter uns stehen werden, aber unsere Aufgabe in Italien wird schwieriger als in Zandvoort.“

Monza: Leclerc heiß auf Ferrari-Heimsieg

Auf den Heim-Grand-Prix von Max Verstappen in den Niederlanden folgt an diesem Wochenende der Heim-Grand-Prix für Ferrari in Monza. Verstappen-Verfolger Charles Leclerc ist heiß auf einen „Heimsieg“.

Dennoch empfinde er „pure Freude“, sagte Leclerc am Donnerstag mit Blick auf die Tifosi, während die Haupttribüne mit den ersten Fahnen und Bannern geschmückt wurde: „Ich nehme es mehr als Motivation denn als zusätzlichen Druck.“ Mit 109 Punkten Rückstand hat der 24-jährige WM-Zweite nach dem so verheißungsvollen Saisonstart bei sieben noch ausstehenden Rennen und vor allem angesichts der Dominanz Verstappens nur noch eine rechnerische Titelchance.

Letztes Saisonrennen in Europa

Die Königsklasse beschließt am Sonntag ihren Dreierpack mit drei Rennen an drei Wochenenden in Folge, der Italien-GP ist das Europafinale dieser Saison. Im Vorjahr hatte McLaren-Pilot Daniel Ricciardo für einen Überraschungssieg gesorgt, nachdem die beiden Favoriten Verstappen und Lewis Hamilton im Mercedes gecrasht waren.

Ferrari Fans in Monza
APA/AFP/Miguel Medina
Im Vorjahr hatten die Tifosi in Monza trotz des Ausscheidens von Verstappen und Hamilton keinen Grund zum Jubeln

Ferrari wird anlässlich des Jubiläums heuer einen farblichen Akzent in Gelb in Gedenken an den Geburtsort Modena von Enzo Ferrari setzen. Ein Siegesabo haben die „Roten“ in Monza nicht gerade. Immerhin weiß Leclerc, wie es geht. 2019 – in seinem ersten Jahr bei der „Scuderia“ – triumphierte der Monegasse in Italien. Davor hatte zuletzt Fernando Alonso 2010 auf dem Autodromo Nazionale gewonnen. Von insgesamt 242 Ferrari-Siegen in der Formel 1 gelangen 19 in Monza.

Absturz nach perfektem Auftakt

Ferrari steckt auch viele Jahre nach den großen Zeiten mit Michael Schumacher in einer Dauerschleife des Scheiterns. Dabei fing heuer alles so vielversprechend an. Das innovative Konzept des neuen Ferrari sah nicht nur beeindruckend aus, auf der Strecke bei den Testfahrten überzeugte der aggressiv wirkende Bolide auf Anhieb. Und dann auch noch der Doppelsieg zum Auftakt in Bahrain von Leclerc und Sainz.

„Das lange Leiden der ‚Scuderia‘ hat ein Ende“, schrieb der Schweizer „Blick“ damals. 910 Tage hatte es gedauert, bis Ferrari wieder einen GP-Sieger bejubeln durfte. „Zwei Jahre im Fegefeuer, um jetzt wieder die Sterne sehen zu können“, dichtete „La Gazzetta dello Sport“.

Charles Leclerc und Carlos Sainz bei der Siegerfeier in Bahrain
AP/Hassan Ammar
Die Freude über den Doppelsieg zu Saisonbeginn in Bahrain ist bei Ferrari schon lange verpufft

Die Wahrheit ein knappes halbes Jahr später sieht anders aus, die Tifosi sind enttäuscht und wütend. „Ferrari ist ein großartiges Auto, aber Ferrari verwaltet es miserabel“, schrieb der „Corriere dello Sport“ jüngst. Taktikfehler, Boxenstopppatzer und vieles mehr, die Liste der Unzulänglichkeiten ist lang. In einem Duell mit Red Bull und Verstappen, die nahe an der Perfektion sind, viel zu lang, während bei Ferrari praktisch alles schiefgeht, was schiefgehen kann.

Hinzu kommt, dass der zunächst als schnellstes Auto im Feld angesehene F1-75 das Prädikat rasch wieder verloren hat, warum auch immer. „Bei Ferrari herrscht nun die Angst, nach Monza zu fahren und sich dort noch langsamer wiederzufinden. Denn das Autodromo Nazionale wird das Heimrennen sein, aber auch eine verflucht schwierige Strecke für den F1-75“, schrieb „La Stampa“.

Ernüchternde Bilanz seit der Schumacher-Ära

Praktisch seit dem Ende der ruhmreichen Ära mit Schumacher stürzt die „Scuderia“ ihre Fans Jahr um Jahr mehr ins Leid. Der Titel 2007 von Kimi Räikkönen war vor allem das Ergebnis einer erbitterten Fehde zwischen den damaligen McLaren-Teamkollegen Hamilton und Alonso. Doch selbst diesen Titel miteingerechnet, ist die Bilanz ernüchternd.

Nach über zwei Jahrzehnten ohne Fahrertitel (davor Jody Scheckter 1979) beendete Schumacher 2000 die Ferrari-Durststrecke. Alles war gut in Maranello, der deutsche Perfektionist am Steuer, Jean Todt als Teamchef und das britische Technikgenie Ross Brawn bildeten ein Trio mit Erfolgsgarantie. Nach Schumachers fünftem WM-Titel mit Ferrari 2004 ließ Räikkönen drei Jahre später die Tifosi noch einmal jubeln.

Danach scheiterte unter anderem Alonso als zweimaliger Weltmeister im Ferrari an Sebastian Vettel zu dessen Glanzzeiten bei Red Bull. Danach scheiterte Vettel als viermaliger Weltmeister im Ferrari an Hamilton im Mercedes. Leclerc versucht es nun bereits im vierten Jahr und wird es wohl wieder nicht schaffen. Er wird an Verstappen scheitern – und vor allem an Ferrari selbst. „Wir halten zusammen“, betonte der Monegasse am Donnerstag aber nochmals inständig.