Der 64-Jährige verweigert aber vor seinem fünften Spiel als Teamchef des Nationalteams freilich nicht die Realität. „Eine durchschnittliche Leistung wird nicht reichen“, sagte Rangnick vor dem Duell des Weltranglistenvierten mit der Nummer 33. „Wir wissen auch, dass es vor vollem Haus nicht einfacher wird als zu Hause. Trotzdem wollen wir mit einem mutigen Auftritt versuchen, mindestens einen, wenn möglich, drei Punkte zu holen.“ Sollte Letzteres gelingen, wäre es der erste Sieg auswärts gegen „Les Bleus“ in einem Pflichtspiel überhaupt.
Zudem wäre dann auch der Verbleib in der A-Gruppe der Nations League gesichert – und nebenbei Titelverteidiger Frankreich vorzeitig abgestiegen. Im Team von Trainer Didier Deschamps fallen gleich zwölf Spieler aus, allerdings warnte nicht zuletzt auch ÖFB-Kapitän David Alaba vor dem „Weltklasseformat, das hinten dran steht“. Zudem wird der nun fitte Superstar Kylian Mbappe anders als in Wien von Beginn an starten. Rangnick versprach aus österreichischer Sicht: „Wir werden die aus unserer Sicht beste Elf aufstellen und nicht experimentieren.“
ÖFB-Team trifft auf Frankreich
Österreichs Fußballnationalteam hat das Abschlusstraining vor dem Nations-League-Spiel in Paris gegen Frankreich am Mittwoch in Wien absolviert. Mit ähnlicher Strategie wie beim 1:1 im Hinspiel will die Rangnick-Truppe gegen den Weltmeister auch auswärts punkten.
Wie schon zu Beginn seiner Amtszeit im Juni beim Gastspiel in Kroatien verzichtete Rangnick auf ein Abschlusstraining am Ort des Geschehens. Das ÖFB-Team trainierte am Mittwochvormittag in Wien und landete am späten Abend in Paris, wo man nahe La Defense untergebracht ist und die obligatorische Pressekonferenz abhielt. Dort wurden nicht nur wegen der Spielstätte Stade de France, die Alaba zum vierten Mal bespielen wird, Erinnerungen wach, auch aufgrund des Hinspiels.
Hinspiel als Vorbild
Im Juni holte Österreich gegen den regierenden Weltmeister ein 1:1, führte nach einem von Andreas Weimann vollendeten Traumangriff lange Zeit mit 1:0, ehe Mbappe als „Joker“ stach. Rangnick hob noch einmal das Positive hervor. „Wir haben das Spiel bis in die zweite Hälfte hinein kontrolliert. Wir müssen auch auswärts so auftreten.“ Mit rund 70.000 Zuschauern rechnet Frankreichs Verband in der Vorstadt Saint-Denis, 81.338 passen in das Stade de France nördlich von Paris.
Wie in Wien müsse man auch in Saint-Denis viel Druck auf den Ball ausüben, meinte Marcel Sabitzer. „Wir brauchen aber auch Ruhe bei eigenem Ballbesitz und eine gute Tagesverfassung.“ Rangnick, der seinem Team in der diesmal kurzen Vorbereitungszeit eine Art von Auffrischungskurs gab, baut überhaupt auf die ersten drei Spiele in seiner Amtszeit gegen Kroatien (3:0), Dänemark (1:2) und Frankreich auf. „Wir haben da sehr dominant gespielt, hatten mit wenigen Ausnahmen Kontrolle. Das wird auch nun Grundvoraussetzung sein.“
Schmerzhafte Ausfälle auf beiden Seiten
Die Zeit von Abwarten und Verwalten scheint vorbei zu sein – auch gegen ein Kaliber wie Frankreich. In dieser Hinsicht tut ein Ausfall besonders weh. „Mit Konrad Laimer fehlt uns ein Spieler, den wir nicht eins zu eins ersetzen können“, sagte Rangnick über den zuletzt am Sprunggelenk operierten Leipzig-Legionär, der bis Jahresende fehlt. Kurzfristig fiel Andreas Ulmer mit einem Magen-Darm-Infekt aus.
Nations League, Gruppe A1
Donnerstag, 20.45 Uhr (live in ORF1 und im Livestream)
Frankreich – Österreich
Saint-Denis, Stade de France, SR Ekberg (SWE)
Aufstellungen:
Frankreich: Maignan – Kounde, Varane, Badiashile – Clauss, Tchouameni, Fofana, Mendy – Griezmann – Giroud, Mbappe
Österreich: Pentz – Trimmel, Lienhart, Alaba, Wöber – Sabitzer, X. Schlager, Seiwald, Weimann – Arnautovic, Onisiwo
In Sachen Aufstellung lautete das Credo von Rangnick wie folgt: „Die Spieler werden da eingesetzt, wo sie uns am meisten helfen.“ Der sich in Torlaune befindliche Marko Arnautovic beginnt demzufolge im Angriff und wird sein 103. Länderspiel bestreiten – und damit zu Rekordspieler Andreas Herzog aufschließen.
Die Franzosen sind von mehr hochkarätigen Ausfällen gebeutelt. Verletzt fehlen gleich zwölf Spieler, darunter Kapitän und Tormann Hugo Lloris, Starstürmer Karim Benzema, N’Golo Kante und auch Paul Pogba. „Sie haben Ausfälle, die aus ihrer Sicht schwerwiegend sind. Nichtsdestotrotz haben sie einen sehr guten Kader“, sagte Alaba, dessen Teamkollege bei Real Madrid, Aurelien Tchouameni, auch im medialen Fokus steht.
Gemeinsam gegen Mbappe
Einer, auf den Deschamps jedenfalls zählen wird können, ist Mbappe. Der 23-jährige Superstar von Paris Saint-Germain gilt als Spieler, der den Unterschied in einem Spiel ausmachen kann. „Mbappe ist der Einzige, den sie nicht gleichwertig ersetzen könnten“, sagte Rangnick. „Entscheidend wird sein, dass wir möglichst wenige Bälle auf ihn zulassen.“ In Wien rettete Mbappe das Remis als „Joker“ mit seiner herausragenden Schnelligkeit.
„Dass er die Qualität hat, ein Spiel zu entscheiden, ist kein Geheimnis“, sagte Alaba. „Wenn er seinen besten Tag hat, kann man ihn auch nicht verteidigen.“ Man müsse im Defensivverbund „dagegenhalten“.
Frankreich mit sich selbst beschäftigt
Österreich war bei der Pressekonferenz der Franzosen eine Randnotiz, vor allem ging es um die Ausfälle. Verteidiger Raphael Varane meinte: „Wir sollten uns nicht wundern, wir reden seit Jahren über einen überfüllten Kalender, über müde Spieler.“ Deschamps ist es lieber jetzt als bei der WM in Katar. „Wir sind mehr betroffen als sonst, aber die Zahl der Verletzungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Ich hoffe, dass die Situation in zwei Monaten für alle viel besser sein wird.“
Für Frankreich, das in der Gruppe A1 noch ohne Sieg mit zwei Punkten hinter Dänemark (9), Kroatien (7) und Österreich (4) Letzter ist und seinen Nations-League-Titel nicht mehr verteidigen kann, ist es das vorletzte Spiel vor der WM. „Trotz der vielen Abwesenheiten möchte ich die Spieler in die Situation versetzen, die ich während der WM erwarte“, sagte Weltmeistertrainer Deschamps. „Dass wir vor dem Turnier nicht noch ein Spiel haben, ist bedauerlich, aber so ist es.“
Der 53-Jährige, der als Spieler und Trainer mit Frankreich Weltmeister wurde und dessen Sympathiewerte aufgrund von unattraktivem Ergebnisfußball und teils rauem Umgangston dennoch enden wollend sind, musste zuletzt negative Schlagzeilen abseits des Rasens lesen. Mbappe ist mit dem Verband wegen Bildrechten im Streit, Pogba wiederum Opfer eines Erpressungsversuchs. Ein Erfolg nach vier sieglosen Spielen würde zumindest sportlich für etwas Ruhe sorgen.