Ruiz Bryan (CRC)
IMAGO/Laci Perenyi
FIFA WM 2022

Underdogs als Zünglein an der Waage

Nordkorea 1966, Algerien 1982 und Kamerun 1990. Auf der größten Fußballbühne der Welt haben Außenseiter immer wieder die Gunst der Stunde genutzt und sich ins Rampenlicht gespielt. Auch bei der WM-Endrunde in Katar vom 20. November bis 18. Dezember hoffen die Underdogs auf Überraschungen und wollen die Großen zumindest ein wenig ärgern. In den jeweiligen Gruppen könnten Costa Rica, Katar und Wales zumindest das Zünglein an der Waage auf dem Weg in die K.-o.-Runde sein.

Für eine der größten Überraschungen in der bisherigen WM-Geschichte hatte Nordkorea bei der WM 1966 in England gesorgt. Dank eines 1:1 im zweiten Gruppenspiel gegen Chile und einer 1:0-Sensation über Italien zog der krasse Underdog hinter der Sowjetunion als Zweiter in das Viertelfinale ein. Dort war für Nordkorea dann gegen Portugal trotz einer 3:0-Führung innerhalb der ersten 25 Minuten Endstation. Eusebio drehte die Partie mit vier Toren. Den Endstand fixierte Jose Augusto.

Algerien startete 1982 in Spanien wiederum mit einem 2:1-Sieg über Deutschland in das Turnier und verpasste den Aufstieg nach einem 0:2 gegen Österreich und einem 3:2 über Chile nur aufgrund des Nichtangriffspakts der Deutschen und Österreicher beim 1:0-Sieg der Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der beiden Teams zum Aufstieg reichte. Der Erfolgslauf von Kamerun in Italien 1990 wurde nach Siegen über Argentinien, Rumänien (Gruppenphase) und Kolumbien (Achtelfinale) erst im Viertelfinale von England (2:3) gestoppt.

Gastgeber als großer Unbekannter

In Katar wird das größte Fragezeichen und sicher ein noch größerer Außenseiter als Südafrika vor zwölf Jahren das Nationalteam des Gastgebers sein. Bei der ersten WM-Teilnahme soll dem Team des Spaniers Felix Sanchez der überraschende Sprung ins Achtelfinale gelingen. Das wird trotz machbarer Gegner in der Gruppe A mit Senegal und Ecuador knifflig. Alle Akteure spielen in der heimischen Liga. Die einzige erfolgreiche Referenz ist der überraschende Sieg beim Asiencup 2019. Ein punkteloses Aus ist gut vorstellbar.

Katar-Spieler nach dem Asiencup-Finale
Reuters/Thaier Al-Sudani
Gastgeber Katar ist schwer einzuschätzen, der Gewinn des Asiencups 2019 sollte den Gegnern aber Warnung genug sein

Bei Costa Rica sind zwei wichtige Konstanten geblieben. Keylor Navas (35) steht wieder im Tor, und Bryan Ruiz (37) ist auch erneut von der Partie. Acht Jahre nach der WM-Sensation will Costa Rica an alte Erfolge anknüpfen. Die Vorrundengruppe E mit Spanien und Deutschland ist schwierig, doch das hat den Nord- und Mittelamerikavertreter in Brasilien 2014 auch nicht gestört. Damals gewann Costa Rica eine Gruppe mit England, Italien und Uruguay und scheiterte erst im Viertelfinale – nach Elfmeterschießen gegen die Niederlande.

England-Gruppe blühen Überraschungen

Der Iran ist in der englischsprachigen Gruppe gegen EM-Finalisten England, die USA und Wales gefordert. Sportlich dürfte es den Außenseiter mal wieder in der Vorrunde erwischen, jedoch wird angesichts der derzeitigen Unruhen auch der allgemeine Auftritt von Sardar Asmoun und Co. mit Spannung erwartet. Die Spieler scheuen trotz der heiklen Lage keine klaren Botschaften. „Schämt euch, die ihr Menschen so leicht tötet. Lang leben die iranischen Frauen“, hatte Asmoun im September über die sozialen Nachrichten an das Regime gerichtet.

Gareth Bale (WAL)
Reuters/Rebecca Naden
Kein Topfavorit, aber nicht zuletzt dank Superstar Gareth Bale auch kein klassischer Außenseiter: Wales

In der Iran-Gruppe B versuchen auch die Waliser aufzuzeigen, wobei Gareth Bale und Co. nicht zuletzt dank des EM-Halbfinales vor sechs Jahren kein klassischer Außenseiter mehr sind. Bei einer WM waren die Briten aber seit 1958 nicht mehr vertreten. Mit den Routiniers Bale und Aaron Ramsey stehen die Chancen gut, das Achtelfinale zu erreichen. Keine Rolle mehr spielen wird Ex-Fußballstar Ryan Giggs, der im Juni zurücktrat. Er hatte sein Amt bereits seit November 2020 ruhen lassen, nachdem er wegen des Vorwurfs von häuslicher Gewalt vorübergehend festgenommen worden war. Auf ihn folgte Rob Page.

Kanada möchte bei zweiter WM durchstarten

Erst zum zweiten Mal nach 1986 ist Kanada bei einer Fußball-WM vertreten. Diesmal stehen die Chancen deutlich besser als vor 36 Jahren, als nach drei Niederlagen direkt das Vorrunden-Aus stand. In Bayern-Spieler Alphonso Davies stellen die Kanadier einen echten Star, dazu bilden Jonathan David und Cyle Larin ein durchschlagskräftiges Sturmduo. Ein Weiterkommen in der schweren Gruppe F mit Belgien, Vizeweltmeister Kroatien und Marokko ist im Bereich des Möglichen.

Alphonso Davies (CAN)
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Bayern-Star Alphonso Davies soll mithelfen, Kanada in einer Gruppe mit Belgien und Kroatien in die K.-o.-Runde zu schießen

Für die asiatische WM-Qualifikation zu stark, für das Endturnier zu schwach. Das war in den vergangenen Jahren häufig das Muster bei Saudi-Arabien, das 2002 mit 0:8 gegen Deutschland unterlag und 2018 das Eröffnungsspiel mit 0:5 gegen Russland verlor. Eine ähnliche Rolle dürfte dem namenlosen Team diesmal in der Gruppe C drohen, wurden im April doch mit Argentinien, Mexiko und Polen drei starke Gegner zugelost.