Jubel von Roger Milla, Emmanuel Mabdean Kessack und Emile Mbouh Mbouh nach Tor bei WM 1990
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FIFA WM 2022

Afrika wartet auf den großen Wurf

Als Roger Milla an der Corner-Fahne tanzte und Kameruns „unbezähmbare Löwen“ 1990 in Italien als Afrikas erster Viertelfinalist in die WM-Annalen eingingen, bescheinigten Experten dem Kontinent eine rosige Zukunft auf der großen Fußballbühne. Der Durchbruch lässt aber auch über 30 Jahre später noch auf sich warten. Und die Vorzeichen sind auch für das Turnier in Katar nicht gerade verheißungsvoll.

Senegal und Ghana verpassten 2002 bzw. 2010 den Einzug ins Halbfinale nur ganz knapp, bei der WM in Katar scheint die Chance auf eine afrikanische Überraschung erneut gering zu sein. Kamerun ist wieder dabei, dazu kommen Ghana, Senegal, Tunesien und Marokko.

Das Quintett will eine Wiederholung der Ereignisse bei der WM vor vier Jahren in Russland vermeiden. Damals scheiterten alle afrikanischen Mannschaften bereits nach der Gruppenphase. Zu unerfahren, taktisch undiszipliniert und nur auf ihre Stars fixiert lauteten Vorwürfe, die sich über die Jahre wiederholt haben.

Mangelnde Startplätze, fehlende Infrastruktur

Erklärungsversuche für das bisher ausgebliebene Highlight gibt es mehrere. Afrikanische Kritiker sehen das FIFA-System als Grund. Der kontinentale Fußballverband CAF hat 54 Mitglieder, aber nur fünf WM-Startplätze. Europa hat 55 Mitgliederländer und darf 13 Teams zur WM schicken, Südamerika hat bei zehn Startern in der Qualifikation 4,5 Startplätze. Für den Kameruner Patrick Mboma, Afrikas Fußballer des Jahres 2000, ist das unfair und führt zu einem Nachteil.

„Die Favoriten bleiben immer die gleichen, weil es jene sind, die mehr Erfahrung in der WM-Geschichte vorweisen können“, sagte Mboma kurz vor WM-Beginn dem Sender „Al Jazeera“. Aus Afrika blieben heuer mit Nigeria, der Elfenbeinküste, Algerien und Ägypten Mannschaften mit klingenden Namen wie etwa Mohamed Salah auf der Strecke.

Mohamed Salah (Ägypten)
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Ägypten und sein Liverpool-Star Salah sind in Katar nur Zuschauer

Aaron Mokoena, Südafrikas Kapitän beim Heimturnier 2010, sieht es ebenfalls als wichtig an, dass sich gute afrikanische Teams bei Weltmeisterschaften öfter mit den Besten messen. „Aber bevor wir um zusätzliche Startplätze bitten, müssen wir unseren Fußball erst in Ordnung bringen“, sagte Mokoena. Er nannte fehlende Infrastrukturen in vielen Ländern als großes Thema, aber auch mangelnde Entwicklung. Immerhin, so der ehemalige Ajax- und Leverkusen-Legionär, schaffen immer mehr Spieler den Sprung nach Europa.

Bitterer Ausfall für Senegal

Ein Paradebeispiel ist Sadio Mane, dessen Karriere in Wals-Siezenheim durchstartete. Senegals Star wechselte mit 19 Jahren nach Frankreich, über Metz und Salzburg ging es zu Liverpool und zu Bayern München weiter. Nun fällt Afrikas Fußballer des Jahres nach seiner Anfang des Monats erlittenen Verletzung aber aus und dabei wären gerade die „Löwen der Teranga“ ein heißer Kandidat auf eine Überraschung. In der Gruppe mit Gastgeber Katar, Ecuador und den Niederlanden scheint zumindest Platz zwei machbar zu sein. Das Auftaktspiel bestreitet Senegal am 21. November gegen „Oranje“.

Der regierende Afrika-Cup-Sieger ist ein gutes Beispiel für eine positive Entwicklung auf dem Kontinent. Man denkt langfristiger. Teamchef Aliou Cisse ist seit 2015 im Amt, vor der WM wurde sein Vertrag bis 2024 verlängert. Der nationale Verband ist auch bemüht, das Kontingent an verfügbaren Spielern mit in Frankreich geborenen Talenten senegalesischer Eltern zu füllen. Das trifft auf Torhüter Edouard Mendy, die Verteidiger Kalidou Koulibaly (beide Chelsea) und Abdou Diallo (RB Leipzig) sowie Mittelfeldspieler Pape Gueye (Marseille) zu.

„Wir sind auf die wirklich wichtigen Dinge fokussiert geblieben. Wir rücken mit jedem Turnier näher an unser Ziel heran, und das letzte hat unseren Glauben nur verstärkt. Harte Arbeit zahlt sich immer aus“, sagte Cisse mit Verweis auf den Triumph im Afrika-Cup im Februar. Das erste Ziel in Katar sei der Aufstieg aus der Gruppe. „Danach geht es in ein K.-o.-Turnier, und wir haben genug Erfahrung, um da unsere Spuren zu hinterlassen“, erklärte der 46-jährige Ex-Internationale.

Quartett mit schwieriger Auslosung

Kamerun mit den ehemaligen Altachern Samuel Oum Gouet und Nicolas Moumi Ngamaleu wird es in einer Gruppe mit Brasilien, der Schweiz und Serbien schwer haben. Dasselbe gilt für Ghana gegen Portugal, Südkorea und Uruguay. Marokko hat Belgien, Kroatien und Kanada als Gegner, Tunesien muss im Pool mit Frankreich, Dänemark und Australien bestehen. Die Trauben für Afrikas Mannschaften scheinen also abermals hoch zu hängen.

Eine Premiere durften die Teams schon vor WM-Beginn vermelden. Mit Cisse, Rigobert Song (Kamerun), Otto Addo (Ghana), Walid Regragui (Marokko) und Jalel Kadri (Tunesien) kommen alle fünf Teamchefs aus ihrer Heimat. Seit Dekaden war es so gut wie immer üblich, dass Europäer oder Südamerikaner den heimischen Trainern vorgezogen wurden.