Tom Brady
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NFL

Brady liefert bei NFL-Debüt in München

Tom Brady kam, sah und hat geliefert. Bei der Deutschland-Premiere der National Football League (NFL) haben seine Tampa Bay Buccaneers am Sonntag in München die Seattle Seahawks mit 21:16 geschlagen. Vor 69.811 begeisterten Menschen in der Allianz Arena zeigte der 45-jährige Superstar phasenweise seine große Klasse. Unterstützt von einer sehr guten Defensive hielten die „Bucs“ beim historischen Debüt den Gegner auf Distanz.

Und das war so vor dem Spiel nicht zwingend zu erwarten, denn das Team des siebenfachen Super-Bowl-Champions Brady tat sich in dieser Saison bislang sehr schwer. Auch in dieser Partie gab es für den Altmeister schwierige Phasen zu meistern, doch am Ende reichten seine beiden Touchdownpässe zu Julio Jones und Chris Godwin, den dritten erlief Runningback Leonard Fournette. Im Finish holte Seattle nach 3:21-Rückstand noch einmal auf, aber das Comeback kam zu spät.

Die Buccaneers feierten damit ihren zweiten Sieg in Folge und glichen ihre Bilanz mit fünf Erfolgen und fünf Niederlagen aus. Der Super-Bowl-Champion von 2020/21 führt damit weiter in der NFC South, das gilt auch für die Seattle Seahawks in der NFC West, die ihre vierte Pleite bei sechs Siegen kassierten. Brady, der fast vom gesamten Publikum gefeiert wurde, blieb auch bei seinem vierten Gastspiel außerhalb der USA – wenig überraschend eine Premiere – ohne Niederlage. „Das war eine der großartigsten Footballerfahrungen in meinem Leben“, sagte Brady nach dem Spiel und bedankte sich bei Fans und Veranstaltern.

Erstes Grunddurchgangsspiel in Deutschland

Beide Teams können sich von den Strapazen dieser Reise ausreichend erholen, denn beide haben nächste Woche spielfrei. Auch nächstes Jahr wird es wieder zumindest ein NFL-Spiel in Deutschland geben, der Vertrag mit München und Frankfurt läuft vorerst bis 2025. Österreichs Nachbar hatte früher schon Preseason-Spiele veranstaltet, nach den USA, Kanada, Großbritannien und Mexiko richtete man nun als erst fünftes Land überhaupt ein Grunddurchgangsspiel der NFL aus.

Blick ins Stadion
ORF.at/Bernhard Kastler
Erstmals wurde in Deutschland ein Pflichtspiel der National Football League (NFL) abgehalten

Es soll ja Münchnerinnen und Münchner geben, die selbst mit dem Namen Tom Brady nichts anfangen können. Das dürfte sich nach diesem Wochenende bei vielen geändert haben. Die Innenstadt von Frauenkirche über Marienplatz und Odeonsplatz bis zum Hofbräuhaus stand im Zeichen des Gastspiels der umsatzstärksten Liga der Welt. Ähnlich wie in London konnten Fans aller Teams ausgemacht werden.

Ausnahmezustand inklusive Alaba und Arnautovic

Nicht nur viele Europäer waren extra für dieses Spiel angereist, auch US-Amerikaner ließen sich diese Premiere nicht entgehen, vor allem Fans der beiden antretenden Teams. „Wir waren schon in London, jetzt wollten wir auch nach Deutschland“, sagte eine Seattle-Anhängerin, die mit ihrer Tochter angereist war und dafür 3.300 US-Dollar zahlte, im Augustiner. Die Traditionsbrauhäuser ließen sich das Geschäft nicht entgehen, das Hofbräuhaus wurde zur Heimat der Buccaneers, wo bis zur Sperrstunde um Mitternacht gespeist und gefeiert wurde.

Tampa-Fans
ORF.at/Bernhard Kastler
Das weltbekannte Hofbräuhaus in München wurde zur Heimat der Tampa Bay Buccaneers umfunktioniert

Am Sonntag machten sich die Massen in den Norden der Stadt auf, wo die Heimstätte des deutschen Rekordmeisters Bayern München liegt. Beim Fanfest musste kurzerhand ein Einlassstopp veranlasst werden, der Shop war ebenfalls teils überfüllt. In der Arena selbst wurde es erstmals laut, als Brady um 14.34 Uhr den Rasen zum Aufwärmen betrat. „Ich bin das erste Mal hier, aber ich komme definitiv zurück“, meinte der Routinier schon am Freitag. Zurückgekommen ist auch David Alaba in sein altes Zuhause, gemeinsam mit Marko Arnautovic und Stefan Posch wurden auch Fotos von Brady und Co. gemacht.

Buccaneers beherrschen erste Hälfte

Nach einer Pregame-Show des deutschen Rappers Cro, den souverän intonierten Hymnen sowie dem Münzwurf durch den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder konnte Geschichte geschrieben werden. Allerdings mussten sich beide Teams erst an die ungewohnte Umgebung gewöhnen. Vor allem an den tiefen Rasen, der im Fortlauf der ersten Hälfte für einige Ausrutscher sorgte. Die ersten Drives endeten jeweils mit Punts, wobei Tampa Bay mit einem Quarterback-Sack das erste Rufzeichen setzen konnte.

Nachdem sich Brady mit einem Video auf Deutsch meldete („Auf geht’s, Deutschland“) lief er langsam aber sicher warm. Nach einem feinen 29-Yards-Pass zu Mike Evans verpasste Kicker Ryan Succop aus 52 Yards die Führung. Weil aber die Verteidigung Spielmacher Geno Smith (69 Yards in Hälfte eins) und Rookie-Runningback Kenneth Walker III (nur acht Yards) im Griff hatte, bekam Brady bald den Ball zurück und führte sein Team in 6:32 Minuten zum ersten Touchdown auf deutschem Boden. Der 45-Jährige passte zum 33-jährigen Julio Jones, der rechts zu viel Platz hatte und wie früher nicht zu bremsen war.

Julio Jones
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Den ersten NFL-Touchdown in Deutschland besorgte Receiver-Routinier Julio Jones

Seattles Antwort? Keine. Nach drei Versuchen musste man wieder den Ballbesitz abgeben, und Brady wiederholte seinen Drive von vorhin. Diesmal brauchte er eine Minute mehr, aber zwei Yards weniger (86), um am Ende Runningback Leonard Fournette den Ball an der Zwei-Yard-Line zu geben. Den Rest erledigte „Lenny“. Das sahen auch die Bayern-Spieler Thomas Müller und Serge Gnabry, die vom Publikum in ihrem eigenen Stadion ausgebuht wurden. Danach passierte vor der Pause nicht mehr allzu viel, bei anhaltendem Bratwurstduft hatte Tampa Bay den bislang richtigen Riecher – offensiv und defensiv.

Das Publikum feierte sich selbst mit der Welle, weibliche wie männliche Cheerleader der Buccaneers – insgesamt reisten rund 250 Clubmitarbeitende nach München – unterstützten es vom Feld aus. Die Halbzeitbühne durften die deutschen Flag-Football-Damen bespielen.

Brady scheitert wieder als Receiver

Seattle kam mit einer Reaktion aus der Kabine und überzeugte offensiv nach der Pause. Smith fand Tightend Will Dissly und seine Topreceiver Metcalf sowie Tyler Lockett. Am Ende sprang allerdings „nur“ ein Field-Goal heraus – Jason Myers traf aus 55 Yards. Danach wurde es kurios.

Zwar kam Tampa Bay mit variablen Spielzügen der Gefahrenzone nahe, aber Brady wollte seinem neuen Publikum offenkundig auch ein Gustostückerl in Form eines gefangenen Touchdowns präsentieren. Runningback Fournette warf den Pass nach links, doch Brady rutschte aus, und Tariq Woolen gelang die Interception. Obendrein bekam der Superstar auch noch eine Zehn-Yards-Strafe wegen Beinstellens. Schon in der Super Bowl LII, als er vor vier Jahren noch als New England Patriot Pässe warf, misslang ein ähnliches Experiment kläglich.

Der Schaden sollte sich aber in Grenzen halten. Zwar gelang es Seattle wieder, das Feld Richtung Buccaneers-Endzone abzuarbeiten, doch dann unterlief auch dem anderen Spielmacher ein Fehler. Smith konnte bei einem Tackle den Ball nicht festhalten, und die Buccaneers-Defense schlug sofort zu. Die Fans feierten in der folgenden Pause zu den Klängen von DJ Ötzis „Hey Baby“, und Brady wusste danach diesen Fehler eiskalt zu bestrafen. Wieder bewegte er den Ball für über 80 Yards und fand am Ende mit einem weiteren präzisen Zuspiel Chris Godwin für vier Yards – die Vorentscheidung sechs Minuten vor Ende.

Seattles Aufholjagd kommt zu spät

Aber es war nicht der Schlussakkord in diesem Spiel. Denn die Seahawks gaben sich noch nicht ganz geschlagen, dieses Mal führte auch Smith seine Offensive in die Endzone und zeigte, warum Seattle schon bei sechs Siegen in dieser Saison hält. Lockett fing letztlich den sauberen Pass für 21 Yards, die Two-Point-Conversion scheiterte aber.

Brady machte es mit einer Interception dann selbst noch einmal spannend und servierte Linebacker Cody Barton das Spielgerät. Nun nützte Smith das Momentum und brachte dabei auch einen Pass zu Lockett beim vierten Versuch an. Es sollte nicht sein letzter in diesem Drive gewesen sein, den zweiten fing Marquise Goodwin dann für 19 Yards in der Endzone. Noch einmal tobte das Stadion, vier Minuten vor Schluss roch Seattle Lunte, doch Brady spielte die Uhr trocken herunter. Am Ende feierten die Fans das Gastspiel zu den Klängen von „Country Roads“, mit einem „Oh wie ist das schön“, und noch mehr bei „Sweet Caroline“. Brady verließ das Feld unter tosendem Applaus.

National Football League, Woche zehn

Sonntag:

Tampa Bay Buccaneers – Seattle Seahawks 21:16

(0:0 14:0 0:3 7:13)

München, Allianz Arena, 69.811 Zuschauer und Zuschauerinnen

Erstes Viertel:

Zweites Viertel:

7:0 – 31-Yard-Pass von Tom Brady auf Julio Jones (+ Extrapunkt)

14:0 – 1-Yard-Run von Leonard Fournette (+ Extrapunkt)

Drittes Viertel:

14:3 – 55-Yard-Field-Goal von Jason Myers

Viertes Viertel:

21:3 – 4-Yard-Pass von Tom Brady auf Chris Godwin (+ Extrapunkt)

21:9 – 21-Yard-Pass von Geno Smith auf Tyler Lockett (Two-Point-Conversion misslingt)

21:16 – 19-Yard-Pass von Geno Smith auf Marquise Goodwin (+ Extrapunkt)