Marko Arnautovic (AUT) und Leonardo Bonucci (ITA) beim EM-Match Italien gegen Österreich in London im Juni 2021
GEPA/Philipp Brem
Fußball

Italien als Gradmesser zum Jahresausklang

Auf Österreichs Fußballnationalmannschaft wartet am Sonntag (20.45 Uhr, live in ORF1) zum Jahresausklang noch ein echter Gradmesser. Keine zwei Stunden nach dem Ende der WM-Auftaktpartie empfängt die Auswahl von Ralf Rangnick Europameister Italien in Wien. „Um das Spiel zu gewinnen, brauchen wir sowohl individuell als auch mannschaftstaktisch eine Topleistung“, gab der ÖFB-Teamchef die Marschroute vor.

Revanchegedanken für das verlorene EM-Achtelfinale vor eineinhalb Jahren (1:2 n. V.) wollen die Spieler nicht in den Vordergrund rücken. Rangnick erhofft sich auch Aufschlüsse über das Leistungsvermögen einzelner Kicker. Das erklärte ÖFB-Ziel ist ein Sieg, es wäre der dritte im achten Länderspiel unter Rangnick und der erste gegen Italien seit 1960. „Wir müssen Power in der Offensive haben, aber auch eine gute Defensive“, betonte Rangnick. Die Balance stehe im Fokus.

„Wir brauchen auf der einen Seite ein kompaktes Abwehrverhalten und auf der anderen Seite genug Mut und Personal, ihnen auch in der Abwehr Probleme zu bereiten.“ Die Italiener hätten zuletzt einige jüngere Akteure eingebaut. Mit Leonardo Bonucci und Co. verfügen die „Azzurri“ aber auch noch über einige Routiniers mit viel Erfahrung. Rangnick charakterisierte sie so, „wie Italiener eigentlich immer sind: taktisch sehr diszipliniert, sehr positionstreu. Wenn man ihnen zu viel Platz lässt, sind sie sicher in der Lage, technische Lösungen zu finden.“

ÖFB-Team motiviert gegen Italien

Das ÖFB-Team peilt in Wien gegen Europameister Italien den ersten Sieg seit 62 Jahren an. Nach einer Woche Trainingslager in Spanien geht die Mannschaft motiviert in das letzte Spiel des Jahres.

Bewerbungschance für EM-Qualifikation

Mehr als vier Monate sind es noch bis zum Start der EM-Qualifikation Ende März gegen Aserbaidschan (24. März) und Estland (27. März). Der Test gegen Italien ist aber die letzte Chance, sich davor zu zeigen. Viele Akteure wollen sie nutzen. „Am Ende nominieren sich die Spieler selber“, sagte Rangnick – sowohl mit Leistungen bei ihren Clubs als auch mit dem Bild, das sie im ÖFB-Camp abgeben. Der Sonntag soll weitere Erkenntnisse liefern. „Klar ist das auch ein Gradmesser, der miteinfließt in die Überlegungen, wer dann nominiert wird.“

Testspiel

Sonntag, 20.45 Uhr:
live in ORF1 und im Livestream

Österreich – Italien

Wien, Ernst-Happel-Stadion, SR Dingert (GER)

Mögliche Aufstellungen:

Österreich: Lindner – Posch, Lienhart, Alaba, Wöber – Baumgartner, N. Seiwald, X. Schlager, Sabitzer – Gregoritsch, Arnautovic

Italien: Donnarumma – Bastoni, Acerbi, Bonucci – Di Lorenzo, Barella, Verratti, Dimarco – Politano, Raspadori, Grifo

Nicht zur Verfügung stehen wird gegen die Italiener aller Voraussicht nach Andreas Weimann. Der Offensivallrounder vom englischen Zweitligisten Bristol City hatte beim 1:0-Zittersieg am Mittwoch gegen Andorra einen Schlag auf das Knie bekommen, eine genaue Diagnose ist ausständig. Fraglich sind auch die Innenverteidiger Gernot Trauner und Kevin Danso.

Erinnerungen von Arnautovic werden wach

Marko Arnautovic ist im Sturmzentrum gesetzt, nachdem er das ÖFB-Team als „Joker“ gegen Andorra vor einer Blamage bewahrt hatte. „Die Erwartung ist, dass wir unser Spiel aufziehen und das Spiel für uns entscheiden wollen“, erklärte der Bologna-Legionär. 105 Länderspiele hat Österreichs Rekordmann bisher absolviert. Jede Partie im Nationalteam sei „etwas Besonderes“, betonte Arnautovic – egal ob gegen die Wahlheimat oder nicht.

Das 1:2 vor eineinhalb Jahren in Wembley ist nicht vergessen. Beinahe hätten die Österreicher die Italiener am 26. Juni 2021 in London bereits zu Fall gebracht. Das vermeintliche 1:0 im EM-Achtelfinale zählte nicht, weil sich Arnautovic im Moment der Kopfballvorarbeit von David Alaba mit der Fußspitze im Abseits befand. Sichtbar war das erst auf den Videobildern, der Video Assistant Referee (VAR) griff damals ein.

Marko Arnautovic
IMAGO/Offside Sports Photography/Simon Stacpoole
Im EM-Achtelfinale 2021 bezwang Arnautovic Donnarumma, doch der Stürmer stand zuvor im Abseits

„Es gibt immer zweigeteilte Meinungen wegen dieses VARs. Manche sagen, es ist sinnlos, manche sagen, es ist sehr gut, weil man alles nachverfolgen kann“, erklärte der verhinderte Torschütze mit eineinhalb Jahren Abstand. „Ich hätte es lieber, es wäre nicht dabei gewesen. Oder vielleicht, dass ich mir die Zehen abschneide – dann hätte ich kleinere Füße und wäre auch nicht im Abseits gestanden.“

Revanchegedanken hege er keine, zudem sieht er es nicht nur als Testspiel. „Es ist ein Spiel, das wir sehr ernst nehmen“, meinte der 33-Jährige. „Es gibt keinen Test. Ein Spiel ist ein Spiel. Wir wollen reingehen und versuchen, das Spiel zu gewinnen.“

Rangnick von Zuschauerinteresse enttäuscht

Das sieht auch Rangnick so. Ziel für den Lehrgang seien zwei Siege gewesen. Teil eins gegen Andorra wurde mit einiger Mühe erfüllt. „Ich sehe das Spiel bei Weitem nicht so kritisch, dass man die Mannschaft an den Pranger stellen muss“, blickte der Deutsche noch einmal zurück. Die Kulisse in Wien wird besser sein als im leeren Estadio La Rosaleda in Malaga. Auch für das Spiel im Ernst-Happel-Stadion waren bis Freitagabend allerdings erst 16.000 Karten verkauft.

„Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass bei einem Spiel gegen Italien, den amtierenden Europameister, das Stadion eher ausverkauft ist als halbleer“, sagte Rangnick. Zumal das Team für einige Zeit zum letzten Mal in Wien zu sehen sein könnte. Das Heimdoppel zum Auftakt der EM-Quali dürfte laut Rangnick in Linz über die Bühne gehen. Vor Spielbeginn gegen Italien wird es eine Schweigeminute für den am Mittwoch verstorbenen Ex-ÖFB-Teamstürmer Gerhard Rodax geben.

Mancini erwartet schwierige Aufgabe

Auch Italiens Teamchef Roberto Mancini dürfte im Vergleich zum 3:1 am Mittwoch in Albanien kräftig umstellen. So werden etwa Torhüter Gianluigi Donnarumma und Mittelfeldstar Nicolo Barella in der Startelf zurückerwartet. Im Zentrum des Dreiersturms dürfte erneut Giacomo Raspadori vom überlegenen Serie-A-Tabellenführer SSC Napoli beginnen. Die „Azzurri“ reisten am Samstagvormittag nach Wien – und trafen damit früher dort ein als das ÖFB-Team, das erst am Abend vom Trainingslager aus Marbella zurückkehrte.

Mancini stellt sein Team jedenfalls auf eine schwierige Aufgabe ein. Der 57-Jährige attestierte dem ÖFB-Team nicht zuletzt aufgrund von vielen Spielern in der deutschen Bundesliga „viel Tempo und hohe Qualität“ und hob besonders Italien-Legionär Marko Arnautovic hervor. Der Stürmer des FC Bologna ist aktuell zweitbester Torschütze der Serie A und für Italiens Teamchef „eines der größten Talente der letzten 15 Jahre“.

„Das wird ein guter Prüfstein für unsere jüngeren Spieler“, betonte er und erinnerte an das bisher letzte Aufeinandertreffen. Bei der EM im vergangenen Sommer forderte das ÖFB-Team die Italiener im Achtelfinale voll und musste sich nach torlosen 90 Minuten erst in der Verlängerung mit 1:2 geschlagen geben. „Das war damals ein Kampf, es war für uns eines der schwierigsten Spiele bei der EM. Wir haben damals gelitten, aber es war ein verdienter Sieg“, erinnerte Mancini. Von der damaligen Startelf werden für Österreich höchstens sechs Spieler auch am Sonntag einlaufen.