FIFA WM 2022

Saudi-Arabien bringt Messi und Co. zu Fall

Einer der großen Favoriten auf den Titel hat zum Auftakt der WM-Endrunde 2022 in Katar einen ordentlichen Bauchfleck fabriziert. Denn Superstar Lionel Messi und Argentinien mussten sich am Dienstag in Lusail Außenseiter Saudi-Arabien nach 1:0-Führung mit 1:2 geschlagen geben. Saleh al-Schahri und Salem al-Dawsari sorgten mit einem Doppelschlag nach der Pause für die erste Sensation in Katar, nachdem Messi die „Albiceleste“ noch in Führung geschossen hatte.

Vor 88.012 Zuschauerinnen und Zuschauern im Lusail Iconic Stadium, wo am 18. Dezember auch der neue Weltmeister gekrönt wird, sorgte Saudi-Arabien gleich zum Auftakt der Gruppe C für einen Favoritensturz. Messi hatte Argentinien zwar in der zehnten Minute vom Elfmeterpunkt in Front geschossen, doch der zweifache Weltmeister konnte in der ersten Hälfte nicht nachlegen. Al-Schahri (48.) und al-Dawsari (53.) drehten die Partie nach Seitenwechsel um und bescherten damit den Saudis einen Traumstart.

Für Saudi-Arabien war es der größte Erfolg bei einem WM-Turnier nach dem Aufstieg ins Achtelfinale bei seiner Premiere 1994 in den USA. Bei ihrer sechsten Teilnahme an einer Endrunde durfte sich die Mannschaft von Teamchef Herve Renard erstmals über einen Auftaktsieg freuen.

Lionel Messi
IMAGO/Sportimage/David Klein
Für Messi begann sein letzter Anlauf auf den WM-Titel mit einer unerwarteten Pleite

Für Argentinien, im Vorfeld als einer der Favoriten auf den Titel gehandelt, begann die 22. WM hingegen mit einer Blamage – und das nach zuvor 36 ungeschlagenen Spielen in Folge. Damit bleibt Italien mit 37 unbesiegten Partien en suite Rekordhalter. Der zweifache Weltmeister steht nun in den weiteren Gruppenspielen gegen Mexiko und Polen unter Zugzwang.

Sturmfront gegen Wellenbrecher

Die Augen der Fans waren vor dem Anpfiff auch klarerweise auf den Superstar auf dem Feld gerichtet. Messi führte Argentinien nicht nur wie erwartet als Kapitän ins Stadion, sondern bildete mit Angel di Maria, Papu Gomez und Lautaro Martinez auch die breite Sturmfront der „Albiceleste“. Bei Saudi-Arabien war nach überstandener Schulterverletzung mit Salman al-Faradsch zwar auch der Kapitän mit von der Partie, der Außenseiter ging es aber deutlich defensiver an. Zwei Viererketten vor dem eigenen Tor sollten als Wellenbrecher gegen die Argentinier herhalten.

Weil die FIFA die ursprünglich vermeldeten Kapazitäten der Stadien nach oben korrigiert hatte, musste es diesmal niemanden verwundern, dass mehr als die früher angegebenen 80.000 Fans im ikonischen Stadion von Lusail versammelt waren. Obwohl die Anreise von Saudi-Arabien deutlich kürzer ist als jene von Argentinien, durften sich nicht nur die Saudis, sondern auch Messi und Co. über eine große Zahl an Schlachtenbummlern freuen. Darunter als Edelfan Tennis-Ass Diego Schwartzman, der auf das blau-weiße Trikot verzichtet hatte und auch dadurch im argentinischen Block herausstach.

Blitzstart und VAR-Eingriffe

Argentinien startete die Partie auch wie aus der Pistole geschossen – und führte nach zehn Minuten 1:0. Messi, der in der zweiten Minute noch an Goalie Mohammed al-Uwais gescheitert war, ließ Selbigem vom Elfmeterpunkt keine Chance. Der Videoreferee hatte es dem 35-Jährigen ermöglicht, als erster Argentinier und als fünfter Spieler nach Pele, Uwe Seeler, Miroslav Klose und Cristiano Ronaldo bei vier WM-Turnieren einen Treffer zu erzielen. Der VAR hatte entdeckt, dass Leandro Paredes bei einem Eckball zu Boden gerangelt worden war. Dem Referee war diese Szene durchgerutscht.

Messi per Elfmeter zum 1:0 (10. Minute)

Nach einem Foulspiel von Abdulhamid an Paredes gibt der Schiedsrichter nachträglich Elfmeter für Argentinien. Messi bugsiert den Ball flach ins linke Eck.

Wer sich nun eine argentinische Torlawine nach englischem Vorbild erwartet hatte, wurde allerdings bis zur Pause enttäuscht. Das lag nicht am mangelnden Offensivdrang von Messi und Co., die vor allem immer wieder den schnellen Pass in die Tiefe suchten, sondern vor allem an den mutig auftretenden Saudis. Die Außenseiter brachen nach dem frühen Rückstand nicht auseinander, sondern hielten in der Folge nicht nur technisch, sondern auch mit gesunder Härte dagegen.

Dazu konnte sich Saudi-Arabien auf eine gut funktionierende Abseitsfalle verlassen, in die etwa auch Messi in der 22. Minute knapp, aber doch tappte. Keine fünf Minuten später schien Martinez nach einem perfekten Lochpass im richtigen Moment gestartet zu sein, doch so wie schon beim Eröffnungsspiel beim vermeintlichen 1:0 Ecuadors beendete der VAR mit Verspätung die argentinische Feierstimmung. Der 25-Jährige war um das berühmte Alzerl im Abseits gewesen.

Martinez knapp im Abseits

Der Argentinier jubelt zwar über das vermeintliche 2:0, der Treffer wird aber nach kurzem Videostudium wieder aberkannt.

Saudi-Arabien stellt Spiel auf den Kopf

Die zweite Hälfte begann ebenfalls mit einem Paukenschlag – diesmal aber einem saudischen. Denn der Außenseiter drehte die Partie mit einem Doppelschlag um. Zuerst nutzte al-Schahri einen argentinischen Ballverlust – ausgerechnet Messi hatte den Ball im Mittelfeld vertändelt – zum überraschenden Ausgleich (48.). Und nur sechs Minuten später stellte Salem al-Dawsari die Welt im Lusail Stadium endgültig auf den Kopf: Der 31-Jährige tanzte die zögerlich attackierenden Argentinier im Strafraum aus und versenkte den Ball sehenswert im rechten Kreuzeck.

Jetzt zuckten die aus dem Nachbarland nach Katar gereisten Fans auf den Tribünen zu Recht aus, der „Albiceleste“ und ihren Fans war der Schock über den Zwischenstand ins Gesicht geschrieben. Der Teamchef reagierte forsch in Form eines Dreifachtauschs, um seine Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Es dauerte allerdings bis zur 63. Minute, bis sich Argentinien gesammelt hatte und sich wieder dem saudischen Tor annäherte. Doch al-Uwais packte beim Schuss von Nicolas Tagliafico eine Glanzparade aus.

al-Schahri gleicht aus (48. Minute)

Nach einem Ballverlust von Messi setzt sich al-Schahri auch gegen Christian Romero durch und schiebt den Ball an Goalie Emiliano Martinez vorbei ins argentinische Tor.

Argentinien läuft sich fest

Die Argentinier drückten zwar nun auf das Tempo, doch im letzten Angriffsdrittel gingen den Südamerikanern die Ideen aus. Dazu standen die Saudis in der Abwehr weiter sicher und eng und schenkten auch in den Zweikämpfen keinen Zentimeter her. Wenn die Argentinier einmal durchkamen, stand al-Uwais – wie etwa gegen Di Maria in der 72. Minute – sicher oder putzte als zusätzlicher Feldspieler weit vor seinem Tor aus.

Die Spieluhr tickte gnadenlos gegen die Argentinier. Nicht nur dieser Umstand, sondern auch der Versuch der Saudis, den Vorsprung mit kleinen Mätzchen – Stichwort Zeit schinden – ins Trockene bringen zu wollen, zehrte sichtlich an den Nerven der Südamerikaner. Die Angriffe des wankenden Favoriten wurden immer verzweifelter und hektischer.

In der erneut langen Nachspielzeit blieb keine argentinische Ausgleichschance, nur eine harte Kollision in Erinnerung. Jasser al-Schahrani ging schwer k. o., nachdem er mit Goalie al-Uwais kollidiert war. Der Verteidiger musste mit der Trage vom Platz gebracht werden. Doch auch die durch die Verletzung verlängerte Nachspielzeit half Argentinien nichts. Al-Uwais fischte in der 100. Minute noch einen Kopfball von Julian Alvarez aus dem Winkel und brachte die Sensation damit ins Trockene.

Stimmen zum Spiel:

Lionel Messi (Kapitän Argentinien): „Es gibt keine Entschuldigungen. Das ist eine Situation, in der wir uns schon lange nicht mehr befunden haben. Jetzt müssen wir zeigen, dass es sich um ein echtes Team handelt. Das ist ein harter Schlag für uns alle, denn wir haben nicht damit gerechnet, dass es so weit kommen würde. Alles geschieht aus einem bestimmten Grund. Wir müssen uns auf das vorbereiten, was auf uns zukommt. Wir wussten, dass Arabien eine Mannschaft mit guten Spielern ist, die den Ball gut bewegen und viel nach vorne spielen.“

Lionel Scaloni (Trainer Argentinien): „Wir wussten, wie Arabien spielt. Wir haben uns auf das Spiel vorbereitet, weil wir wussten, dass sie mit einer offensiven Verteidigung antreten würden. Das Abseits war millimetergenau. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns aufzuraffen und weiterzumachen. Mehr brauchen wir nicht zu analysieren. Heute ist ein trauriger Tag, aber wir müssen uns aufraffen und weitermachen. Vor dem Spiel galten wir als Favorit, aber bei einer Weltmeisterschaft kann so etwas passieren. Wir müssen an den Aspekten arbeiten, die nicht gut gelaufen sind.“

Abdulillah al-Malki (Mittelfeldspieler Saudi-Arabien): „(Trainer, Anm.) Renard hat uns heute zum Weinen gebracht mit seiner Ansprache vor dem Spiel und in der Halbzeit hat er uns angeheizt.“

FIFA WM 2022, Gruppe C, erster Spieltag

Dienstag:

Argentinien – Saudi-Arabien 1:2 (1:0)

Lusail, Lusail Stadium, 88.012, SR Vincic/SLO

Tore:
1:0 Messi (10./Elfmeter)
1:1 al-Schahri (48.)
1:2 al-Dawsari (58.)

Argentinien: E. Martinez – Tagliafico (71./Acuna), Romero (59./Lisandro Martinez), Otamendi, Molina – Paredes (59./Fernandez), De Paul – Di Maria, Messi, Gomez (59./Alvarez) – Lautaro Martinez

Saudi-Arabien: al-Uwais – al-Bulaihi, Abdulhamid, Tambakti, al-Schahrani (99./al-Baraik) – al-Malki, al-Dawsari, al-Schahri, Kanno – al-Buraikan (89./Asiri), al-Faradsch (45.+3/al-Abid/88./al-Amri)

Gelbe Karten: al-Malki, al-Bulaihi, al-Dawsari, Abdulhamid, al-Abid, al-Uwais